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Wenn Zellen aus dem Ruder laufen – Forscher untersuchen Geheimnis der Zellalterung

Der Prozess des Alterns scheint auf den ersten Blick greifbar, ist er doch individuell und gesellschaftlich sichtbar. Was allerdings beim Altern genau passiert, ist wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt. Jörg Bergemann, Professor für Biomedical Engineering an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, untersucht in einem neuen Forschungsprojekt, wie Alterungsprozesse in Hautzellen ablaufen. Auch die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) konnte sich Bergemann sichern – allerdings in letzter Minute, denn kurz vor Bewerbungsschluss stieg ein Projektpartner aus. Mit der Hilfe des Netzwerks BioLAGO e.V. konnte kurzfristig ein neuer Partner gefunden werden.

Jörg Bergemann, Professor für Biomedical Engineering an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, leitet das Forschungsprojekt mit universitären und industriellen Partnern. © privat

Ob Parkinson, Krebserkrankungen oder Typ-2-Diabetes – viele Krankheiten, die verstärkt im Alter auftreten, teilen eine Gemeinsamkeit: Sie sind eng mit dem Funktionsverlust der Mitochondrien verknüpft. Professor Bergemann und sein Team untersuchen, wie es dazu kommt und was dies für die Zelle bedeutet. „Wir gehen davon aus, dass eine enge Wechselwirkung zwischen der Funktion der Mitochondrien und der Fähigkeit zur DNA-Reparatur besteht“, erläutert Bergemann. Dieser Zusammenhang wird verständlich, wenn man sich die Funktion der Mitochondrien vor Augen führt: Als Produzenten von Adenosintriphosphat (ATP) stellen sie Energie für eine Reihe essenzieller Zellfunktionen bereit – unter anderem auch für die Reparatur von DNA.

„Sowohl intrinsische als auch extrinsische Faktoren wie UV-Strahlung rufen immer wieder Schädigungen der DNA hervor“, so Bergemann. Können diese nicht behoben werden, setzt sich ein Teufelskreis in Gang (siehe Grafik). Eine entscheidende Rolle dabei spielen sogenannte reaktive Sauerstoffspezies (ROS), eine für den Organismus schädliche Form des Sauerstoffs. ROS entstehen im Stoffwechsel etwa als Nebenprodukt der Atmungskette in den Mitochondrien oder durch äußere Einwirkungen wie UV-Strahlung. ROS rufen Schädigungen der DNA hervor, die bei fehlender Reparatur zu Mutationen führen. Deren gehäuftes Auftreten wiederum hat Störungen in der Atmungskette der Zelle zur Folge, die die Bildung neuer ROS begünstigen. Ein Ziel von Bergemanns Forschung ist es nun, die DNA-Reparaturkapazität in Zellen zu erhöhen, um den Teufelskreis aufzuhalten.

Leuchtende Proteine erleichtern die Forschung

Die Grafik veranschaulicht den Zusammenhang zwischen mitochondrialer Funktion und DNA-Reparatur. Ziel des Forschungsprojekts ist es, Wirkstoffe zur Stärkung der DNA-Reparaturfähigkeit zu finden. © Daniel Gebhard
Dazu untersuchen Bergemann und sein Team die Reparaturfähigkeit der Zellen mit einer modifizierten Form des sogenannten Host Cell Reactivation Assay. Dabei wird ein zuvor gezielt geschädigtes DNA-Plasmid in eine Zelle eingeschleust. Kann die Zelle den Schaden am Plasmid beheben, wird dies sichtbar: Denn das Plasmid trägt ein sogenanntes Reportergen, das für ein leuchtendes Protein codiert. Übersteigt der Schaden die Reparaturkapazität der Zelle, bleibt das Leuchten aus. „Diese Methode ermöglicht es uns, eine Vielzahl an Zellen zu untersuchen und dadurch eine hohe statistische Sicherheit zu erlangen“, beschreibt Bergemann. Außerdem weist sie die Besonderheit auf, dass lediglich das eingefügte Plasmid geschädigt, der Rest der Zelle jedoch vollkommen funktionsmäßig ist“. Diese Versuchsanordnung erlaubt es den Forschern festzustellen, welche Art von DNA-Schäden die Zelle noch reparieren kann und welche sie nachhaltig schädigen. Die Forschung wird an Hautzellen durchgeführt, lässt sich aber prinzipiell auf andere Zellarten übertragen. Ein tieferer Einblick in die Wechselwirkung zwischen mitochondrialer Funktion und DNA-Reparaturkapazität soll den Forschern helfen, Wirkstoffe zu entwickeln, die Zellschäden verhindern. Langfristig wären auch Wirkstoffe zur Behandlung von Schäden denkbar.

BioLAGO vermittelte neuen Forschungspartner

Durchgeführt werden die Untersuchungen in einem Forschungsverbund, der sowohl Hochschulen als auch Partner aus der Industrie vereinigt. Neben Bergemann ist auch Professor Alexander Bürkle, einer der weltweit führenden Biogerontologen, der an der Universität Konstanz forscht, in das Projekt eingebunden. Wichtiger Partner zur Entwicklung von Assays ist die Roche Diagnostics GmbH. Neben ihr ist die MSE Pharmazeutika Teil des Forschungsprojekts. Sie ist auf die Entwicklung mitochondrialer Wirkstoffe spezialisiert. „Es war ein großer Glücksfall, dass wir MSE finden konnten“, freut sich Bergemann.

Mit seinem Forschungsprojekt bewarb er sich um Förderung beim prestigeträchtigen Programm „FHProfUnt“ des BMBF, in dessen Rahmen Forschung von Hochschulen in Zusammenarbeit mit Unternehmen gefördert wird. Nach einem halben Jahr der Vorbereitung schien die Bewerbung zu scheitern, als einer der beiden industriellen Partner kurzfristig ausfiel. Bergemann wandte sich an BioLAGO, das kurzfristig einen neuen Partner vermitteln konnte. Innerhalb einer Woche wurde das Projekt mit MSE besprochen und der Antrag in leicht veränderter Form eingereicht. „Mit der MSE Pharmazeutika wurde der ausfallende Partner mehr als ersetzt“, kommentiert Bergemann. Auch das BMBF war überzeugt und gewährte die Förderung.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/wenn-zellen-aus-dem-ruder-laufen-forscher-untersuchen-geheimnis-der-zellalterung