Die Befragten hatten mehrheitlich von einigen in der Umfrage behandelten Gebieten noch nie etwas gehört, z. B. von der Nanotechnologie (55 %), den Biobanken (67 %) und der synthetischen Biologie (83 %). Hinsichtlich einiger Bereiche wie genetisch veränderter Lebensmittel herrschen weiterhin Skepsis und Bedenken vor.
Máire Geoghegan-Quinn, EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft, erklärte dazu: „Diese Umfrage macht vor allem drei Dinge deutlich. Erstens stehen die Europäer den Biotechnologien überwiegend positiv gegenüber, auch wenn sie hinsichtlich bestimmter Aspekte weiterhin Bedenken haben. Zweitens fühlen sich viele Menschen in wichtigen Bereichen der Biotechnologie noch unzureichend informiert. Dies stellt uns vor eine große Kommunikationsaufgabe. Diese Herausforderung möchte ich annehmen, und ich möchte alle beteiligten Akteure dazu auffordern, dies ebenfalls zu tun. Drittens sollten alle Entscheidungen zur Biotechnologie auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage beruhen und ethische, gesundheitliche und ökologische Faktoren angemessen berücksichtigen. Denn wir können uns nicht von emotionalen Reaktionen oder kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen leiten lassen.
Die Biotechnologie kann einen enormen Beitrag zur Erreichung der Ziele unserer Strategie „Europa 2020“ leisten, was nachhaltiges Wachstum und eine bessere Gesundheit und Lebensqualität angeht. Sie wird daher auch weiterhin ein wichtiger Gegenstand der EU-Forschungsrahmenprogramme bleiben.“
Die aktuelle Umfrage
Wie bei früheren Eurobarometer-Umfragen im Bereich der Biotechnologie wurde der Fragebogen für die Umfrage von einem unabhängigen Team von Sozialwissenschaftlern erstellt, die auch die Ergebnisse auswerteten. Dieses Mal standen sie unter der Leitung der London School of Economics. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Innovationen in diesen Bereichen in der Bevölkerung nicht auf Ablehnung stoßen. Generell befürworten die Europäer verantwortungsvolle Innovationen unter einer angemessenen Aufsicht, die für einen Ausgleich auf dem Markt sorgt. Ferner möchten sie in Entscheidungen über neue Technologien einbezogen werden, wenn diese soziale Werte betreffen. Gleichzeitig ist seit 2005 ein Vertrauenszuwachs zu beobachten, was die Rolle der meisten zentralen Akteure – z. B. Ärzte, Wissenschaftler, die EU, nationale Regierungen und die Industrie – bei der Entscheidungsfindung im Bereich der Biotechnologien angeht. Zudem haben Nachhaltigkeitsaspekte immer mehr an Bedeutung gewonnen.
Von den 53 % der EU-Bürger, die eine positive Einstellung zu den Biotechnologien haben, zeigten sich die Menschen in Estland (77 %), Schweden (72 %) und Finnland (69 %) besonders optimistisch. Der einzige Mitgliedstaat, in dem die Zahl der Menschen, die negative Auswirkungen erwarten, die Zahl der Optimisten übertraf, war Österreich (41 % gegenüber 35 %).
In der gesamten EU sprachen sich die Menschen deutlich für den Einsatz von Biokraftstoffen aus. 72 % der Befragten unterstützen die Gewinnung von Biokraftstoffen aus Nutzpflanzen, und 83 % sprechen sich für die Erzeugung von Biokraftstoffen aus nicht essbaren Rohstoffen aus.
Zudem wurde eine überwältigende Unterstützung medizinischer Anwendungen der Biotechnologie deutlich, für die strenge Vorschriften gelten sollten. 63 % der Befragten befürworten die Forschung an embryonalen Stammzellen (gegenüber 59 % im Jahr 2005). 69% sprachen sich unter bestimmten Bedingungen für sonstige Stammzellenforschung aus (65 % vor fünf Jahren) und 63 % unterstützen die Gentherapie (54 % vor fünf Jahren). Weitere 15-18 % sind bereit, die genannten Anwendungen unter besonderen Umständen zu akzeptieren. Am stärksten fiel die Zustimmung dabei im Vereinigten Königreich, in Spanien und in Dänemark aus.
