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Neue deutsch-französische Forschungseinheit zu Krebs und Infektionen in Heidelberg

Das französische Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale (Inserm) richtet im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) erneut eine Forschungsgruppe ein. Das Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Pathologen Professor Dr. Henri-Jacques Delecluse erforscht die Zusammenhänge zwischen Infektionen mit Viren und Bakterien und der Krebsentstehung.

Epstein-Barr Virus beim Verlassen einer Zelle (elektronenmikroskopische Aufnahme) © Henri-Jacques Delecluse, Deutsches Krebsforschungszentrum

Epstein-Barr Viren (EBV), Mitglieder der Familie der Herpesviren, sind bei uns in erster Linie als Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers, der so genannten Kuss-Krankheit, bekannt. In anderen Teilen der Welt begünstigt das Virus dagegen Krebserkrankungen. EBV war sogar das erste Virus des Menschen, für das ein klarer Zusammenhang mit Krebs nachgewiesen wurde, und zwar 1964 bei dem in Äquatorialafrika häufig auftretenden Burkitt-Lymphom. Wenig später wurde gezeigt, dass EBV auch mit verschiedenen vor allem im ostasiatischen Raum vorkommenden Typen des Nasopharyngeal-Karzinoms (Tumoren des Nasen-Rachenraums) assoziiert ist. Professor Harald zur Hausen, der langjährige spätere Vorsitzende des DKFZ und Nobelpreisträger, und seine Mitarbeiter konnten zeigen, dass bei diesen Tumoren die EBV-DNA in das Genom der Krebszellen eingebaut wurde und dort erhalten blieb, auch wenn in den Zellen selbst keine Viren nachweisbar waren. Heute gehen Schätzungen davon aus, dass etwa zwei Prozent aller Krebsfälle weltweit auf das Konto von EBV gehen.

Seit über 15 Jahren erforscht Professor Dr. Henri-Jacques Delecluse die molekularen Vorgänge, die EBV-infizierte Zellen zu Krebs entarten lassen. Seit Beginn dieses Jahres ist der Mediziner nun Direktor der neuen Forschungseinheit „Unité Inserm 1074", die das französische Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale (Inserm) am Deutschen Krebsforschungszentrum eingerichtet hat. Die Forscher interessieren sich neben den Virus- auch für Bakterieninfektionen. Das Hauptausgenmerk legen sie auf die Krebsentstehung in so genannten Epithelzellen, die alle inneren und äußeren Körperoberflächen auskleiden.

Zukunftsmusik: Impfung gegen Krebs

Delecluse war es in den vergangenen Jahren bereits gelungen, EBV-Mutanten herzustellen, die kein Erbgut in ihrer Proteinhülle verpacken und daher keinerlei Krankheit verursachen können. Für das Immunsystem gleichen die leeren Virushüllen jedoch dem intakten Erreger und sind daher ein ideales Ausgangsmaterial für einen Impfstoff. Die frischgebackenen Inserm-Forscher wollen diese so genannten „virusähnlichen Partikel“ nun nutzen, um Immuntherapien gegen EBV-infizierte Zellen und möglicherweise sogar eine vorbeugende Vakzine gegen das Virus zu entwickeln, die auch vor den EBV-assoziierten Krebserkrankungen schützen soll.

Um den Zusammenhang zwischen infektionsbedingten chronischen Entzündungen und Krebs zu untersuchen, haben die Wissenschaftler um Delecluse eine bestimmte Form der chronischen Entzündung des Gallengangs als Modell gewählt, die möglicherweise durch Bakterien verursacht wird. Die Patienten entwickeln oft Gallengangkrebs als Spätfolge ihrer Erkrankung. Delecluse und seine Mitarbeiter wollen nun molekulare Marker identifizieren, die frühzeitig auf eine Krebsentstehung hinweisen. Das könnte die Heilungschancen für diese gefährliche Krebserkrankung deutlich verbessern. Dazu verfolgen sie, wann im Verlauf der Krankheitsentwicklung welche genetischen Veränderungen und welche Botenstoffe in den entzündeten Geweben auftreten.

Das DKFZ und Inserm finanzieren die Unité 1074 als gemeinsame Forschungsgruppe anteilig. Die Förderung ist für zunächst fünf Jahre vorgesehen und kann verlängert werden. Der gebürtige Franzose Delecluse leitet nicht die erste Inserm-Gruppe am DKFZ: Von 1993 bis 2011 war bereits die Inserm Unité Krebs-Virotherapie unter der Leitung von Professor Jean Rommelaere am DKFZ angesiedelt. Rommelaere und sein Team entwickelten eine Virustherapie gegen Krebs, die sie inzwischen sogar schon bei bösartigen Hirntumoren in die klinische Erprobung überführen konnten. Möglicherweise hat dieser Erfolg dazu beigetragen, dass sich das DKFZ der französischen Forschungsinstitution als gute Adresse für hochkarätige wissenschaftliche Arbeit eingeprägt hat.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/neue-deutsch-franzoesische-forschungseinheit-zu-krebs-und-infektionen-in-heidelberg