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Hochschule Nürtingen-Geislingen - Anbausysteme optimieren

Um Pflanzeninhaltsstoffe für funktionelle Lebensmittel zu ansprechenden Preisen zu gewinnen, müssen die Anbaumethoden der teilweise in Europa nicht traditionell bewirtschafteten Pflanzen optimiert werden. Für diese Aufgabe übernimmt die Agrarwissenschaftlerin Prof. Dr. Carola Pekrun von der Hochschule Nürtingen-Geislingen im Netzwerk Bioaktive pflanzliche Lebensmittel die Rolle der pflanzenbaulichen Expertin.

Landwirtschaft und Umwelt, das sind die Schwerpunkte, denen sich Prof. Carola Pekrun während ihrer Hochschulkarriere widmete. Die Leiterin der Abteilung für Agrarwissenschaften ist seit 2006 an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen als Professorin für Pflanzenbau und Qualitätsmanagement tätig. Für die praxisbezogene Ausbildung der Agrarwissenschaften sowie für die Forschung arbeitet die Hochschule Nürtingen-Geislingen mit Lehr- und Versuchsbetrieben sowie Landwirten zusammen. „Wir machen Forschung auf angewandtem Niveau und arbeiten vielfach mit der Industrie zusammen“, berichtet Prof. Pekrun.

Stoppelbearbeitung für Ökobetriebe wichtig

Ihr Hauptforschungsgebiet ist der Einfluss der Stoppelbearbeitung auf Boden und Pflanze. Stoppelbearbeitung, also die erste Bodenbearbeitung nach der Ernte, scheint im ersten Augenblick eine triste Tätigkeit des Landwirts. Nimmt man diese jedoch näher in Augenschein, so wird die enorme Bedeutung für die Landwirtschaft und damit für die Lebensmittelindustrie deutlich: Sie soll die Übertragung von bodenbürtigen Krankheiten auf die nächste Kultur unterbinden sowie die Strohrotte fördern. Ein weiteres Ziel ist es zu verhindern, dass der Boden austrocknet. „Die Methoden der Stoppelbearbeitung sind jedoch nur wenig wissenschaftlich untersucht und auf ihre Wirksamkeit geprüft“, berichtet Prof. Pekrun. „Bei unserer Untersuchung fällt auf, dass die üblichen Methoden teilweise nicht wirken.“

In Deutschland versucht man möglichst schnell nach der Ernte das Stroh einzuarbeiten und den Boden zu lockern. Die Samen von Unkräutern und Kulturpflanzen sollen zur Keimung gebracht werden und mit dem nächsten Arbeitsschritt vernichtet werden, so dass der Folgefrucht ein sauberes Saatbett zur Verfügung steht. „Unsere Forschungsarbeiten zeigen, dass dies jedoch nicht für alle Arten gilt“, erklärt Pekrun. Die Wissenschaftlerin sieht den Grund für den fehlenden Effekt, in der Fähigkeit der Samen ihre Keimung zu verzögern. Die so genannte Dormanz ermöglicht es den Pflanzen die Bearbeitungsphase des Feldes als Samen zu überdauern.

Weiterhin möchte der Landwirt durch die Bearbeitung den Luft- und Wasserhaushalt des Bodens verbessern und so die Wasserverdunstung verringern. „Für unsere Breitengrade konnten wir jedoch zeigen, dass durch die Einarbeitung des Strohs, dessen Schutz nun für den Boden fehlt, die Verdunstung nicht reduziert wird“, erklärt Pekrun. Einen Vorteil bietet die Stoppelbearbeitung jedoch: die so genannten Wurzelunkräuter, wie zum Beispiel Disteln, werden in ihrem Wachstum stark beeinträchtigt. „Das ist besonders für einen Ökobetrieb sehr wichtig“, so Pekrun. Natürlich ist die Forschung auf dem Gebiet noch nicht abgeschlossen. „Die Forschung im Pflanzenbau hängt extrem von den Witterungsbedingungen ab und erst wenn man mehrere Standort mehrere Jahre untersucht hat, kann man relativ sichere Ergebnisse bekommen“, sagt die Wissenschaftlerin. Natürlich ist es schwierig, die neuen Ergebnisse bei den Landwirten in die Praxis umzusetzen. „Obwohl es für bestimmte Betriebe deutlich Vorteile bringt, keine Stoppelbearbeitung durchzuführen, weichen viele von der traditionellen Bearbeitungsstrategie nicht zurück“, so Pekrun.

Linsen von der Alb

Ein Linsenfeld © Pekrun

Dass Linsen hier im Südwesten in aller Munde sind, ist bekannt. Dass sie jedoch nicht hier angebaut werden, sondern in warmen Regionen, wie der Türkei, nimmt der Verbraucher kaum wahr. „Linsen wurden früher in Deutschland angebaut, sind jedoch jetzt so gut wie gar nicht mehr zu finden“, erklärt Pekrun. Warum die Linsen also nicht wieder den heimischen Bauern zugänglich machen? Die Forscher arbeiten mit einer ökologische Erzeugergemeinschaft auf der Schwäbischen Alb zusammen, die versucht Linsen anzubauen. Bei den in der Türkei angebauten Sorten handelt es sich um Genotypen, die auf diese Regionen spezialisiert sind. Ein aus Kanada stammender Genotyp kommt dagegen für Deutschland in Frage. Die Forscher wollen die bisherigen Probleme beim Anbau des kanadischen Genotyps, wie hohe Lageranfälligkeit und schlechter Stand bei Regen, mit pflanzenbaulichen Maßnahmen umgehen. „Wir könnten mit dieser Gemüsekultur für den Ackerbau die Anbaupalette für die Landwirte erweitern und so eine neue Einkommensquelle bieten, die zudem noch günstig für die Fruchtfolge ist“, erklärt Pekrun. Ein weiterer Vorteil der Linse ist, dass sie sich durch einen guten ORAC-Wert (Oxygen Radical Absorbing Capacity), also einen hohen Anteil an Antioxidantien, auszeichnet.

Bioaktive Pflanzen aus Deutschland

Die sekundären Pflanzenstoffe sind auch das Hauptthema des Netzwerks Bioaktive pflanzliche Lebensmittel. Mit dem Thema Übergewicht und Adipositas hat sich das Netzwerk bereits einem bestimmten Pflanzenkreis zugewandt. Und auch hier ist es das Ziel, dass die Pflanzen, deren Stoffe in den neuen funktionellen Lebensmittel angewendet werden, in Deutschland angebaut werden können. Prof. Pekrun übernimmt im Netzwerk Bioaktive pflanzliche Lebensmittel die Rolle der pflanzenbaulichen Expertin. „Ich bin ganz klar Pflanzenbauerin und traue mir zu, Anbausysteme soweit zu optimieren, dass Kulturen, die hier bisher keine große Rolle spielten, gut angebaut werden können“, so die Agrarwissenschaftlerin. Wie optimal eine bioaktive Pflanze in Deutschland angebaut werden kann, entscheidet schlussendlich über die Preise und damit über den Sinn für Unternehmen in diese Pflanze zu investieren. Wie Studien zeigen, ist der Markt zum Thema Übergewicht sehr groß. Die Forscher prüfen daher, ob man Pflanzen, die Wirkung in diesem Bereich zeigen, auch in Deutschland zu guten Preisen anbauen kann. „Da Übergewicht auf vielen Faktoren beruht, sind funktionelle Lebensmittel natürlich nicht das Allheilmittel, aber ich halte es für möglich, dass man damit den Körper aktivieren kann“, so Pekrun.


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