Vladimir Katanaev - lebenswichtige Signale für Embryonen
Der Biologe Dr. Vladimir Katanaev untersucht an der Universität Konstanz eine intrazelluläre Signalübertragung, die für die Embryonalentwicklung mehrzelliger Organismen von entscheidender Bedeutung ist. Dieser Wnt-/Frizzled-Signaltransduktionsweg spielt auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krebs.
Frisches Obst steht nicht auf ihrem Speiseplan, stattdessen wird Maisbrei serviert. Doch ansonsten sind ihre Lebensbedingungen optimal: bei 17 °C wachsen im Labor von Dr. Vladimir Katanaev rund 200 verschiedene Stämme von Fruchtfliegen in kleinen Plastikröhrchen heran. Mit ihrer Hilfe will der Nachwuchsgruppenleiter dem Wnt-/Frizzled-Signaltransduktionsweg auf die Spur zu kommen.
Den Weg nach Konstanz fand Dr. Katanaev über Umwege. Studiert hat der Russe im fernen Sibirien an der Universität von Krasnoyarsk. Anschließend promovierte er im schweizerischen Fribourg, bevor er für seine Postdoc-Zeit an die Columbia University in New York wechselte. Seit 2005 forscht Dr. Kantanaev als Nachwuchsgruppenleiter im Fachbereich Biologie an die Universität Konstanz.
Krebs durch falsche Signale
Dr. Vladimir Katanaev und seine Mitarbeitern Dr. Diane Egger-Adam im Labor (Foto: Keller-Ullrich)
© Keller-Ullrich
Seine Forschungsgruppe beschäftigt sich mit einem stammesgeschichtlich uralten Prinzip, denn der Wnt-Signalweg hat sich im Laufe der Evolution erhalten und findet sich in allen mehrzelligen Tieren, vom einfachen Schwamm bis zum Säugetier und eben auch im Menschen. Für die Embryonalentwicklung ist dieser Signaltransduktionsweg von essentieller Bedeutung. Ist die Entwicklung abgeschlossen, wird er weitgehend herunterreguliert. Aber auch die Aktivierung der Proliferation von Zellen, zum Beispiel in dem sich schnell regenerierenden Darmepithel, wird unter anderem durch den Wnt-Signalweg gesteuert. Eine fälschliche Aktivierung kann hingegen zur Entstehung bösartiger Tumore führen. So ist etwa bei 80 Prozent aller Fälle von Dickdarmkrebs und bei 50 Prozent der Brustkrebserkrankungen der Signalweg fälschlicherweise aktiviert.
Der erste Schritt bei dieser Signalübermittlung geht von dem Liganden Wnt aus. Sobald das Wnt-Protein an einen Frizzled-Rezeptor bindet, setzt dies eine Signalkaskade innerhalb der Zelle in Gang, durch die einige Gene exprimiert und andere unterdrückt werden.
Lebenswichtige Gene
Fruchtfliegen sind optimale Versuchstiere, mit denen sich auch schwierige Experimente relativ einfach durchführen lassen. Denn das Problem bei der Erforschung des Wnt-Signalwegs ist, dass die Funktion eines lebenswichtigen Gens untersucht wird. Würde das Gen komplett abgeschaltet werden, würde der Organismus schon in einem frühen Entwicklungsstadium sterben. In Fruchtfliegen kann das Gen jedoch in Zellgruppen, sogenannten Klonen, abgeschaltet werden. Damit sind die Fliegen lebensfähig, und die Forscher können in diesen Klonen untersuchen, wie sich das Fehlen des Proteins auf den Signaltransduktionsweg auswirkt.
Ähnlich lässt sich auch die Auswirkung einer zu großen Menge an Protein überprüfen.
In solchen Plastikröhrchen wachsen rund 200 verschiedene Stämme von Fruchtfliegen (Foto: Keller-Ullrich)
© Keller-Ullrich
Mit Hilfe solcher Methoden konnte Dr. Katanaev beweisen, dass in Fruchtfliegen der Rezeptor Frizzled das Signal durch die Aktivierung von G-Protein weiterleitet. In weiteren Versuchen konnte gezeigt werden, dass das G-Protein auch bei Säugetieren wichtig für die Signalweiterleitung ist. Mit einem speziellen von den Konstanzern entwickelten Versuchsaufbau untersucht die Arbeitsgruppe von Dr. Kantanaev nun Moleküle, die die Aktivität vom G-Protein modellieren. Ziel ist es, Kandidaten zu finden, die als Antagonisten wirken und den Signalweg blockieren, denn aus diesen könnten Medikamente gegen Krebs entwickelt werden. Die Auswahl ist allerdings riesig und es müssen in Zusammenarbeit mit Biotech-Unternehmen, die die Moleküle wie in einer Bibliothek zur Verfügung stellen, zehntausende verschiedene durchgetestet werden.
Differenzierung von Stammzellen verhindern
Doch das Forschungsprojekt ist nicht nur interessant für die Krebstherapie sondern auch für die Arbeit mit Stammzellen. Hätte man nämlich einen passenden Agonisten (Aktivator) wäre die Stammzellforschung einfacher, denn die Aktivierung des Wnt-Signalwegs fördert die Proliferation und unterdrückt die Differenzierung der Stammzellen. Dr. Katanaev schätzt, dass es etwa ein Jahr dauern wird, bis ein passender Agonist oder Antagonist gefunden ist.
Gerade hat die DFG weitere Gelder für sein neues Forschungsprojekt genehmigt, so dass er damit einen zusätzlichen Postdoc und auch noch einen Doktoranden einstellen kann. Seine Arbeitsgruppe umfasst dann zehn Mitarbeitende. Auf dem Erfolg ausruhen will er sich jedoch nicht, stattdessen nimmt er gerade ein neues Projekt in Angriff: seine Habilitation.
Frische Luft bekommen seine Versuchstiere übrigens keine. Fenster und Türen im Labor müssen stets fest verschlossen bleiben, damit die genetisch manipulierten Fruchtfliegen nicht unkontrolliert das Weite suchen.
Der Wnt-Signalweg ist in allen höheren Lebewesen vorhanden. Darauf weißt schon die Abkürzung Wnt hin. Sie setzt sich zusammen aus wg für wingless und Int-1. Die Bezeichnung wingless kommt daher, dass bei einer bestimmten Mutation im wingless-Gen die Fruchtfliegen ohne Flügel schlüpfen. Int-1 hingegen ist die ursprüngliche Bezeichnung des Genes in der Maus.
mek – 26.07.2008
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