Ulmer Zentrum für Seltene Erkrankungen gegründet
Die Ulmer Universitätsmedizin hat ihr neues Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSE Ulm) mit einer Gründungsfeier eröffnet. Die neue Einrichtung will die regionale und überregionale Betreuung von Patienten verbessern. Leisten sollen dies interdisziplinäre Sprechstunden und eine enge Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachrichtungen in Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Für Ärzte sollen Forschungs- und Fortbildungsseminare angeboten werden.
„Bei seltenen Erkrankungen ist es besonders wichtig, dass Forschung und medizinische Versorgung gemeinsam nach Therapiemöglichkeiten suchen“, sagte Forschungsministerin Annette Schavan, „denn nur wenn es gelingt, das Expertenwissen über Disziplinen und Ländergrenzen hinweg auszutauschen, können daraus Therapieerfolge entstehen“, sagte die Ulmer Stimmkreisabgeordnete bei der Gründungszeremonie am 21. Juni 2012.
Vier Millionen Deutsche leiden an seltenen Krankheiten
Politischer Ehrengast, Forschungsministerin Annette Schavan.
© Universitätsklinikum Ulm
Eine Krankheitshäufigkeit von weniger als 1:2.000 wird als seltene Erkrankung eingestuft. Da es aber rund 7.000 seltene Krankheiten gibt, und diese zudem oftmals einen chronischen Verlauf nehmen, sehen sich Menschen eben doch sehr häufig mit seltenen Erkrankungen konfrontiert. Schätzungen gehen von rund vier Millionen Betroffenen allein in Deutschland aus.
„Oftmals ist bei seltenen Erkrankungen die Diagnosedauer von etwa 15 Jahren viel zu lang", erläutert Frank Lehmann-Horn, Hertie-Seniorforschungsprofessor und Vorstandsmitglied des neuen ZSE Ulm. „Hinzu kommt, dass für eine endlich erkannte seltene Erkrankung oftmals keine spezifischen Therapien zur Verfügung stehen. Zwei wichtige Faktoren, die Betroffenen eine gezielte Krankheits- und Lebensbewältigung sehr schwer machen - hier ist das gesamte familiäre und berufliche Umfeld gefordert, an das wir uns mit unseren interdisziplinären Angeboten ebenfalls wenden werden."
Forschung, Therapie und psychosoziale Hilfe
ZSE-Gründungsfoto, v.l.: PD Dr. Holger Cario, Prof. Dr. Frank Lehmann-Horn, beide ZSE Ulm, Prof. Dr. Reinhard Dengler, Dt. Ges. für Muskelkranke, Eva Luise Köhler, Schirmherrin Achse, Prof. Dr. Klaus-Michael Debatin, Vizepräsident für Medizin an der Universität Ulm, Dr. Steve Groft, National Institute of Health.
© Universitätsklinikum Ulm
Auf die große Bedeutung eines breitgefächerten Angebots mit fundierter Forschung und Behandlung einerseits und psychosozialer Hilfestellung andererseits wiesen weitere Redner auf der Gründungsfeier hin, zu denen Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner und Klaus-Michael Debatin, Vizepräsident für Medizin an der Universität Ulm und Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, sowie Steve Groft vom US-amerikanischen National Institute of Health in Washington gehörten.
Eva Luise Köhler sprach als Vertreterin der Eva Luise & Horst Köhler Stiftung und Schirmherrin der ACHSE e.V. (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen). Sie betonte, dass die Gründung des neuen Zentrums dazu beitrage, die Forschung weiter voranzutreiben. Schließlich könne die Entschlüsselung seltener Krankheiten zum Verstehen grundlegender Prozesse beitragen, die auch Ursache für weitaus häufigere Erkrankungen sein können.
Reinhard Dengler, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V., wies in seinem Schlusswort darauf hin, dass seltene Erkrankungen weniger im Fokus von Politik, Krankenkassen und der Öffentlichkeit stehen, als beispielsweise ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Deshalb sei eine Bündelung der Kräfte und ein Zusammenschluss zu größeren Verbünden sinnvoll.
Ulm reiht sich in bestehendes Netzwerk ein
Das ZSE Ulm ist Teil des vor rund zweieinhalb Jahren gegründeten „Netzwerks Seltene Erkrankungen Baden-Württemberg". In Ulm stehen nun in diesem Rahmen Experten unter anderem aus folgenden Fachrichtungen zur Verfügung:
- Dermatologie (z.B. Kollagenosen, komplexe Dermatosen)
- Neurologie, Humangenetik, Neurochirurgie, Neurophysiologie (z.B. degenerative oder entzündliche Erkrankungen des (Zentral-)Nervensystems, seltene Anfallserkrankungen, Phakomatosen, neuronale Kanalopathien)
- Kinder- und Jugendmedizin (z.B. angeborene Immundefekte)
- Klinik für Innere Medizin III, Transfusionsmedizin, Kinder- und Jugendmedizin (Hämatopoiese-Defekte)
- Humangenetik, Klinik für Innere Medizin I (genetische Tumorerkrankungen)
- Klinik für Innere Medizin II (Kardiomyopathien und Rhythmusstörungen)
- Orthopädie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Kinder- und Jugendmedizin, Humangenetik, Department für Zahnheilkunde, Klinik für Innere Medizin I (z.B. seltene Erkrankungen im Kindesalter, seltene Diabetesformen, Osteo-Zahndysplasien, Mukoviszidose, seltene Adipositasformen)