Genmutationen beeinflussen Heilungschancen bei Leukämie
Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Ulm und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist es gelungen, bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie bisher nicht sichtbare genetische Defekte zu entschlüsseln. Ihre Erkenntnisse ermöglichen Vorhersagen zu Heilungschancen und zielgerichtetere Therapieformen.
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist die häufigste Form der akuten Leukämie im Erwachsenenalter. Seit langem gelten Veränderungen der Chromosomen als die wichtigsten Faktoren, die Vorhersagen darüber zulassen, wie ein Patient auf Chemotherapie anspricht und wie gut die Heilungsaussichten sind. Jeder zweite AML-Fall weist jedoch bei der Untersuchung mit dem Lichtmikroskop keine Veränderungen auf und wird als AML mit normalem Karyotyp klassifiziert.
Klinische Folgen genetischer Defekte
Erstautoren der Studie: Prof. Dr. Konstanze Döhner
und Dr. Richard Schlenk (Foto: Uniklinikum Ulm)
In den letzten Jahren ist es Wissenschaftlern weltweit, so auch in Ulm und Hannover, gelungen, genetische Defekte innerhalb dieser Gruppe molekulargenetisch zu entschlüsseln und auf ihre klinische Bedeutung zu untersuchen. Maßgeblich beteiligt an den Forschungen waren Wissenschaftler der Abteilung für Hämatologie, Onkologie, Rheumatologie und Infektionskrankheiten des Ulmer Uniklinikums in Zusammenarbeit mit Kollegen der Abteilung für Hämatologie, Hämostaseologie und Onkologie der MHH.
In der jetzt im New England Journal of Medicine erschienenen Studie, die im Rahmen der Deutsch-Österreichischen AML-Studiengruppe (AMLSG) unter Ulmer und Hannoveraner Leitung an mehr als 40 Zentren in Deutschland und Österreich durchgeführt wurde, sind über 800 Patienten mit AML und normalem Karyotyp auf Veränderungen in verschiedenen Genen (NPM1, FLT3, CEBPA, MLL, RAS) untersucht worden.
Kenntnis der Mutation erlaubt Prognose
Es zeigte sich, dass bestimmte Genmutationen oder die Kombination verschiedener Mutationen vorhersagen, wie Patienten auf eine Chemotherapie ansprechen, wie wahrscheinlich ein Rückfall und wie gut die Heilungschancen sind. Weiteres Studienergebnis: Patienten mit prognostisch ungünstigen genetischen Veränderungen haben nach einer allogenen Knochenmark- oder Blutstammzell-Transplantation höhere Heilungschancen. Dagegen profitieren Patienten, deren Genveränderungen eine günstige Prognose vorhersagen, nicht von dieser intensiven Behandlungsform.
Nach Mitteilung des Uniklinikums werden die Studienergebnisse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhebliche Auswirkungen auf die Behandlung von Patienten mit AML haben. Ein Indiz dafür sehen die Autoren darin, dass die WHO in ihrer AML-Klassifikation die in der Studie identifizierten Genotypen berücksichtigt.
Dr. Richard F. Schlenk, Oberarzt und Leiter des AMLSG Studienzentrums, und Prof. Dr. Konstanze Döhner, Oberärztin und Leiterin des Labors für Zytogenetische und Molekulare Diagnostik der Universität Ulm, sind gemeinsame Erstautoren der Publikation. Die Studie wurde nach Mitteilung des Ulmer Uniklinikums mit Forschungsmitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF - Kompetenznetz Akute und Chronische Leukämien) und IPD-Meta-Analysis: A model-based hierarchical prognostic system for adult patients with acute myeloid leukemia (AML), der Deutschen José Carreras Leukämie-Stiftung, der Else Kröner Fresenius-Stiftung und der Wilhelm Sander-Stiftung finanziell unterstützt.
Die Ergebnisse ihrer Studie sind am 1. Mai 2008 in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine erschienen.
Originaltitel des Publikation: „Gene Mutations and Outcome of Treatment in Cytogenetically Normal Acute Myeloid Leukemia” – Studie zur prognostischen Bedeutung von Genmutationen bei der akuten myeloischen Leukämie (N Engl J Med 358:1909-18, 2008).
Quelle: Uniklinikum Ulm 30.04.08 (N, wp, 27.05.08)