Ethische Grenzen der biotechnologischen Forschung
"Was darf ich tun – was muss ich tun – muss ich etwas tun" – dies war das Spannungsfeld, in dem die Frage nach den ethischen Grenzen der biotechnologischen Forschung im Rahmen eines Open-Space-Workshops von interessierten Besuchern der Veranstaltung "Biotechnologie zum Anfassen" am 26. Juni 2008 diskutiert wurde.
In der Diskussionsrunde im Rahmen des Open-Space-Workshops zum Thema „Ethische Grenzen der biotechnologischen Forschung“ kam es wie erwartet schnell zur Nennung wichtiger Fragestellungen und kontroverser Themen. Eine der interessantesten Fragen zu diesem Thema war, wer die Verantwortung für negative Auswirkungen oder für einen Missbrauch von Forschungsergebnissen trägt. Hier wurde die Meinung vertreten, dass der einzelne Forscher persönlich für die Ergebnisse seiner Forschung gerade stehen solle. Ob die Ziele der Forschung unter Umständen die gewählten Methoden rechtfertigen, wurde jedoch sehr kontrovers diskutiert. Alle Standpunkte wurden vertreten, von der vereinzelten Meinung, dass das Forschungsziel keinen Einfluss auf die ethische Vertretbarkeit der Forschungsmethoden habe, bis hin zu der ebenso vereinzelten Meinung, dass man viele Forschungsmethoden generell verbieten sollte. Auf breite Zustimmung stieß jedoch der Gedanke, dass die Auswirkungen der Forschungsergebnisse bei der Frage nach ethischen Grenzen ebenso im Auge behalten werden sollten wie der Nachhaltigkeitsgedanke.
Unterschiedliche Meinungen über ethische Fragestellungen wurden im Open-Space-Workshop ausgetauscht. (Foto: BIOPRO/Bächtle)
Darf der Mensch Leben erschaffen?
Als Schwerpunktthemen dieser Debatte kristallisierten sich bald Tierversuche, Forschung an embryonalen und adulten Stammzellen, Genmanipulation, Wertigkeit des Lebens und Vergleichbarkeit tierischen, pflanzlichen und menschlichen Lebens heraus. Auch die Frage, was Leben ausmacht und wann es beginnt wurde in diesem Zusammenhang diskutiert. Manche sahen den Lebensbeginn bei der befruchteten Eizelle, für andere war dies jedoch eindeutig nicht der Fall. Sehr kontrovers waren die Meinungen auch in der Frage, ob der Mensch generell Leben schaffen dürfe. Gerade in der speziellen Situation der Erschaffung und Vernichtung von Embryonen im Zuge der Forschung an embryonalen Stammzellen gab es viele Stimmen, die sich dagegen aussprachen. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang darauf, dass es ja auch die Möglichkeit der Forschung an den ethisch unproblematischen adulten Stammzellen gäbe. Die Herstellung von Embryonen durch In-vitro-Fertilisation im Falle von Kinderlosigkeit wurde generell als weniger problematisch angesehen.
Eine der Aussagen, auf die sich die Teilnehmer der Diskussion weitgehend einigen konnten, war, dass die Erschaffung von Leben, um es zu manipulieren, und die Erzeugung eines „Wunschmenschen“ mit ausgewählten Eigenschaften ethische Grenzen eindeutig überschreitet. Schwieriger war jedoch die Antwort auf die Frage, ob das Leben eines Kranken, dem durch embryonale Stammzellen geholfen werden könnte, über dem Leben des dafür zu zerstörenden Embryos steht. Thematisiert wurde dabei auch die Problematik, dass die Grenzen zwischen Stammzelltherapie und der Möglichkeit, Menschen zu klonen, schwer zu ziehen sind. Es wurde auch stark angezweifelt, ob es ethisch vertretbar sei, Eizellen für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen oder gar zu verkaufen. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass diese Frauen sich ihre Eizellen oft aus einer finanziellen Notsituation heraus entnehmen lassen und teilweise selbst körperlich an der notwendigen Hormonbehandlung leiden. Dagegen stand eine vereinzelte Meinung, dass man auch zu solchen Mitteln greifen sollte, um alles zu erforschen, was sich erforschen lässt, also eine Forschung ganz ohne ethische Grenzen zu betreiben. Angesprochen wurde an dieser Stelle auch die Thematik der Organtransplantation im Falle des Hirntods und in wie weit die Lebenserhaltung des potenziellen Spenders über der Möglichkeit steht, Spenderorgane zu erhalten.
Ethische Vertretbarkeit von Tierversuchen
In der Debatte zum Thema Tierversuche kristallisierte sich schnell die Erkenntnis heraus, dass Forschung zu medizinischen Zwecken nicht ohne Versuche mit lebenden Organismen auskommt. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass Versuche an Menschen ethisch nicht vertretbar sind. Stark angezweifelt wurde jedoch, ob Tiere dem Menschen generell untergeordnet seien. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich Tiere zwar nicht gegen die Versuche wehren können, aber trotzdem nicht weniger wert sind als Menschen und zum Teil zu den gleichen oder ähnlichen Empfindungen fähig sind. Daraufhin wurde die Ansicht geäußert, dass man sich eigentlich auch streng vegetarisch ernähren müsste, wenn Tiere aus diesem Grund als Versuchsorganismen nicht in Frage kommen. Weiter ausgedehnt wurde dieser Gedanke dann auch in Bezug auf die Wertigkeit pflanzlichen Lebens. Fraglich blieb bis zuletzt in der Diskussionsrunde, wo der Wesensunterschied zwischen pflanzlichem, tierischem und menschlichem Leben liegt und ob es überhaupt einen gibt.
evs – 07.07.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Open Space Technology: Open Space (englisch für „geöffneter Raum“) ist eine Methode zur Strukturierung von Besprechungen und Konferenzen. Open Space schafft einen Raum, in dem viele Menschen selbstorganisiert und selbstverantwortlich ihre Anliegen gemeinschaftlich bearbeiten können. Es gibt keine vorgegebenen einzelnen Themen. Jeder kann ein Anliegen, das ihm besonders am Herzen liegt, vorantreiben. Das können komplexe und dringliche gemeinsame, aber auch persönliche Fragen und Themen sein. Sie werden erst zu Beginn der Veranstaltung formuliert.
Im Open Space gibt es vier Prinzipien:
1. Wer auch immer kommt, es sind die richtigen Leute - einer oder 25 ist egal, und jeder ist wichtig und motiviert. 2. Was auch immer geschieht, es ist okay - Ungeplantes und Unerwartetes ist oft kreativ und nützlich. 3. Es beginnt, wenn die Zeit reif ist - wichtig ist die Energie (nicht die Pünktlichkeit). 4. Vorbei ist vorbei - Nicht vorbei ist Nicht-vorbei – wenn die Energie zu Ende ist, ist die Zeit um.
Und ein Gesetz: Das Gesetz der zwei Füße
Das „Gesetz der zwei Füße“ ist Ausdruck der Freiheit und Selbstverantwortung: der Teilnehmer bleibt nur so lange in einer Gruppe, wie er es für sinnvoll erachtet, also solange wie er etwas lernen und/oder beitragen kann. (Quelle: wikipedia)