Zuverlässiger Wirknachweis mit Hautmodell und Assay
Der menschliche Körper ist permanent Substanzen ausgesetzt, die die Erbinformation schädigen und zu Tumoren führen können – sei es durch Einfluss von Chemikalien, Arzneimitteln oder UV-Strahlung. Eine zentrale Funktion zur Aufrechterhaltung der Zellfunktion in unserem Körper kommt zelleigenen Reparaturprozessen zu. Im Molekularbiologielabor der Hochschule Albstadt-Sigmaringen entwickelt und optimiert die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Jörg Bergemann Assays zum quantitativen Nachweis von DNA-Schäden sowie zur Untersuchung ihrer Reparatur. Die Forscher setzen dabei ganz auf In-vitro-Testsysteme. Mit den Techniken des Tissue Engineering wird auch ein Hautmodell für pharmakologische Studien zum Wirknachweis und zur Bioverträglichkeit von Substanzen hergestellt. Die so entwickelten Tests, darunter ein modifizierter Host Cell Reactivation Assay, werden auch von der Industrie nachgefragt.
Prof. Dr. Jörg Bergemann ist Leiter des Studiengangs Biomedical Engineering an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen
© Michael Statnik
Die Zahl von Hauttumorerkrankungen ist in den vergangenen Jahren weiter angestiegen. Zu den meist auftretenden Hauttumoren gehören Basaliom, Plattenepithelkarzinom und Melanom. UV-Strahlung kann zahlreiche Veränderungen der Erbinformationen zur Folge haben, z.B. die Entstehung von charakteristischen Dimeren (Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere /CPD´s). Der gesunde Mensch verfügt über mehrere hocheffiziente Systeme in seinen Zellen, welche zur vollständigen Beseitigung von UV-bedingten DNA-Schäden beitragen. Liegt jedoch beispielsweise ein genetischer Defekt vor, so dass die Reparatur nicht möglich wird, entwickeln Betroffene sehr früh verschiedene Formen von Hautkrebs. Dazu zählen u.a. die sogenannten Mondscheinkinder (Xeroderma pigmentosum), die sich stets vor Sonnenstrahlung schützen müssen, um Mutationen durch eine fehlende, körpereigene Reparatur von DNA zu vermeiden. Forschung und Industrie zielen verstärkt auf die Entwicklung von Wirkstoffen, für Kosmetikprodukte aber auch Arzneimittel, die die Reparaturmechanismen im Körper stärken.
Modifizierter Assay belegt positive Wirkung von Folsäure
Hautmodell mit den Techniken des Tissue Engineering hergestellt. Bild a zeigt das Hautmodell makroskopisch, Bild b einen histologischen Schnitt (HE-Färbung) und Bild c eine Färbung mittels fluoreszenzmarkierter Antikörper.
© Katja Matt, Hochschule Albstadt-Sigmaringen
Zur Bestimmung der Reparaturfähigkeit haben Prof. Jörg Bergemann, Leiter des Studiengangs Biomedical Engineering an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, und sein Team verschiedene Testsysteme entwickelt. Hierzu zählt auch der modifizierte Host Cell Reactivation Assay, der auf einer fluoreszenzaktivierten Zellanalyse (FACS) basiert und völlig ohne Tierversuche auskommt. „Im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Verfahren ist unsere Methode viel sensitiver, reproduzierbarer, und es können einzelne Zellen im Reparaturprozess analysiert werden“, fasst Prof. Jörg Bergemann die Vorteile zusammen. Sowohl die Reparaturkapazität stimulierende Wirkstoffe als auch DNA-schädigende Substanzen können damit nachgewiesen werden. Dabei werden unter anderem die am Hautalterungsprozess beteiligten Fibroblasten mit Reporterkonstrukten, die für die Proteine DsRed (bestrahlte Reporterplasmide) und für grün-fluoreszierende Proteine pEGFP (unbestrahlten Plasmide) kodieren, transfiziert. „Der Unterschied zwischen den bestrahlten und unbestrahlten Plasmiden liegt darin, dass das Protein auf dem bestrahlten Plasmid erst nach erfolgreicher DNA-Reparatur exprimiert werden kann“, so Prof. Jörg Bergemann.
Transfiziert werden die Fibroplasten mit einer Mischung aus bestrahltem (DsRed) und unbestrahltem pEFGFP-Plasmid. „Im Prinzip sind das zwei alternative Reporterkonstrukte, und man kann auch unbestrahltes DsRed sowie bestrahltes pEFGFP beziehungsweise einige andere Plasmide, die für fluoreszierende Proteine kodieren, einsetzen.
