Bund fördert neues Stammzellprojekt des ZRM
Tübinger Forscher haben Keimzellen erwachsener Männer zu pluripotenten Stammzellen kultiviert, die ein ähnlich großes Therapiepotenzial haben wie embryonale Stammzellen, aber ein deutlich geringeres ethisches Problempotenzial. Jetzt startet ein BMBF-gefördertes Projekt zur umfassenden Charakterisierung der Zellen und ihres therapeutischen Nutzens für die Regenerative Medizin.
Es ist das zweite Kapitel einer Erfolgsgeschichte, die von einer Gruppe Tübinger Stammzellforscher geschrieben wird. Den Anfang machte das Team um ZRM-Direktor Prof. Dr. Thomas Skutella mit bahnbrechenden Ergebnissen, die im Herbst 2008 durch die Veröffentlichung im führenden Wissenschaftsjournal „nature“ Furore machten. Dem Team gelang ein weltweites Novum: Erstmals wurden aus Keimzellen eines Erwachsenen pluripotente Stammzellen gewonnen, die sich wie embryonale Stammzellen aber ohne deren ethische Probleme zu verschiedenen Gewebezelltypen entwickeln lassen und damit enorme Einsatzmöglichkeiten in der Medizin bieten.
Prof. Dr. Thomas Skutella
© BioRegio STERN
Die neuen Zellen „Made in Tübingen" sind äußerst vielversprechend. Was genau sie leisten können, wird jetzt in Tübingen untersucht. Diese Art der Stammzellforschung ist mit erheblichen Kosten verbunden, an denen sich der Bund erfreulicherweise beteiligt. „Wenn wir jetzt ins Hintertreffen geraten würden, wäre das fatal. Wir sind dringend auf Drittmittel angewiesen, damit wir international unseren Vorsprung halten und ausbauen können. Die knappe halbe Million Euro Fördermittel sind uns deshalb höchst willkommen", freut sich Skutella.
Mit dem Geld wird in den nächsten drei Jahren ein ehrgeiziges Arbeitspensum finanziert. Zunächst müssen langzeitstabile pluripotente Zelllinien generiert werden, die zum Zwecke der Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen alle von einer einzigen Zelle abstammen. Diese „klonalen" Zelllinien müssen dann genauestens charakterisiert werden, sowohl auf genetischer und epigenetischer Ebene als auch hinsichtlich ihrer Proteinausstattung und der zellulären Stoffwechselvorgänge. Die Ergebnisse werden den Forschern wichtige Erkenntnisse über die Entstehung und Regulation der Pluripotenz liefern.
ZRM als Pluspunkt
Neben dieser Grundlagenforschung dienen die Arbeiten dem großen Ziel, therapeutisch vielseitig einsetzbare Stammzellen zu erhalten, die den strengen rechtlichen Rahmenbedingungen und ethischen Normen in Deutschland entsprechen. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass mit den Zellen so unterschiedliche Krankheiten wie Diabetes oder degenerative Defekte im Bewegungsapparat und im Gehirn therapiert werden könnten.
Dazu sollen die pluripotenten Zellen im Labor zu Zelltypen des jeweils betroffenen Gewebes gezüchtet werden, etwa zu insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Als gesundes, aus Patientenzellen gezüchtetes Pendant könnten die Zellen dann in das kranke oder abgestorbene Gewebe eingebracht werden. Dort würden sie aufgrund ihrer Abstammung aus patienteneigenen Zellen keine Abwehreaktionen hervorrufen und - so die große Hoffnung der Forscher - die Funktion des Organs wiederherstellen. Diese zukunftsweisenden medizinischen Ansätze sind zwar nicht mehr Inhalt des jetzt gestarteten BMBF-Projekts, das jedoch ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur Stammzelltherapie im Rahmen der Regenerativen Medizin sein wird.
Ein großer Vorteil der Tübinger Zellen besteht darin, dass sie ohne gentechnische Eingriffe in die Ausgangszellen erzeugt werden, was die Anwendung am Menschen deutlich erleichtern dürfte. Punkten können die Tübinger Stammzellforscher auch mit einem Standortvorteil: Das ZRM fungiert als Dachorganisation von Klinken und Instituten in Tübingen, die sich mit Stammzellforschung befassen und bringt die richtigen Partner zusammen. So haben die Forscher über eine Kooperation mit der Urologischen Universitätsklinik direkten Zugang zu Gewebe und Biopsiematerial, das für die Isolierung von adulten Stammzellen aus männlichen Hoden nötig ist. Außerdem kann die Gruppe auf die Unterstützung interdisziplinärer Einrichtungen wie der Mikroarray Facility der Universität Tübingen bauen, die auf schnelle und exakte Analysen von genetischem Material spezialisiert ist.