Wie eine Mutation vor den Folgen einer Sepsis schützt
Für die Entdeckung, dass die Faktor V-Leiden-Mutation in einem Gen der Blutgerinnung einen Schutz vor den Folgen einer Sepsis bewirkt, erhielt der Mannheimer Mediziner Prof. Dr. Carl-Erik Dempfle den wichtigsten Wissenschaftspreis, den die die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung zu vergeben hat.
Der Preisträger Prof. Dr. Carl-Erik Dempfle
© Universitätsmedizin Mannheim
Auf dem 55. Kongress der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH), der vom 16. bis 19. Februar 2011 in Wiesbaden stattfand, wurde der Mannheimer Hämostaseologe Professor Dr. Carl-Erik Dempfle mit dem Alexander Schmidt-Preis ausgezeichnet. Es handelt sich dabei um die wichtigste wissenschaftliche Anerkennung, die die Fachgesellschaft zu vergeben hat. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Blutgerinnungsforschung und der Gefäßmedizin vergeben und würdigt die langfristige, effektive wissenschaftliche Tätigkeit des Preisträgers.
Die Hämostaseologie ist die Wissenschaft von der Blutgerinnung und ihrer Störungen. Professor Dempfle leitet den Bereich Klinische und Experimentelle Hämostaseologie an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM). Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, die sich in über 150 Fachpublikationen widerspiegelt, ist Professor Dempfle insbesondere durch seine auch überregional anerkannte Spezialambulanz für Gerinnungsstörungen bekannt.
In der prämierten, im Fachjournal Blood veröffentlichten Arbeit gewannen Professor Dempfle und sein Forschungsteam Erkenntnisse über einen Mechanismus, der vor den Folgen einer Sepsis (Blutvergiftung) schützt. Ausgangspunkt für das Forschungsprojekt war eine große internationale Studie zur Sepsis. Dabei wurde beobachtet, dass Patienten mit einer Mutation im Gen für Faktor V (Faktor V-Leiden-Mutation; genannt nach der niederländischen Universitätsstadt Leiden; V steht für römisch fünf), die ein großes Risiko für die Entwicklung von Thrombosen mit sich bringt, trotz dieses erblichen Risikofaktors überraschenderweise eine schwere Sepsis eher überlebten als Patienten ohne diese Mutation. Die Wissenschaftler identifizierten lösliches Fibrin als zentralen Faktor beim Schutz im Falle einer Sepsis.
Die Faktor V-Leiden Mutation
Der Faktor V ist ein Protein, das die Blutgerinnung fördert. Die Faktor V-Leiden Mutation, eine Punktmutation im Gen für Faktor V, bei der in Position 506 des Proteins die Aminosäure Glutamin statt Arginin eingebaut wird, verstärkt diese Funktion. Sie führt zu einer Resistenz gegenüber der normalerweise stattfindenden proteolytischen Spaltung des Faktors V durch aktiviertes Protein C (so genannte APC-Resistenz). Dadurch bleibt die gerinnungsfördernde Wirkung von Faktor V erhalten und kommt es zu einem Ungleichgewicht zugunsten gerinnungsfördernder Einflüsse. Der Gerinnungsfaktor Thrombin wird vermehrt gebildet, Thrombin spaltet das Fibrinogen und es entsteht dadurch vermehrt Fibrin, außerdem werden mehrere Blutgerinnungsfaktoren aktiviert. Die Neigung, Thrombosen zu entwickeln, nimmt zu.
Etwa fünf Prozent der Europäer tragen die Mutation auf einem Chromosom; schon diese heterozygoten Träger haben ein deutlich erhöhtes Risiko, Thrombosen zu erleiden. Homozygote Träger, die das mutierte Allel sowohl von Vater und Mutter geerbt haben, sind zehn- bis hundertmal seltener; bei ihnen ist das Risiko einer Thrombose 50- bis 100-mal höher als in der Normalbevölkerung.
Lösliches Fibrin, das bei Patienten mit Faktor V-Leiden-Mutation verstärkt gebildet wird, spielt offenbar eine zentrale Rolle beim Schutz vor den Folgen einer Sepsis. Die Mannheimer Wissenschaftler konnten beobachten, dass lösliches Fibrin die Fibrinolyse, also die Auflösung des Thrombus, fördert, und zwar indem es die Aktivierung des Plasminogen unterstützt. Das entstehende Plasmin löst Gerinnsel in den kleinsten Gefäßen der Organe auf und kann so vor dem Organversagen schützen.
Die jetzt gewürdigte Arbeit, die in der Zeitschrift ‘Blood‘ veröffentlicht wurde, weist einen direkten Bezug zu den Forschungen des Namensgebers des Preises, des deutsch-baltischen Arztes und Physiologen Hermann Adolf Alexander Schmidt (1831-1894) auf. Dieser wies bei seinen Forschungsarbeiten mit Felix Hoppe-Seyler (1825-1895) in Berlin und Carl Ludwig (1816-1985) in Leipzig nach, dass die Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin ein enzymatischer Prozess ist.
Publikation:
Elif Elmas, Nenad Suvajac, Bernd Jilma, Hartmut Weiler, Martin Borggrefe, and Carl-Erik Dempfle : Factor V Leiden mutation enhances fibrin formation and dissolution in vivo in a human endotoxemia model. Blood 116: 801 - 805 (2010).