Wissenschaftler, Lehrer und Schüler erproben den Ernstfall „Menschenwürde“
In einem bundesweit einmaligen Projekt kooperierten die Universität Heidelberg und vier Gymnasien aus Nordbaden bei einem Brückenschlag zwischen den Lebens- und Geisteswissenschaften.
(v.l.) Professor Eckart, Oliver Stoltz, Dr. Matthias Raden, Nicolai Badenhoop, Dr. Michael Alperowitz, Dr. Grit Schwarzkopf, Clara Becker, Tassilo Müller-Graff
Der doppelte Brückenschlag zwischen Lebens- und Geisteswissenschaften, Universität und Schulen – wichtige Ziele der Exzellenzinitiative – ist auch im zweiten Jahr gelungen. Bei einer Pressekonferenz am 3. Juli 2008 in Heidelberg zogen die Beteiligten des bundesweit einmaligen Schulprojekts „Menschenwürde“ eine positive Bilanz. Vier Gymnasien in Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe arbeiten seit 2006 mit dem Interdisziplinären Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaften (IFBK) der Universität Heidelberg zusammen. Das Projekt wird von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert.
Insgesamt 80 Oberstufenschüler der 12. Klassenstufe lernen in drei Schulstunden pro Woche und durch Verfassen einer Seminararbeit, sich mit schwierigen bioethischen Fragen auseinanderzusetzen. Dabei werden sie von studentischen Mentoren und Wissenschaftlern der Fächer Philosophie, Theologie, Jura und Medizin betreut, für viele Schüler eine einmalige Chance, erste Erfahrungen mit möglichen Studienfächern zu sammeln. Teilnehmende Schulen sind das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium in Heidelberg, das Lessing-Gymnasium und Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium in Mannheim, und das Bismarck-Gymnasium in Karlsruhe.
Brisante Themen: Spätabtreibung, embryonale Stammzellen und Pränataldiagnostik
„Wir wollen die Schüler in die Lage versetzen, sich selbstbewusst eine eigene Meinung zu bilden“, sagte Professor Dr. Wolfgang Eckart, Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Heidelberg, bei der Pressekonferenz. Die Fragen sind brisant und aktuell und drehen sich um „Menschenwürde am Lebensbeginn“: Abtreiben, auch wenn das Kind dabei überleben kann? Embryonale Stammzellen verwenden, um Krankheiten zu erforschen? Genetische Anlagen vor einer künstlichen Befruchtung testen?
„Ich war überrascht, mit welchem Engagement und wie ernsthaft die Schüler bei der Sache waren und sich auf die einführenden Texte einließen“, sagte Dr. Grit Schwarzkopf, Geschäftsführerin des IFBK und Mentorin in Philosophie. Entsprechend gut wurde das Seminar angenommen. Insgesamt 80 Schüler besuchten die Seminarkurse: „Es ist zwar viel Arbeit, aber die hat sich auf jeden Fall gelohnt“, so Tassilo Müller-Graff, Schüler am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium Heidelberg. Besonders den intensiven Austausch mit den Mentoren, die Besuche an der Universität und das Recherchieren in der Bibliothek seien sehr motivierend gewesen. Das Seminar wird als fünftes Prüfungsfach im Abitur angerechnet werden.
„Menschenwürde und Gewalt“ als nächstes Thema geplant
Eine Herausforderung für die Schüler: Im Konfliktfeld „Menschenwürde“ geht es nicht darum, fixe Forschungsergebnisse zu reproduzieren. Was ethisch richtig ist, muss jeder für sich selbst beantworten. „In den Präsentationen bezogen die Schüler bereits nach wenigen Minuten freiwillig Stellung zu ihrem Thema, eine ganz andere Prüfungssituation“, sagte Dr. Michael Alperowitz, Schulleiter am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium Heidelberg. „Die Schüler sind an dieser Aufgabe gewachsen. Das ist eine gute Vorbereitung auf das Studium.“
Alle Teilnehmer plädierten für eine Fortführung des Seminarprogramms. Es wird sich voraussichtlich mit ethischen Fragestellungen zu „Menschenwürde und Gewalt“ befassen.
Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg - 07.07.08