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Zuversicht mit Einschränkungen

Ein im Grundsatz zuversichtliches Bild zeichnen die Branchenexperten von Ernst & Young in ihrem neunten deutschen Biotechnologie-Report 2008. Trotz allem Optimismus hat das Bild einige unschöne Flecken: auch für 2008 sieht der Report kein Unternehmen, das an die Börse geht. Betrüblich scheint auch diese Zahl: mit zehn neu gegründeten Unternehmen im Jahr 2007 ist ein historischer Tiefstand erreicht.

Die Studie der Prüfer- und Beratungsgesellschaft untersuchte in ihrem Report nur Firmen, die ihr Geschäft ausschließlich mit Methoden der modernen Biotechnologie machen.

Mehr Umsatz, mehr Beschäftigte

Optimistisch stimmen die Fachleute von Ernst & Young diese Zahlen: erstmals seit 2004 (1,003 Mrd. Euro) kletterte der Umsatz der deutschen Biotech-Branche wieder über die Milliardenmarke, er wuchs 2007 um sechs Prozent von 948 Mio. auf 1,003 Mrd. Euro. Private Firmen legten sogar um 15 Prozent beim Umsatz zu. Auch die Zahl der Beschäftigten stieg um rund 400 auf 10.162; rechnet man die bei Tochterfirmen ausländischer Biotechs Angestellten mit ein, beträgt sie rund 13.000. Gesunken hingegen ist die Zahl der Unternehmen von 403 auf 395.

Mehr Geld in Forschung und Entwicklung

Siegfrid Bialojan sieht die deutsche Biotechbranche auf stabilem Wachstumskurs. (Foto: E & Y)
Erstmals seit Jahren haben die deutschen Biotech-Unternehmen wieder deutlich mehr Geld (980 Mio. Euro) in Forschung und Entwicklung investiert, hier vor allem in kostenträchtige klinische Studien bei Medikamentenentwicklern. Das wiederum erhöhte den Verlust der deutschen Biotech-Branche, den der Report auf 665 Mio. Euro (plus sieben Prozent) beziffert. Trotz aller roten Zahlen: immer mehr Biotechs erwirtschaften Gewinne. Im Jahr 2004 waren es 29 Prozent, aktuell schreiben vierzig Prozent schwarze Zahlen. Geld werde vor allem verdient mit der Entwicklung von Technologie, der Diagnostik oder als Dienstleister.

„Die deutsche Biotechnologie-Branche ist auf einem stabilen Wachstumskurs“, kommentiert Siegfried Bialojan, Leiter des Industriesektors Biotech bei Ernst & Young, die Ergebnisse. „Dieser basiert vor allem auf der fundierteren und reiferen Produktentwicklung und solideren Geschäftsmodellen, die sowohl Finanz- als auch strategische Investoren überzeugen”, so Bialojan.

Biotech-IPOS 2007: Fehlanzeige

Vermeintlich gegen den Branchentrend verlief die Entwicklung bei den 19 börsennotierten deutschen Biotech-Unternehmen: Der Umsatz fiel um 19 Prozent zurück, während die Zahl der Mitarbeiter um zwölf Prozent zurückging. Allerdings hätten hier vor allem Einzelereignisse den Ausschlag gegeben, die die grundsätzlich positive Entwicklung der börsennotierten Firmen verdeckten. Dennoch: das Beispiel des Berliner Unternehmens Jerini zeigt, wie schnell sich die Stimmung drehen kann. Dort stürzte die Aktie Ende April nach einem negativen Votum der FDA in den Keller, um tags darauf nach positiven Ergebnissen der EMEA wieder in die Höhe zu schießen.

Hoffen auf sechs Medikamente

Deutliche Fortschritte bei der Produktentwicklung sieht der Report. Sechs Medikamente (2006: zwei) stehen vor der Zulassung, 17 befinden sich in der klinischen Phase III. Auf’s Ganze gerechnet sank allerdings die Zahl der Wirkstoffe in der Pipeline deutscher Biotechs von 322 auf 316. Insgesamt befinden sich nach Angaben von Ernst & Young fünf Wirkstoffe mehr (129) als im Vorjahr in der Entwicklung.

Fortschritte bei Produktentwicklung

Die jüngsten Ereignisse zeigen, wie viel Risiko und Unabwägbarkeit in der Entwicklung von Medikamenten steckt, die nicht zuletzt wegen der eingerechneten Misserfolge längst die Milliarden-Euro-Schranke gerissen hat. Die positive Einschätzung der Studienautorin Julia Schüler scheint mehr denn je (Zulassungs-)Erfolge zu benötigen:

„Die Branche ist bei der Produktentwicklung inzwischen deutlich vorangekommen. Zu allen sechs Medikamenten im Zulassungsprozess wird eine Entscheidung seitens der Behörden noch in diesem Jahr erwartet, was einen signifikanten Durchbruch bedeuten kann. Inzwischen ist aber insgesamt ein solides Portfolio an Wirkstoffen vorhanden, die in den entscheidenden Testphasen stehen und nun ihren zukünftigen Wert unter Beweis stellen können“.

Weniger Neugründungen, weniger Fusionen und Übernahmen

Längst scheint nicht alles Gold, was glänzt: der neunte Biotech-Report verzeichnet mit zehn Neugründungen im Jahr 2007 die „geringste Neugründungsrate in der Geschichte der deutschen Biotech-Industrie“. Den zehn neu gegründeten Biotech-Unternehmen standen zwölf Unternehmen gegenüber, die in die Insolvenz gingen oder aufgelöst wurden. Weitere „Abgänge“ resultierten aus Fusionen und Übernahmen.

Weiter verringert hat sich auch die Zahl der Fusionen und Übernahmen. Sie fiel auf sieben Transaktionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen. Dass bloßes Aufsummieren nicht immer aufschlussreich sein muss, zeigt die Zahl der (bekannt gewordenen) geschlossenen Kooperationen und Lizenzvereinbarungen, die der Report unter Allianzen führt. Zwar seien diese im Vergleich zu 2006 von 73 auf 60 gesunken. Aber dafür vervierfachte sich der Wert der Vertragsabschlüsse von 159 auf 675 Mio. Euro, was für die Studienautorin den „Fortschritt der Unternehmen in der Produktentwicklung untermauert“.

Mehr Risikokapital für Biotechs

Leicht verbessert hat sich im Jahr 2007 Eigenkapitalfinanzierung der deutschen Biotechnologie-Branche, die der Report auf 456 Mio. Euro angibt. Um die Hälfte (von 213 auf 319 Mio. Euro) legte die Risikokapitalfinanzierung zu. Zappenduster sah es 2007 für deutsche Biotechs am Kapitalmarkt aus. Nach vier Börsengängen 2006 und zwölf Sekundärfinanzierungen wagte im Jahr 2007 kein einziges Biotech-Unternehmen den Schritt aufs Parkett. Bei acht Sekundärfinanzierungen nahmen die börsennotierten Biotech-Unternehmen insgesamt 137 Mio. Euro auf. Damit sank das Volumen des am Kapitalmarkt aufgenommenen Eigenkapitals von 220 auf 137 Mio. Euro.
Aus der bei Redaktionsschluss noch nicht vorliegenden weltweiten Studie zum Biotech-Sektor ergeben sich nach Auskunft der deutschen Pressestelle von Ernst & Young keine grundlegenden Abweichungen zum Trend der Vorjahre. Die ältere und reifere Biotech-Industrie in den USA und mit Abstrichen auch in Großbritannien ist deutlich erfolgreicher als in Deutschland.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/zuversicht-mit-einschraenkungen