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Meilenstein in der Diagnose von zwei Parkinson-Varianten

Erstmals liegen für zwei neurodegenerative Erkrankungen eindeutige diagnostische Kriterien vor: für die Multisystematrophie (MSA) und die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), zwei seltene Varianten des Parkinson-Syndroms. Eine internationale Forschergruppe hat jetzt die Ergebnisse der NNIPPS-Studie im Fachjournal „Brain" veröffentlicht. Dies berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie.

„Mit der NNIPPS-Studie verfügen wir über den bislang größten Datensatz zu diesen beiden häufig vergessenen Krankheiten", erklärt der deutsche Studienleiter Albert Christian Ludolph, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Ulm. NNIPPS steht für Neuroprotection and Natural history in Parkinson Plus Syndrom.

Jeweils etwa 10.000 Patienten leiden in Deutschland unter PSP oder MSA. Beide Erkrankungen verlaufen ungünstiger als Parkinson, sind noch nicht heilbar und enden im Mittel nach fünf bis zehn Jahren tödlich.

Die placebokontrollierte, doppelblinde, randomisierte Untersuchung mit einer durchschnittlichen Follow-up-Dauer von 36 Monaten schloss 760 Patienten (362 PSA-Patienten, 398 MSA-Patienten) aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien ein. Für die schwierig zu diagnostizierenden Erkrankungen stehen Ärzten dank dieser Studie erstmals klare Kriterien zur Erfassung potenziell betroffener Patienten zur Verfügung.

Nahezu sichere Diagnose möglich

Erfreut über die verbesserte Diagnostik, der Direktor der neurologischen Klinik der Uni Ulm, Prof. Albert Ludolph. © RKU Ulm

Die beteiligte Forschergruppe entwickelte damit einfache Selektionskriterien für jede der beiden Erkrankungen. „Ärzte können künftig mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent bereits in einem frühen Krankheitsstadium eine sichere Diagnose stellen. Das ist ein Riesenfortschritt, unser Wissen um die Krankheiten ist dadurch enorm gewachsen", erklärt Studienleiter Ludolph.

Selbst für erfahrene Ärzte war es bislang schwierig, PSP und MSA von der Parkinson-Krankheit zu unterscheiden. Die NNIPPS-Ergebnisse werden sicher in die Leitlinien einfließen", sagt Günther Deuschl, Direktor der Universitätsklinik in Kiel und 2. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Ein weiteres Anliegen der Studiengruppe war es, die Effektivität des Wirkstoffs Riluzol, eines Glutamat-Antagonisten, zu testen. Dessen Wirksamkeit ist bereits seit einigen Jahren in der Therapie der ebenfalls unheilbaren neurologischen Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) belegt. Die NNIPPS-Studie konnte erstmals eindeutig zeigen, dass Riluzol, Wirkstoff eines französischen Pharmaherstellers, keinen signifikanten Effekt auf die Überlebensrate oder das funktionelle Outcome von PSP und MSA hat.

Weitere Arbeiten zu einer verbesserten Therapie

Auf der Grundlage dieser aktuellen NNIPPS-Studie sind jetzt weitere Arbeiten geplant, die eine Therapie der beiden neurodegenerativen Erkrankungen verbessern sollen.

Die Studie lieferte den bislang größten Datensatz zu den beiden seltenen Erkrankungen PSP und MSA. International arbeiteten mehr als 400 Wissenschaftler in mehr als 50 Zentren an der Untersuchung mit.

Für das Monitoring und die Sicherstellung der Datenqualität wurden 300.000 Datenfelder und 38.300 Seiten pro Besuch (= ein Untersuchungsdurchgang mit allen 760 Patienten) ausgefüllt. Mit dieser Datenbasis können weitere Arbeiten zur longitudinalen Bildgebung, Genetik, Neuropathologie, Neuropsychologie und Gesundheitsökonomie dieser Erkrankungen durchgeführt werden.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/meilenstein-in-der-diagnose-von-zwei-parkinson-varianten