Preis für die Aufklärung des molekularen Wirkmechanismus bei der medikamentösen Behandlung der Alkoholabhängigkeit
Professor Rainer Spanagel vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, hat für seine Arbeiten zur Aufklärung des Wirkmechanismus von Acamprosat den mit 10.000 Euro dotierten AGNP-Preis 2011 erhalten. Das an den Glutamatrezeptoren im Gehirn ansetzende Mittel wird für die Rückfallprophylaxe alkoholabhängiger Patienten eingesetzt.
Prof. Dr. Rainer Spanagel
© ZI Mannheim
Seit 1991 schreibt die Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) den AGNP-Preis für herausragende Forschungsarbeiten auf Gebieten der Grundlagenforschung, tierexperimentellen Studien oder klinischer Forschung aus. Erklärtes Ziel des Preises ist es, die Forschung zur Verbesserung der Therapie seelischer Störungen zu unterstützen. Preisstifter ist die Lilly Deutschland GmbH, ein Tochterunternehmen des pharmazeutischen Unternehmens Eli Lilly & Co., Indianapolis.
Professor Spanagel, Abteilung Psychopharmakologie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, erhält die Auszeichnung für seine Arbeiten über die medikamentöse Behandlung der Alkoholabhängigkeit mit Acamprosat. Mehr als zwei Milliarden Menschen konsumieren Alkohol, wobei der Genuss und Missbrauch von Alkohol alle sozialen Gruppen betrifft. Man schätzt, dass von allen Faktoren, die zur globalen Krankheitslast beitragen, Alkohol weltweit für 3,2% aller Todesfälle verantwortlich ist. In den letzten Jahren hat die Alkoholforschung enorme Fortschritte verzeichnet und so werden heute die durch Alkohol hervorgerufene Organschädigungen und Alkoholsucht besser verstanden. In den letzten Jahren wurden neue Medikamente für die sogenannte Rückfallprophylaxe entwickelt, wozu auch Acamprosat (Campral®) zählt. Acamprosat, in den frühen 80er Jahren von den Meram Laboratorien in Paris synthetisiert, ist das Calciumsalz von Acetylhomotaurinat. Das Medikament ist in Deutschland und in den USA zur Aufrechterhaltung der Alkoholabstinenz bei alkoholabhängigen Patienten zugelassen.
Bereits vor einigen Jahren konnten Professor Spanagel und sein Team mit Hilfe einer Mausmutante nachweisen, dass Acamprosat auf ein hyper-glutamaterges System wirkt. Mausmutanten, die ein defektes Gen der inneren Uhr tragen, weisen stark erhöhte Glutamatspiegel im Gehirn und eine erhöhte Alkoholaufnahme auf. Dabei führt der erhöhte Glutamatspiegel zu einer erhöhten Erregbarkeit und als Konsequenz trinken die Tiere deutlich mehr Alkohol. Die Studienergebnisse zeigten, dass sowohl erhöhte Glutamatspiegel als auch vermehrter Alkoholkonsum durch Acamprosat normalisiert werden. In der Zwischenzeit gelang es, diese Ergebnisse mit Hilfe von Glutamatspektroskopie am Patienten zu bestätigen. Trotzdem blieb der molekulare Wirkmechanismus von Acamprosat ungeklärt.
Aktuelle Folgeexperimente zeigten nun überraschenderweise, dass das eigentliche Wirkmolekül Acetylhomotaurinat wirkungslos ist. Stattdessen sind für die Antirückfallwirkung ausschließlich Calciumionen verantwortlich! In weiteren Untersuchungen soll nun geklärt werden, inwieweit eine Calciumtherapie verhaltensaktiv ist und pathophysiologische Mechanismen beeinflusst.
Professor Spanagel studierte Biologie an den Universitäten Tübingen und München und schrieb seine Doktorarbeit an der Abteilung Neuropharmakologie des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann er 1991 als Mitarbeiter bei Professor Florian Holsboer am Klinischen Institut im Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI) in München. 1996 wurde Spanagel Leiter der Arbeitsgruppe Suchtforschung und habilitierte 1997 im Fach Pharmakologie und Toxikologie an der Ludwig-Maximilian-Universität, München. 1999 erhielt er den Ruf auf eine C3-Professur für Psychopharmakologie an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und übernahm 2000 die Abteilung Psychopharmakologie am ZI. Sein Forschungsschwerpunkt ist die pharmakologische Erforschung der Entstehung und Behandlung der Alkoholabhängigkeit sowie die Komorbidität mit Angst- und Depressionserkrankungen.