GENEDATA SCREENER® - Mit spezialisierter Datenauswertung zu hochwirksamen Leitstrukturen
Das Unternehmen Genedata hat mit der Genedata Screener®-Plattform ein integriertes, modulares Softwaresystem entwickelt, das auf Screeningprozesse in der Wirkstoffforschung zugeschnitten ist und die automatische Auswertung von physikalischen Hochdurchsatz-Substanzscreens sowie die wissenschaftliche Überprüfung der Ergebnisse unterstützt. Dr. Timo Wittenberger vom Firmenstandort in Konstanz stand Rede und Antwort, welche Vorteile die Software bei der Leitstrukturfindung mit sich bringt.
Dr. Timo Wittenberger promovierte nach einem Studium der Biochemie in Tübingen und in Tuscon (USA) am Zentrum für Molekulare Neurobiologie in Hamburg (ZMNH) und war ab 2001 bei Byk-Gulden und Altana Pharma (heute Nycomed) zunächst im Bereich Bioinformatik und später in der Abteilung Discovery-IT tätig. Seit 2007 verstärkt er das „Professional Services“ Team der Firma Genedata. Das Unternehmen, dessen Hauptsitz sich in Basel befindet, unterstützt Life-Science-Firmen im Aufbau und Betrieb von hochspezialisierten, datenintensiven Technologien und hat sich auf die Entwicklung von Softwarelösungen und Servicedienstleistungen spezialisiert.
Herr Dr. Wittenberger, was leistet der Genedata Screener® für die Wirkstoffindung?
Der Einsatzbereich des Screeners erstreckt sich über den gesamten Screeningprozess, von der Validierung, Strukturierung und Interpretation von Daten aus dem Primärscreening bis hin zur Erforschung hochwirksamer Leitstrukturen im Hit-to-Lead Prozess. Aufgaben, die in der Vergangenheit pro Substanz manuell ausgeführt wurden, werden mit Screener in einem automatisierten und standardisierten Arbeitsprozess integriert.
Genedata Screener® identifiziert unter anderem fehlerhafte Mikrotiterplatten.
© Genedata
Die Software erleichtert die Datenauswertung vor allem komplexerer Screens. Sie sichert die Qualität der Resultate, identifiziert Fehler und bestimmt die Aktivität und die Wirkstärke der eingesetzten Substanzen in dem jeweiligen biologischen Test. Der Screener unterstützt sowohl Daten aus Low-Throughput-Screens als auch aus Ultra-Hochdurchsatzverfahren und ist zudem kompatibel mit komplexen High-Content-Screening-Technologien.
Was sind das Ausgangsmaterial bzw. die Rohdaten, mit denen der Screener arbeitet, und wie sieht die Verbindung zum physikalischen Screening aus?
Die Ausgangsdaten kommen direkt von den Plattenreadern, d.h. den physikalischen Messstationen, die auf den Screening-Anlagen installiert sind. Hierbei ist der Screener unabhängig von der jeweiligen technologischen Ausstattung der Robotersysteme. Was die chemischen Strukturen angeht, stammen diese aus den jeweiligen Firmendatenbanken und Substanzbibliotheken.
Können Sie die Funktionsweise der Software schildern?
Das Screener-System besteht insgesamt aus vier verschiedenen Modulen, nämlich Assay Analyzer, Condoseo, Kinetics Analyzer und Hit Profiler, die unterschiedliche Aufgaben haben, verschiedene Arten von Daten auswerten und so Informationen im Hinblick auf die effektivsten Leitstrukturen liefern. Die Module basieren auf unterschiedlichen Algorithmen und statistischen Methoden, arbeiten mit Visualisierungstools und kommen je nach Projekt sowie Aufgaben- und Fragestellung zum Einsatz.
Der Assay Analyzer zum Beispiel dient primär der Rohdatenprozessierung und -qualitätssicherung, d.h. er sammelt Daten verschiedenster Mikrotiterplatten, identifiziert Artefakte und experimentelle Fehler – beispielsweise Pipettierungsfehler oder andere typische, in der täglichen Arbeit auftretende Probleme. Die Erkennung stützt sich auf statistisch signifikante Abweichungen in den Messwerten, Inkonsistenzen und Veränderungen im Datenmuster, die nicht durch den Versuchsplan zu erklären sind. Außerdem visualisiert das Modul die gesammelten Daten und generiert die sogenannten Hitlisten. Ein erster wichtiger Vorteil im Vergleich zu anderen Softwaretools ist, dass der Screener bereits hier eine große Anzahl falsch-positiver Treffer und falsch-negativer Messungen identifiziert und damit zu Kosten- und Zeiteinsparungen beiträgt.
Und welche Ergebnisse liefern die Module Condoseo und Kinetics Analyzer?
Condoseo dient vor allem der äußerst effizienten Aufnahme, Berechnung und Darstellung von Dosis-Wirkungs-Kurven. Hierbei bietet das System die Möglichkeit, die Inhibitionswerte für verschiedene getestete Substanzen in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Konzentration für den Wissenschaftler intuitiv anzuzeigen. So kann man sich beispielsweise anhand einer Rangliste die wirksamsten Verbindungen auflisten lassen, die den aussagekräftigsten IC50-Wert erfüllen, d.h. die Konzentration, bei der das Target zu 50 Prozent gehemmt wird. Condoseo stellt zudem die Ergebnisse aus allen Sekundärscreens sowie aus Counterscreens (Screens mit ähnlichen Rezeptoren) bereit und liefert dabei Informationen über chemische Strukturen in Form von numerischen Werten, Kurven und Regressionsanalysen. Für die Kinetikaufnahme der Inhibitoren bzw. kinetische Auswertung der Assays ist der Kinetics Analyzer zuständig, der beispielsweise den Fluoreszenz-Abfall misst. Auch hier werden die Messergebnisse in Form von Diagrammen und Kurven effizient berechnet und intuitiv abgebildet – auch hier mit dem Ziel, falsch-positive und falsch-negative Treffer zu identifizieren.
Biochemische Daten und pharmakologische Parameter wertet der im Screener integrierte Hit-Profiler aus
© Genedata
Erfasst das System auch zusätzliche Parameter, wie die Aufnahme, Verteilung oder Ausscheidung von Substanzen, wie sie für die In-vivo-Wirksamkeit wichtig sind?
Dafür ist der integrierte Hit-Profiler verantwortlich. Dieses Software-Modul liefert eine Zusammenstellung relevanter biologischer und chemischer Daten sowie pharmakologischer Parameter der getesteten Substanzen, darunter Informationen hinsichtlich ihrer chemischen Struktur und deren Variationen in Form von zweidimensionalen Abbildungen und Wirkungskurven oder auch Angaben zur Toxikologie, Absorption und metabolisierenden Enzymen. Der Hit-Profiler erlaubt dabei die Selektion der wirksamsten Verbindungen sowie deren Filterung nach unterschiedlichen Kriterien und Eigenschaften wie Löslichkeit oder strukturelle Eigenschaften, die für die Leitstrukturfindung von Bedeutung sind. Das System ermöglicht die Evaluierung von Zehntausenden von potenziellen Hits innerhalb von wenigen Minuten. Zur Analyse können dabei auch Daten aus vergangenen Screens hinzugeladen werden.
Können Sie die statistischen Praktiken und Berechnungsverfahren, die der Funktionsweise des Screeners zugrunde liegen, näher beschreiben?
Die Screener-Software nutzt eigentlich das gesamte Portfolio an statistischen Methoden, u.a. sogenannte robuste Methoden, um trotz der unvermeidlichen Messfehler bei diesen groß angelegten Experimenten zu zuverlässigen Resultaten zu kommen. So wird z.B. bei Replikatmessungen typischerweise nicht der Mittelwert als Endergebnis herangezogen, sondern der Median, der robuster gegenüber einzelnen Messfehlern ist. Beim Prozessieren von Dosis-Wirkungs-Kurven werden analog die Datenpunkte nach speziellen Methoden gewichtet, so dass einzelne Messfehler keinen zu großen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben.
