Universität Hohenheim - Funktionelle Lebensmittel wieder im Bewusstsein der Wissenschaft
Dem Darm und seinem Nervensystem fallen während der Nahrungsaufnahme zahlreiche Aufgaben zu, die auch bei der Entstehung von Adipositas eine entscheidende Rolle spielen können. Das Institut für Ernährungsmedizin der Universität Hohenheim erforscht die Zusammenhänge in zahlreichen Projekten und ist daher ein ausgezeichneter Partner im Netzwerk Bioaktive Pflanzliche Lebensmittel.
Das Institut für Ernährungsmedizin repräsentiert an der Universität Hohenheim die Fachgebiete Ernährungsmedizin, Immunologie und Prävention. Die Hauptforschungsgebiete Adipositas und Mangelernährung, Immunologie und Darmbarriere sowie Nahrungsmittelunverträglichkeit und - allergien, behandeln aktuelle Themen der Ernährungsmedizin.
Der Themenbereich „Darmbarriere“ hat die Darmwand als Fokus. Die Darmwand bildet den Übergang von der Lumenseite des Darms, der Nahrung und Bakterien enthält, zu der Körperinnenseite. „Die Darmwand ist eine sehr komplizierte Struktur, da sie einerseits die Nahrung aufnehmen muss, andererseits die Bakterien nicht in den Körper lassen darf“, erklärt Prof. Dr. Stephan C. Bischoff, Leiter des Instituts. In Verbindung dazu steht das Darmnervensystem, das als so genanntes enterisches Nervensystem autonom die Tätigkeit des Verdauungstrakts reguliert. In Studien konnte gezeigt werden, dass das enterische Nervensystem durch Interaktion mit verschiedensten intestinalen Zellen die Nahrungsaufnahme reguliert. Besonders im Hinblick auf das weitere große Thema Adipositas ist dies interessant.
Regulation des Appetits
Arbeit an der Sterilbank am Institut für Ernährungsmedizin
© emp
Der Magen-Darm-Trakt ist auch der Fokus der Untersuchungen zum Thema Adipositas. „Bisher standen immer das Gehirn und das Fettgewebe im Vordergrund, doch es geht im Magen-Darm-Trakt natürlich nicht alleine um die Aufnahme der Nahrung sondern auch um die Regulation des Appetits“, erklärt Bischoff. Gastrointestinale Hormone kontrollieren den Appetit und können somit auch bei der Entstehung von Adipositas eine Rolle spielen. Die Magen-Darm-Wand beeinflusst unter anderem die Leberfunktion, indem die durch die Barriere getretenen Bakterien eine Entzündungsreaktion hervorrufen. Die so genannte nicht-alkoholische Fettleber konnte häufig bei Patienten mit dem metabolischen Syndrom festgestellt werden.
Nicht nur die Darmbarriere sonder auch die Darmflora spielt natürlich eine große Rolle in Bezug auf verschiedene Erkrankungen. In dieser Hinsicht sind Probiotika als klassische funktionelle Lebensmittel interessant und werden ebenfalls am Lehrstuhl untersucht. Einige chronische Erkrankungen des Darms, wie zum Beispiel Morbus Crohn, gehen mit einer Veränderung der Darmflora einher. Die Forscher untersuchen diese Veränderungen und möchten so neue therapeutische Ansätze entwickeln.
Gefördert werden die Forschungsarbeiten durch das Kompetenznetz Adipositas, das 2009 seine Arbeit aufnahm. Das Kompetenznetz besteht aus acht Forschungsverbänden, in denen neben der Universität Hohenheim auch die Universitätskliniken Tübingen, Heidelberg und Aachen sowie das Klinikum Stuttgart beteiligt sind. Der durch die Universität Hohenheim koordinierte Forschungsverbund "Adipositas und Gastrointestinaltrakt" wird von Prof. Bischoff koordiniert und ist eine Initiative des Zentrums für Ernährungsmedizin.
Bioaktive pflanzliche Produkte mit therapeutischem Potenzial
Quinoa (Chenopodium quinoa) oder auch Inkareis genannt hat seinen Ursprung in Peru.
© MarkusHagenlocher / www.wikipedia.de
Das Institut für Ernährungsmedizin ist ebenfalls Mitglied im Netzwerk Bioaktive Pflanzliche Lebensmittel, das sich dem Thema Adipositas verschrieben hat. Funktionelle Lebensmittel sind, laut Prof. Bischoff, lange Zeit nicht im Bewusstsein der Verbraucher sowie der Ernährungswissenschaftler gewesen. Studien zeigen jedoch, dass bioaktive pflanzliche Produkte funktionell aktiv sind und möglicherweise sogar ein therapeutisches und präventives Potenzial haben. „Wenn wir das Thema nun auch medizinisch einstufen wollen, brauchen wir noch weitere Studien“, so Bischoff. Ein häufig angesprochener Faktor bei funktionellen Lebensmitteln ist jedoch, dass ein funktioneller Nährstoff in seiner normalen Matrix einen Effekt haben kann, als isoliertes Nahrungsergänzungsmittel jedoch nicht. Ein weiteres Problem liegt in der bisher fehlenden einheitlichen Definition von funktionellen Lebensmitteln. „Das probiotische Joghurt wäre für mich auf jeden Fall ein funktionelles Lebensmittel, mit den Probiotika als funktionelle Komponente“, sagt Bischoff. „Man könnte natürlich auch einen sekundären Pflanzenstoff zu dem Joghurt hinzufügen und hätte ebenfalls ein funktionelles Lebensmittel.“ Zu den beiden vom Netzwerk ausgewählten Pflanzen Amarant und Quinoa hat das Institut für Ernährungsmedizin noch keine Studien durchgeführt. Doch obwohl dies auf Grund der geringen Datenlage aus kommerzieller Sicht, nach der Einschätzung von Prof. Bischoff, eine riskante Wahl ist, sind die Forscher daran interessiert neue innovative Ansätze wissenschaftlich zu untersuchen.
Als Ergänzung zur Grundlagenforschung führt das Institut klinische Studien am Patienten in seiner Metabolic Unit durch. Die Studien können Teil der universitären Forschung sein, aber auch im Auftrag der Industrie durchgeführt werden. In den praxisähnlichen Räumen werden beispielsweise adipöse Erwachsene und Jugendliche, besonders hinsichtlich der damit einhergehenden Folgeerkrankungen untersucht.