Genetische Ursachen und Therapie der Herzschwäche
Die Kardiologie des Universitätsklinikums Heidelberg koordiniert das bundesweite Herz-Kreislauf-Netz im Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN), um die genetischen Ursachen der Herz-Kreislauf-Krankheiten zu erforschen. Mit mehr als 11 Mio. Euro werden jetzt in den Nachfolgeprogrammen „NGFN-plus“ und "NGFN-transfer" Forschungsprojekte über die Herzschwäche unter der Leitung der Heidelberger Kardiologen gefördert.
Seit 2001 wird von der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg aus das Herz-Kreislauf-Netz im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) koordiniert, an dem außer Heidelberg neun weitere große Universitätskliniken in Deutschland beteiligt sind. Sprecher ist Prof. Dr. Hugo Katus, Ärztlicher Direktor der Inneren Medizin III / Kardiologie, Angiologie und Pulmologie des Universitätsklinikums Heidelberg, die Netzwerkkoordination wird von Dr. Tanja Weis geleitet.
Ein weiter Weg zur Zelltherapie der Herzschwäche
Im Brennpunkt der Forschungen steht die Aufklärung der genetischen Ursachen und Entstehungsmechanismen von Herz-Kreislauf-Krankheiten, der mit weitem Abstand häufigsten Todesursache in den westlichen Industrieländern. Diese Aufgabe könne nur gemeinschaftlich von Klinik und Grundlagenforschung mit interdisziplinären Ansätzen angegangen werden, wie Katus erklärt.
Prof. Dr. Hugo Katus, Ärztlicher Direktor der Kardiologie Heidelberg (Foto: Universitätsklinikum Heidelberg)
So werden in populationsgenetischen Untersuchungen für Herz-Kreislauf-Krankheiten relevante Gene identifiziert, die dann im Tiermodell funktionell analysiert werden. Zukünftige Therapieansätze könnten in einer molekularen Reparatur solcher Gene bestehen. Eine attraktive Forschungsperspektive besteht Katus zufolge in der Transformation von Stammzellen zu so genannten Schrittmacherzellen, die bei Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche) oder Arrhythmien anstelle eines künstlichen Herzschrittmachers implantiert werden könnten. Bis dahin ist aber noch ein weiter Weg.
Da die Förderung für das NGFN im Mai 2008 ausläuft, hatte das BMBF zwei Nachfolgeprogramme ausgeschrieben. „NGFN-plus“ und „NGFN-transfer“, mit denen die medizinische Genomforschung in Deutschland neu ausgerichtet werden soll. Der Schwerpunkt liegt auf der translationalen Medizin, also der unmittelbaren Übertragung von Ergebnissen der Grundlagenforschung in die klinische Diagnostik und Therapie zum Nutzen des Patienten.
„NGFN-plus“ und „NGFN-transfer“
Die Heidelberger Kardiologie ist an beiden Förderprogrammen mit mehreren Großprojekten zum Themenkomplex „Herzmuskelschwäche“ beteiligt. Im Rahmen von „NGFN-plus“ wird, wiederum von Heidelberg aus, ein neues deutschlandweites Netzwerk koordiniert, mit dem die genetischen Ursachen der Herzmuskelschwäche erforscht werden sollen.
Herzmodell im Computer (Abbildung: Prof. Denis Noble, Oford University, UK)
„Wir können jetzt multizentrische Studien mit jeweils mehr als 1.000 Patienten zu verschiedenen Formen von Herzmuskelerkrankungen – wie zum Beispiel der linksventrikulären Hypertrophie oder dem Vorhofflimmern - durchführen“, erklärte Katus, als bekannt gegeben wurde, dass das Netzwerk vom BMBF mit 9 Mio. Euro gefördert wird. In diesen Studien wird bei den Betroffenen das Genom jeweils auf Abweichungen hin untersucht, die für Fehlfunktionen des Herzens verantwortlich gemacht werden können oder sie begünstigen. Gezielt wird außerdem nach Sequenzveränderungen gesucht, die sich in homologen Genen zu solchen befinden, die im Tiermodell mit Herzerkrankungen assoziiert sind.
Die Entwicklung der entsprechenden Computerprogramme und die Verarbeitung der enormen Datenmengen, die dabei anfallen, wird von der Abteilung für Bioinformatik am Deutschen Krebsforschungszentrum sowie von der Abteilung für genetische Epidemiologie des Leibniz-Instituts für Arterioskleroseforschung in Münster durchgeführt. Weitere Partner des Netzwerks „Herzmuskelschwäche“ sind die Universitätskliniken Göttingen und München sowie die Charité und das Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin.