Eine klare Mehrheit der Europäer (61 % gegenüber 57 % im Jahr 2005) steht genetisch veränderten Lebensmitteln weiterhin deutlich ablehnend gegenüber. Dazu führten sie Sicherheitsbedenken, keine aus ihrer Sicht feststellbaren Vorteile und ein allgemeines Unbehagen an. Neue Generationen „leichter“ Anwendungen der Gentechnik im Lebensmittelbereich werden jedoch vorsichtig unterstützt, wie z. B. die Übertragung von Genen aus Holzäpfeln in essbare Äpfel, die 46 % der Befragten befürworten und 38 % ablehnen. Auch das Klonen von Tieren für die Lebensmittelerzeugung, das nur 18 % befürworteten, stieß auf starke Ablehnung.
Die im Februar 2010 durchgeführte Eurobarometer-Umfrage ist die siebte Erhebung dieser Reihe seit 1991 und beruht auf repräsentativen Stichproben in 32 europäischen Ländern. Die Auswertung der Umfrage ist Teil des Forschungsprojekts „Sensible Technologien und Ethik in der europäischen Öffentlichkeit“ (Sensitive Technologies and European Public Ethics, STEPE), das im Rahmen des Programms „Wissenschaft in der Gesellschaft“ des 7. EU-Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung (RP7) finanziert wird.
Der Bericht, eine Zusammenfassung des Berichts sowie Daten und Länderprofile sind auf der Eurobarometer-Website abrufbar.
Mehr als die Hälfte der Europäer (53 Prozent) erwarten gegenwärtig, dass Bio- und Gentechnologie positive Auswirkungen auf ihr Leben haben werden. In Deutschland sind es nur 43 Prozent. Nur die Österreicher äußern sich bei dieser Frage skeptischer als die Deutschen. Nach wie vor werden gentechnisch veränderte Lebensmittel von der Mehrheit der Europäer abgelehnt. Zu den Gründen zählen neben der Wahrnehmung dieser Lebensmittel als unnatürlich und riskant die vor allem in Deutschland verbreitete Einschätzung, dass Nutzen und Risiken unfair verteilt sind. Die Akzeptanz gentechnischer Produkte, bei denen Gene der eigenen Art eingeführt werden, ist deutlich höher als die Akzeptanz gentechnischer Produkte, bei denen Artgrenzen überschritten werden. Wobei auch die erste Gruppe als unnatürlich eingeschätzt wird. Zudem wird das Klonen von Tieren für die Fleischproduktion abgelehnt.
Mehrheitlich unterstützt werden dagegen, wie bereits bei den vorherigen Studien, medizinische Anwendungen der Gentechnik. Dies gilt auch für die ethisch umstrittene Forschung an embryonalen Stammzellen, die von fast zwei Dritteln (63 Prozent), aber nur weniger als der Hälfte der Deutschen (46 Prozent) befürwortet wird. Während in der EU die Zustimmung zu embryonalen Stammzellen nur geringfügig unter der Zustimmung zu adulten Stammzellen liegt (6 Prozent Differenz), ist die Differenz in Deutschland mit 14 Prozent deutlich größer.
Von besonderer Bedeutung sind die Ergebnisse des Eurobarometers zur Frage des Umgangs mit neuen Technologien. Die Zustimmung zu kontrovers diskutierten Technologien wie der Gentechnik hängt in hohem Maße davon ab, dass diese in den Augen der Bürger angemessen reguliert wird. Wenn dies der Fall ist, stimmt die Mehrheit der Bürger den Anwendungen zu. Die Regulierung wird als Aufgabe des Staates gesehen, wobei die Bürger ein Mitspracherecht fordern, wenn es um gesellschaftliche Werte geht. Deutlich stärker als im europäischen Durchschnitt plädieren die Deutschen für Bürgerbeteiligung und dafür, ethischen und moralischen Gesichtspunkten gegenüber wissenschaftlicher Evidenz als wichtigster Entscheidungsgrundlage den Vorzug zu geben.
An der Untersuchung waren Wissenschaftler aus mehreren europäischen Ländern beteiligt, beispielsweise auch Dr. Jürgen Hampel vom Institut für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart.