Die Erfindungen der Natur als Vorbild
Die Biologie und die Evolution als Wissens- und Erkenntnisspeicher für technische Innovationen zu nutzen, ist das erklärte Ziel der Bionik: In der Natur erprobte Problemlösungen und Konstruktionsprinzipen werden auf technische Werkstoffe und Anwendungen übertragen und eröffnen so neue Lösungswege und Innovationspotenzial für die Ingenieurwissenschaften. Inwieweit die Textiltechnik von diesem Forschungsansatz profitieren kann, wurde am 04. und 05. Juni 2008 auf dem 2. Denkendorfer Bionik-Kolloquium in vielen Aspekten beleuchtet.
Gerade die Textiltechnik sei dazu prädestiniert den bionischen Wissenschaftsansatz zu nutzen, betonte Dr. Michael Doser, stellvertretender Institutsleiter und selbst Biologe, gegenüber den 100 Tagungsgästen bei seiner Begrüßung. Viele biologische Strukturen, auch im menschlichen Körper, beruhen auf Faserstrukturen, d.h. dem ureigenen Konstruktionsmaterial der Textiltechnik. Auch künstlich erzeugte Fasern werden in aller Regel von biologischen Systemen gut vertragen und aufgenommen, wie im Rahmen der Entwicklung von textilen Implantaten für die Medizin, die seit Jahren am ITV Denkendorf fest etabliert ist, vielfach nachgewiesen werden konnte.
Geniale Ideen aus der Natur
Dass die Bionik inzwischen in vielen Wissenschaftsbereichen eine wichtige Rolle spielt, verdeutlichte in einem einführenden Grundsatzreferat Prof. Dr. Thomas Speck, Nestor der Bionik in Deutschland und Sprecher des Tagung Kompetenznetzes Biomimetik Baden-Württemberg, das zugleich Mitausrichter der war. Mit 30 Standorten in Deutschland und Partnerorganisationen in mittlerweile 4 europäischen Ländern wächst das Euronet Bionik kontinuierlich.
In Deutschland betreut das Kompetenznetz derzeit über 30 Forschungsprojekte in den unterschiedlichsten Disziplinen.
Dr.-Ing. Thomas Stegmaier, Leiter des Kompetenzzentrums für Technische Textilien Denkendorf, erläuterte anhand aktueller Projekte die große Bandbreite der bionisch inspirierten Textilforschung. Auf biologischen Vorbildern (aus der Pflanzen- und Tierwelt) beruhen z.B. Entwicklungen von selbstreinigenden Textilien, unbenetzbarer Badekleidung, feuchtigkeitsregulierenden Textilien (adaptive Blattöffnungen), textilen Flüssigkeitsleitern (Lianen), adaptiven Mikrofiltern (Meeresschwämme), textilen Systemen zu Ölabscheidung aus Wasser und Luft (Ölbiene), Leichtbaumaterialien (Pflanzenhalm) oder textilen Wärmeabsorbern, die dem Eisbärfell nachgebaut sind.
Unter den Rubriken Konstruktionen, Faserverbundwerkstoffe, Algorithmen/Optimierung/Modelle und Oberflächen wurde anschließend in 15 Fachbeiträgen ein großes Spektrum bionischer Forschungsansätze und Problemlösungen präsentiert. Dabei ging es um bionische Bauprinzipien bei großflächigen Architekturtextilien ebenso wie um nano-strukturierte Haftflächen nach dem Vorbild von Gecko- und Fliegenbeinen. Auch im Automobilbau ist, wie Dr. Konrad Götz von der Daimler AG ausführte, die bionische Strukturoptimierung bei allen zukunftsorientierten Firmen der Branche inzwischen fest etabliert.
Passend zum Thema wurde das Kolloquium mit einer Exkursion in das Urweltmuseum Hauff in Holzmaden und einem Vortrag von Dr. Eberhard Frey abgerundet. Er berichtete am Beispiel der Flugsaurier über die Optimierung biologischer Systeme über Jahrmillionen. Da technische Entwicklungen glücklicherweise deutlich schneller ablaufen, wird sich die Zunft der bionisch inspirierten Wissenschaftler schon in zwei Jahren zum 3. Bionik-Kolloquium wieder in Denkendorf treffen.
Quelle: ITV - Denkendorf - 11.06.2008 (P)