Zebrafische als Modell
Zebrafische im Aquarium (Foto: Universitätsklinikum Heidelberg)
Eines der beliebtesten Tiermodelle für Herz-Kreislauf-Krankheiten sind Zebrafische, die in der Heidelberger Kardiologie besonders von der Arbeitsgruppe von Dr. Wolfgang Rottbauer bearbeitet werden. Die Fischlarven sind durchsichtig, so dass krankhafte Prozesse am Herzen des lebenden Tieres unter dem Lichtmikroskop untersucht werden können. Die Larven entwickeln sich sehr rasch, und schon nach 72 Stunden entspricht ihr Herz funktionell dem Herzen eines neugeborenen Säugetiers.
Zebrafisch-Embryo mit Herz (Foto: Universitätsklinikum Heidelberg)
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Fischlarven in den ersten zehn Tagen ihrer Entwicklung ohne ein funktionierendes Herz leben können, so dass bei ihnen Krankheiten untersucht werden können, die bei anderen Lebewesen sofort tödlich wären.
Rottbauers Team hat am Zebrafisch-Modell eine Reihe von Genen identifiziert, deren Defekte zu Herzschwäche führen. Eines dieser Gene ist „dead-beat“, das in den Signalweg des „vascular endothelial growth factor (VEGF) eingreift. VEGF ist ein Wachstumsfaktor, der die Neubildung und Durchlässigkeit von Blutgefäßen reguliert. Wird durch eine Genmutation der VEGF-Signalweg ausgeschaltet, kommt es zu einer ausgeprägten Herzschwäche, da sich die Herzkammern nicht mehr richtig zusammenziehen können und an Pumpkraft verlieren. Bei einer weiteren Mutante („msq“) fanden die Forscher, dass die Funktion der „Integrin-linked Kinase“ (ILK) beeinträchtigt ist. ILK wirkt wie ein mechanischer Sensor, der die Dehnung der Herzmuskelzellen bei einer stärkeren Belastung wahrnimmt. Bei der msq-Mutation im ilk-Gen können die Herzzellen die Veränderungen im Blutdruck oder in der Herzfüllung nicht mehr wahrnehmen. Als Folge wird der Herzschlag des Fisches immer schwächer, bis das Herz schließlich stillsteht.
Innovationstransfer
Im Förderprogramm „NGFN-transfer“ werden Projekte gefördert, die durch Kooperation mit forschenden Unternehmen direkt in die medizinische Praxis überführt werden. Mit 1,2 Mio. Euro fördert das BMBF das Kooperationsprojekt der Arbeitsgruppe von Dr. Norbert Frey zusammen mit dem Berliner Biotech-Unternehmen „Metanomics“. Hier werden Stoffwechselprodukte von erkrankten und gesunden Herzmuskelzellen miteinander verglichen. „So erhalten wir Hinweise, welche Prozesse bei den verschiedenen Formen der Herzmuskelschwäche gestört sind, und können an den Schwachstellen gezielt mit einer individuellen Therapie in Form maßgeschneiderter Medikamente ansetzen“, erklärt Frey, Privatdozent und Oberarzt in der Heidelberger Kardiologie.
Prof. Dr. Markus Hecker (Foto: Universität Heidelberg)
Mit 1,1 Mio. Euro wird im Rahmen des „NGFN-transfer-Programms das Projekt zur Therapie der Herzschwäche von Prof. Dr. Markus Hecker, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Heidelberg, gefördert. In Zusammenarbeit mit dem von Hecker mitgegründeten Biotech-Unternehmen Avontec GmbH in Martinsried entwickelt Hecker Medikamente auf der Basis von Nukleinsäuren, mit denen gezielt Gene abgeschaltet werden, die für eine Herzschwäche verantwortlich sind, so dass die Herzzellen wieder normal funktionieren können. Avontec war 2001 von Hecker zusammen mit Prof. Dr. Gerd Hasenfuß in Göttingen gegründet worden. 2003 konnte Hecker den Deutschen Gründerpreis für das beste Konzept im StartUp-Wettbewerb der Unternehmensgründungen entgegennehmen.
EJ – 15.01.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen zum Beitrag:
Dr. Ernst-Dieter Jarasch
BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck e.V.
Im Neuenheimer Feld 582
69120 Heidelberg
Tel.: 06221-64 922 0
Fax: 06221-64 922 15
E-Mail: jarasch(at)bioregion-rnd.de