Inwiefern sorgt die Software für eine Kostenersparnis bei Screening-Projekten?
Unsere Kunden haben in verschiedenen Vergleichsstudien nachgewiesen, dass der Einsatz des Screener zu deutlich verbesserten Ergebnissen (d.h. weniger falsch-positive als auch falsch-negative) führt. Das ist natürlich schon mal eine große Kostenersparnis, weil sich die folgenden experimentellen Kosten drastisch reduzieren. Die Ausgaben verringern sich aber auch dadurch, dass ein Modul wie der Assay Analyzer eine „on-the-fly“-Lösung darstellt, d.h. die Analyse erfolgt bereits direkt während des physikalischen Screenings. Meldet der Analyzer beispielsweise einen Fehler auf der Mikrotiterplatte, kann der Forscher die Wirkstoffsuche umgehend stoppen. Die Möglichkeit, Tausende von Platten und somit Millionen von Datenpunkten pro Experiment in einem Schritt zu prozessieren und Tausende von Dosis-Wirkungs-Kurven innerhalb von wenigen Minuten aufbereiten zu können, bringt bei der computergestützten Auswertung von Screeningverfahren außerdem einen enormen Zeitgewinn mit sich, der sich durch eingesparte Personalkosten berechnen lässt. Zudem kommen natürlich noch sekundäre Kosteneinsparungen durch standardisierte Prozesse.
Gibt es Assays oder Targets, die die Software nicht verarbeiten oder testen kann?
Das System ist kompatibel mit Targets jeglicher Art (z.B. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, Kinasen oder Proteasen) sowie mit allen In-vitro-Assays, die auf Mikrotiterplatten laufen.
Wie viele Screens können mithilfe des Genedata-Systems pro Jahr getätigt werden und wie lange dauern diese?
Bezüglich der Anzahl der Screens besteht keine Limitierung. Im allgemeinen hängt die Länge der Analyse immer von der Größe der Substanzbibliothek ab, wobei einige unserer Kunden regelmäßig Substanzbibliotheken mit mehreren Millionen Substanzen testen. Die Rechenkapazität ist dabei nicht das Problem, limitierend ist eher die experimentelle Durchführung. Die Etablierung eines Assays dauert oft mehrere Monate, während durch moderne Robotik der eigentliche Screening-Prozess meist innerhalb weniger Tage abgeschlossen ist und die komplette Datenanalyse inklusive Berechnung von Dosis-Wirkungs-Kurven und Leadkandidaten in wenigen Stunden.
Wie zuverlässig ist die Screening-Methode und wie hoch die Fehlerquote?
Natürlich hängt das Endresultat essenziell von der Qualität der Messdaten und der Zuverlässigkeit des Assays ab. Insofern kann man da nicht von einer computerbasierten Fehlerrate sprechen, sondern von experimentellen Fehlerraten. Die Software garantiert die optimale Auswertung der Daten. In einigen Vergleichsstudien, die von unseren Kunden durchgeführt wurden, hat sich aber die Qualität der Ergebnisse durch die Software deutlich verbessert (z.B. Halbierung der False-Positive- und False-Negative-Raten).
Was sind die Ziele von Genedata im Hinblick auf eine Weiterentwicklung des Screeners?
Im Vordergrund steht insbesondere eine breitere Unterstützung für neue Technologien wie High-Content-Screening. Hierbei geht es um die Prozessierung und Verarbeitung von vielen zusätzlichen Informationen, die Terabytes an Datenmengen erzeugen. Da die HCS-Technologie auf Floureszenzmessungen basiert und Bilder aufgenommen werden, müssen die zukünftigen Software-Systeme beispielsweise Grenzen von Zellen oder deren Migration anhand des verfügbaren Bildmaterials erkennen können. An diesen Technologien arbeitet man gerade an unserem Firmenhauptsitz in Basel.
mst – 25.09.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH