Spitzenförderung für Heidelberger Schmerzforscherin
Für ihre Forschungen über die Veränderungen des Nervensystems durch chronische Schmerzen wird Professor Dr. Rohini Kuner vom Universitätsklinikum Heidelberg mit einem hochdotierten Förderpreis für Spitzenforscher in Europa ausgezeichnet.
Professor Dr. Rohini Kuner, Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg
© Universitätsklinikum Heidelberg
Frau Professor Dr. Rohini Kuner und ihr internationales Team am Pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg untersuchen, wie chronische Schmerzen entstehen und das Nervensystem verändern. Jetzt erhält die Schmerzforscherin dafür eine der begehrtesten Förderungen für Spitzenforscher in Europa: Der Europäische Forschungsrat (ERC) zeichnet Professor Runer mit einem ERC Advanced Grant in Höhe von rund 2 Millionen Euro bei einer Laufzeit von fünf Jahren aus. Das geförderte Projekt der international renommierten Heidelberger Wissenschaftlerin trägt den Titel "The molecular and cellular basis of structural plasticity and reorganisation in chronic pain". In seinem Fokus stehen dabei molekulare und zelluläre Prozesse, die sich möglicherweise auch als Ansatzpunkte für neue Therapiemöglichkeiten eignen.
Dem Schmerzgedächtnis auf der Spur
Jeder fünfte Europäer leidet an chronischen Schmerzen. Ob Nervenschädigungen bei Diabetes oder Nervenverletzungen, etwa nach einem Unfall, ob Menschen mit anhaltenden Entzündungen von Haut, Organen oder Gelenken oder Patienten nach einer Amputation: Während akute Schmerzen sinnvolle Warnsignale sind, haben chronische Schmerzen ihren Sinn und Warncharakter weitgehend verloren. Das Nervensystem hat sich dabei verändert, von einzelnen Molekülen über Nervenzellen bis hin zu Nervenbahnen, Rückenmark und Gehirnarealen. Diese Eigenschaft wird Plastizität genannt. „Die Veränderungen bleiben, auch wenn der Schmerz-Auslöser nicht mehr vorhanden ist“, erklärt Professor Dr. Rohini Kuner. Der Körper hat ein so genanntes Schmerzgedächtnis ausgebildet.
Bislang haben sich Forschungen vor allem darauf konzentriert, wie sich die Aktivität von Nervenzellen bei chronischen Schmerzen ändert. Professor Kuner geht nun einen neuen Weg: Wie sind Nervenzellen miteinander verknüpft? Wie verändern sich diese Verbindungen in den verschiedenen Stadien von Schmerzerkrankungen, z.B. bei Verletzungen von Nerven oder beim Wachstum eines Tumors? Und sind die neuen Verknüpfungen die Ursache für chronische Schmerzen? „Wenn wir diese grundlegenden Informationen haben, können wir auch pharmakologische Untersuchungen durchführen, um gezielt neue Therapien zu entwickeln“, sagt Kuner.
Mit Hilfe modernster Mikroskopietechniken können die Forscher funktionelle Strukturveränderungen innerhalb des Nervensystems im Mausmodell live filmen. „Wir nutzen dabei die Möglichkeit, in Heidelberg mit einem interdisziplinären Team arbeiten zu können“, so die Wissenschaftlerin. Dazu gehören unter anderem Professor Dr. Björn Ommer, Bildverarbeitungszentrum HCI (Heidelberg Collaboratory for Image Processing), und Professor Dr. Thomas Kuner, Institut für Anatomie und Zellbiologie.
Grant für exzellente Wissenschaftler
„Dank der Förderung können wir neuartige Projekte angehen, die in ihrer Erfolgsprognose etwas risikoreicher sind. Wenn sie jedoch gelingen, dann mit sehr großem Erfolg. Diese Freiräume können die Wissenschaft enorm vorantreiben“, freut sich Professor Kuner, die sich im harten Auswahlverfahren des Europäischen Forschungsrates erfolgreich durchgesetzt hat. Dieser setzt sich für eine Förderung der grundlagenorientierten Forschung ein, um visionäre Projekte voranzutreiben und neue interdisziplinäre Wissensgebiete zu erschließen. Zu den Förderlinien gehört der ERC Advanced Grant, der sich an herausragende, bereits etablierte Forscher wendet. Zu diesem Erfolg habe ihr hoch motiviertes Team ebenso beigetragen wie das dynamische wissenschaftliche Umfeld und die exzellente Infrastruktur innerhalb der Medizinischen Fakultät und des Biomedizinischen Campus in Heidelberg, betont Professor Kuner.
Die 1970 in Indien geborene Rohini Kuner studierte in Mumbai, wurde an der University of Iowa, USA, promoviert und war mit Unterstützung des Emmy-Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft am Pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg tätig. Seit 2006 hat sie dort eine Professur inne und leitet seit 2009 das Institut als Geschäftsführende Direktorin. Ihre Forschung ist bereits mehrfach durch wissenschaftliche Förderpreise ausgezeichnet worden, darunter 2006 den Chica und Heinz Schaller-Förderpreis, 2008 den Ingrid zu Solms-Preis für biomedizinischen Forschung und 2010 den Patrick Wall Award der internationalen Schmerzgesellschaft.