Krebszellen für das bloße Auge sichtbar machen
Die Molekulare Bildgebung zählt zu den großen Hoffnungsträgern der Krebsforschung, da sie krankhafte Veränderungen bereits auf zellulärer Ebene sichtbar macht. Dadurch können Krebszellen künftig so frühzeitig entdeckt und behandelt werden, dass sie gar nicht erst die Chance haben, zu einem lebensbedrohlichen Tumor heranzuwachsen. Fünf namhafte deutsche Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen bündeln jetzt ihr Know-how, um dieses Verfahren möglichst schnell in die Praxis umzusetzen. Mit dabei: die Tuttlinger KARL STORZ GmbH.
KARL STORZ gilt weltweit als einer der führenden Hersteller von Endoskopen und Instrumenten für die minimalinvasive Medizin. Vor mehreren Jahren bereits hat das Unternehmen mit der Einführung eines fluoreszenzbasierten Diagnosesystems einen wichtigen Meilenstein in der Früherkennung diverser Krebserkrankungen gesetzt.
Die KARL STORZ GmbH an ihrem Hauptsitz in Tuttlingen. (Foto: KARL STORZ )
Das Verfahren nutzt den veränderten Stoffwechsel von Krebszellen, um bestimmte, über einen molekularen Mechanismus im Tumor angereicherte fluoreszierende Substanzen optisch nachzuweisen. Diese Form der molekularen Bildgebung, bei der die verdächtigen Zellen im Endoskopiebild farbig aufleuchten, kam mit großem Erfolg erstmals beim Harnblasenkrebs zum Einsatz. Jetzt soll das Verfahren auch für zahlreiche andere Organsysteme genutzt werden.
Um die Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet weiter zu intensivieren, gründete das traditionsreiche Familienunternehmen zusammen mit den Firmen Bayer Schering Pharma, Boehringer Ingelheim Pharma, Siemens Medical Solutions und Carl Zeiss vor kurzem die „Technologie-Initiative Molekulare Bildgebung“. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert den Forschungsverbund mit 150 Millionen Euro – weitere 750 Millionen Euro kommen von den beteiligten Industrieunternehmen. Gemeinsam möchte man in den nächsten zehn Jahren sowohl in der bildgebenden Diagnostik als auch in der Therapie von Tumorerkrankungen komplett neue Standards setzen.
Marker-Entwicklung und Bildgebung werden enger verzahnt
„Unser persönliches Augenmerk liegt dabei auf der Entwicklung minimalinvasiver und optischer Diagnosesysteme, die eine hervorragende Bildqualität liefern“, beschreibt Dr. rer. nat. Martin Leonhard, Leiter des Technologie Managements bei KARL STORZ, die Zielsetzung des Unternehmens. „Damit lassen sich zukünftig bereits kleinste Gewebeveränderungen auf der Oberfläche von Organen darstellen, die mit dem bloßen Auge sonst nicht sichtbar wären“, so Leonhard. Das Ergebnis ist eine wesentlich effektivere Früherkennung von Tumoren als bisher.
Endoskopisches Autofluoreszenz-System der KARL STORZ GmbH zur Früherkennung von Tumoren. (Foto: KARL STORZ)
Neue Impulse für die eigene Entwicklungsarbeit erhoffen sich die Medizintechniker von KARL STORZ auch durch den intensiven Austausch mit den an der Initiative beteiligten Pharmafirmen. Diese sind für die Herstellung der molekularen Marker verantwortlich, mit denen sich die Krebszellen gezielt aufspüren lassen. Noch stecken die Entwicklungen in den Kinderschuhen - irgendwann einmal soll es aber für jede Tumorart einen eigenen, maßgeschneiderten Marker geben.
„Die Fortschritte auf diesem Gebiet verfolgen wir natürlich mit großer Aufmerksamkeit, damit wir unsere Produkte rechtzeitig und gezielt darauf abstimmen können“, so Leonhard. Denn die Hersteller bildgebender Verfahren besitzen die anspruchsvolle Aufgabe, die in den Krebszellen angereicherten molekularen Marker mittels geeigneter Methoden zu visualisieren.
Viele Vorteile aufseiten der optischen Verfahren
Mehrere Systeme stehen für die molekulare Bildgebung aktuell zur Verfügung. Die optischen Verfahren müssen sich dabei nach Leonhards Einschätzung nicht hinter der Kernspintomografie oder dem PET-CT verstecken – ganz im Gegenteil: „Die räumliche Auflösung und Empfindlichkeit der fluoreszenzgestützten optischen Verfahren ist momentan deutlich höher als bei allen anderen bildgebenden Methoden.“ Gerade kleine Tumormengen lassen sich auf diese Weise hervorragend lokalisieren.
Da Tumorfrühstadien häufig an den Organoberflächen entstehen, bietet das endoskopische Vorgehen zudem den Vorteil, dass die entdeckten Gewebeveränderungen sofort entfernt werden können, ohne dass ein weiterer chirurgischer Eingriff nötig ist. KARL STORZ sieht sich mit seinen Produkten aber nicht in Konkurrenz zu den anderen bildgebenden Verfahren. „Vielmehr ist es so, dass sich die einzelnen Methoden sinnvoll ergänzen“, erläutert Leonhard. Denn letztlich braucht jeder Tumor eine individuell abgestimmte Herangehensweise - sowohl bei der Auswahl der molekularen Marker, als auch bei der Bildgebung.
Fluoreszenzendoskopische Darstellung einer Gewebeveränderung am Kehlkopf. Die Tumorzellen leuchten bläulich, normales Gewebe grün. (Foto: Universitätsklinikum Gießen / Universitätsklinikum Großhadern)
Enormes wirtschaftliches Potenzial
Die optischen Systeme haben aber einen weiteren Pluspunkt. „Die Investitionskosten für ein hochwertiges endoskopisches System betragen momentan nur einen Bruchteil der Kosten für einen Kernspintomografen“, so Leonhard. In Zeiten leerer Kassen im Gesundheitssystem ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Schließlich soll die „Technologie-Initiative Molekulare Bildgebung“ nicht nur den medizinischen Fortschritt vorantreiben, sondern auch zu einem effizienteren und damit bezahlbaren Gesundheitswesen beitragen.
Vor allem aber eröffnet die Zusammenarbeit den beteiligten Unternehmen ganz neue wirtschaftliche Perspektiven. Immerhin ist Deutschland nach den USA weltweit der größte Exporteur von Medizintechnik, und diese herausragende Stellung möchte man auch in Zukunft behalten. KARL STORZ jedenfalls hat sich gemeinsam mit den anderen Firmen ein hohes Ziel gesetzt: nämlich die Markt- und Technologieführerschaft auf dem Gebiet der Molekularen Bildgebung.
sb - 27.06.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen zum Beitrag:
KARL STORZ GmbH & Co. KG
Dr. Martin Leonhard
Mittelstraße 8
78532 Tuttlingen
Tel.: 07461 708 - 702
Fax: 07461 708 - 75 702
E-Mail: M.Leonhard@karlstorz.de