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Aigner verbietet den Anbau von MON 810

Gentechnisch veränderter Mais der Sorte MON 810 darf nach einer Entscheidung der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ilse Aigner in Deutschland bis auf Weiteres nicht angebaut werden. Damit ist Deutschland das sechste EU-Land - nach Frankreich, Griechenland, Österreich, Ungarn und Luxemburg -, das die Maissorte MON 810 des Konzerns Monsanto verbietet. Als Grund für das Verbot werden Risiken für die Umwelt, etwa für bestimmte Marienkäfer, Schmetterlinge und Wasserflöhe genannt.

Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz © CDU/CSU-Fraktion

"Ich habe heute Morgen veranlasst, dass das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine Schutzklausel nach § 20 Abs. 3 Gentechnikgesetz und Artikel 23 der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG verhängt", sagte die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, am 14. April auf einer Pressekonferenz in Berlin. "Damit ist der Anbau von MON 810 in Deutschland verboten." Auf knapp 3.600 Hektar sollte die genveränderte Pflanze dieses Jahr angebaut werden.

Mit Verhängung der Schutzklausel durch das BVL gegenüber der Firma Monsanto wird das Ruhen der Genehmigung von MON 810 angeordnet. Damit ist jeder Anbau und jeder weitere Verkauf von Saatgut von Mais der Linie MON 810 unzulässig. "Die Bundesländer werden umgehend über diese Maßnahme informiert und werden die Einhaltung des Verbots überwachen", so Ministerin Aigner.

Die Bundesministerin hatte um eine umfassende Bewertung der von Monsanto Ende März vorgelegten Ergebnisse des Beobachtungsprogramms zum Anbau von MON 810 sowie um Prüfung möglicher neuer Aspekte hinsichtlich der Umweltauswirkungen von MON 810 gebeten. Die Bewertung durch die Bundesbehörden (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Julius Kühn Institut, Bundesamt für Naturschutz) ergab keine einheitliche Auffassung. 

Gefahr für die Umwelt

Der Maiswurzelbohrer ist ein gefürchteter Maisschädling. Bekämpft werden könnte er eines Tages mit gentechnisch verändertem Mais. © Mihaly Czepo/biosicherheit.de

In der Entscheidung berücksichtigte Bundesministerin Ilse Aigner auch, dass mittlerweile fünf Mitgliedstaaten der Europäischen Union rechtswirksam entsprechende Schutzmaßnahmen in Bezug auf den Mais MON 810 erlassen haben. Zuletzt hatte Ende März diesen Jahres Luxemburg die Schutzklausel gezogen. "Ich komme zu dem Schluss, dass es berechtigten Grund zu der Annahme gibt, dass der genetisch veränderte Mais der Linie MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt", sagte Aigner. Diese Auffassung wurde auch vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bestätigt.

"Meine Entscheidung ist entgegen anders lautender Behauptungen keine politische Entscheidung", sagte Aigner. "Es ist eine fachliche Entscheidung und dies muss es aus rechtlichen Gründen auch sein." Aigner bezog sich bei ihrer Entscheidung vor allem auf zwei Studien, die im Auftrag der luxemburgischen Regierung durchgeführt worden sind. Forscher der ETH Zürich wiesen eine höhere Sterblichkeit der Larven des Zwei-Punkt-Marienkäfers und negative Auswirkungen auf das Wachstum von Wasserflöhen nach.

Die Genehmigung von
MON 810 wurde 1998 auf Europäischer Ebene erteilt. Der Mais des Saatgutunternehmens Monsanto war bislang die einzige gentechnisch veränderte Pflanze, die Bauern auf die Äcker bringen dürfen.

"Ich möchte unterstreichen, dass dies keine Grundsatzentscheidung zum künftigen Umgang mit Grüner Gentechnik ist", erläuterte Bundesministerin Aigner. "Es handelt sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung, bei der Pro und Contra sorgfältig abgewogen und eine Entscheidung auf wissenschaftlicher Grundlage getroffen wurde." Die vielen offenen Fragen über den einzigen zurzeit in Europa zum kommerziellen Anbau zugelassenen genveränderten Organismus würde die Notwendigkeit einer verstärkten Sicherheitsforschung deutlich machen.

"Gerade die Sicherheitsforschung in der Grünen Gentechnik wird gebraucht. Das Grundprinzip der praktischen Anwendung der Grünen Gentechnik muss eine vollständige Gewährleistung der Sicherheit für Mensch, Tier, Pflanze und Umwelt beinhalten", so Aigner.
Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat ihr Haus beauftragt, ein Strategiepapier zu erarbeiten, welches die zukünftige Behandlung der Thematik Gentechnik regeln soll. Dabei ist die Einbindung von unabhängigen Experten wichtig. Es ist vorgesehen, ein Programm zur Sicherheitsforschung durchzuführen und einen Leitfaden zur künftigen Genehmigungspraxis zu erarbeiten. Es sollen Fragen der Handhabung der Ausweisung von freiwilligen gentechnikanbaufreien Regionen beantwortet werden.

Echo auf das Anbau-Verbot für gentechnisch veränderten Mais

Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk hält den Anbaustopp für MON 810 derzeit für richtig. Dem Anbauverbot für gentechnisch veränderten Mais in Deutschland darf nach Ansicht von Hauk aber kein Forschungsverbot folgen. Das Bundessortenamt hat inzwischen Pflanzenversuche mit gentechnisch verändertem Mais bei Ladenburg (Rhein-Neckar-Kreis) und Rheinstetten (Kreis Karlsruhe)  abgesagt. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte den Anbau-Stopp, Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) warnte vor einer Beeinträchtigung der Forschung und forderte einen Runden Tisch zum Thema Gentechnik.

Aus Sicht der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) ist das
Anbauverbot für gentechnisch veränderten Mais eine Entscheidung gegen ein
bewährtes wissenschaftsbasiertes Zulassungsverfahren. Das Verbot nehme den
Landwirten die Freiheit, zugelassenen gentechnisch veränderten Mais anzubauen,
kritisiert die DIB aufs Schärfste. Die DIB-Mitgliedsunternehmen befürchten einen herben Rückschlag für den Biotechnologie-Standort Deutschland. Obwohl unabhängige Experten der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) diese gentechnisch veränderte Pflanze als sicher für Mensch, Tier und Umwelt eingestuft haben, setzt sich Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner über diese wissenschaftliche Bewertung hinweg. 

Der Hersteller Monsanto will den Bescheid des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit prüfen und entscheidet dann über eventuelle rechtliche Schritte. Die EU-Kommission behält sich einen Einspruch gegen das Anbauverbot vor.

Schutzklausel nach Artikel 23 der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG:

(1) Hat ein Mitgliedstaat aufgrund neuer oder zusätzlicher Informationen, die er seit dem Tag der Zustimmung erhalten hat und die Auswirkungen auf die Umweltverträglichkeitsprüfung haben, oder aufgrund einer Neubewertung der vorliegenden Informationen auf der Grundlage neuer oder zusätzlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse berechtigten Grund zu der Annahme, dass ein GVO als Produkt oder in einem Produkt, der nach dieser Richtlinie vorschriftsmäßig angemeldet wurde und für den eine schriftliche Zustimmung erteilt worden ist, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt, so kann er den Einsatz und/oder Verkauf dieses GVO als Produkt oder in einem Produkt in seinem Hoheitsgebiet vorübergehend einschränken oder verbieten.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/aigner-verbietet-den-anbau-von-mon-810