In den Zellen kann die Reparaturfähigkeit durch Nachweis der erfolgreichen Reparatur der durch die UV-Strahlung beschädigten Reporter dann in einer FACS-Analyse in mit Wirkstoff behandelten und unbehandelten Zellen exakt verglichen werden. FACS (fluorescence activated cell sorting) bezeichnet den Vorgang der Analyse von Zelleigenschaften durch Emission von Streulicht oder Fluoreszenzimpulsen als Reaktion auf Laserbestrahlung beim Durchfluss einer Glaskapillare. Reparaturfähige Zellen sind in der Lage, DsRed und pEGFP zu exprimieren, während reparaturdefiziente lediglich das pEGFP exprimieren können. „Durch die Verwendung dieses internen Standards erhält man in Kombination mit der Einzellzellanalyse sehr reproduziernbare Versuchsbedingungen“, stellt Bergemann fest.
Mithilfe ihrer Methode konnten die Forscher unter anderem nachweisen, dass zellaktive Folsäure die Reparaturkapazität von dermalen Zellen fördert, wodurch auch „Claims“ im Bereich Anti-Aging unterstützt werden konnten. In dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass Wirkstoffe die Reparaturfähigkeit der Hautzellen von allen der hier insgesamt 20 untersuchten Spendern erhöhen, was auch aufgrund der hohen Donorvariabilität dieser Zelltypen für die Reproduzierbarkeit unseres Assay spricht“, erzählt Prof. Jörg Bergemann. Die Verbesserung variierte zwischen zwei und rund 20 Prozent. „Ein weiterer Vorteil dieser Methode liegt darin, dass wir große Menge an bestrahlten Reportergenen herstellen können und dadurch sehr ähnliche Schadensprofile in unsere Assays einsetzen können“, folgert Prof. Jörg Bergemann.
Zuverlässiges Ergebnis macht Tierversuche überflüssig
Im Molekularbiologielabor der Hochschule Albstadt-Sigmaringen werden Assays zum quantitativen Nachweis von DNA-Schäden sowie zur Untersuchung ihrer Reparatur entwickelt und verbessert.
© Hochschule Albstadt-Sigmaringen
Die Arbeitsgruppe arbeitet dabei sowohl mit einem Hautmodell als auch mit menschlichen Hautzellen aus maximal drei Tage alten Operationsabfällen, die danach kultiviert werden. „Wir agieren in erster Linie mit Keratinozyten, Fibroblasten und Melanozyten, isolieren diese Zellen einerseits, und verwenden diese andererseits anschließend für unsere Hautmodelle“, konstatiert Bergemann. Eine weitere sehr wichtige Methodenentwicklung in den Labors seiner Hochschule stellt hierbei die parallele Isolierung der drei wichtigsten Zelltypen der menschlichen Haut aus zum Teil sehr kleinen Mengen an Untersuchungsmaterialien dar. „Hierdurch haben wir die Möglichkeit, die Probleme mit der hohen Donorvariabilität beim Umgang mit Hautzellen in den Griff zu bekommen“, berichtet Bergemann. Bei der künstlichen Haut ist vordergründig die Epidermis berücksichtigt.
„Wir befassen uns bei unseren Versuchen hauptsächlich mit UV-induzierten Schäden, jedoch lässt sich unser Verfahren auch auf andere Schadensprofile erweitern“, betont Prof. Jörg Bergemann. Unsere Verfahren stellen eine gute Alternative zu Methoden mit Tierexperimenten“ und eine Erweiterung der Alternativtestung dar. Nicht nur aus ethischen Gründen, sondern weil hierdurch wichtige und zuverlässige Messdaten erhalten werden, die der Tierversuch so nicht liefert. „Die Stoffe, die bei unserem Test negativ auffällig würden, erübrigen durch die Zuverlässigkeit des Ergebnisses weitere Testung im Tierversuch“, fügt der Wissenschaftler hinzu. Bergemann hält es für möglich, dass „man nicht vollständig auf Tierversuche verzichten“ kann, hält es aber für ein wichtiges Ziel, diese wo immer es geht einzuschränken, insbesondere durch die weitere Entwicklung von Alternativmethoden.
„Aufgrund der gesetzlich immer mehr geforderten Sicherheitsrichtlinien könnten in Zukunft sogar noch mehr Tiere für Tests benötigt werden, wodurch es noch dringender wird, Tierversuche zu reduzieren“, bemerkt der Forscher. Für die Zukunft hat sich das Team von Prof. Jörg Bergemann in Bezug auf den modifizierten Host Cell Reactivation Assay eine „Vereinfachung“ dieser Methode zum Einsatz beim Wirkstoffscreening zum Ziel gesetzt. Diese Anwendung ist bisher nur bedingt möglich.