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Die Health-Claim-Verordnung - reich an Inhaltsstoffen

Die Health-Claim-Verordnung regelt EU-weit nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln, mit denen Hersteller diese kennzeichnen und bewerben dürfen. Während bei den nährwertbezogenen Angaben zunehmend Klarheit herrscht, ist die Liste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben nach wie vor im Entwicklungsprozess.

Seit dem 18. Januar 2007 ist in der gesamten Europäischen Union die „Health-Claim-Verordnung“ in Kraft, genauer gesagt, die „Verordnung Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel“. Ziel der Verordnung ist es, flächendeckend einen besseren Verbraucherschutz zu gewährleisten. Verbraucher sollen besser über Zutaten und Nährwerte von Lebensmitteln informiert werden – damit soll es ihnen möglichst leicht gemacht werden, sich gesund zu ernähren.

Alles klar bei nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben auf Lebensmitteln? © BioRegio STERN

Außerdem dient die Verordnung der Harmonisierung des europäischen Rechtssystems. Das bringt zumindest in diesem Fall auch wirtschaftliche Vorteile mit sich, denn die teilweise sehr unterschiedlichen nationalen Bestimmungen zur Lebensmittelkennzeichnung waren dem freien Warenverkehr in Europa hinderlich und konnten dadurch Wettbewerbsnachteile nach sich ziehen. In Deutschland wurden durch die neue Verordnung auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern beseitigt, was für den deutschen Binnenmarkt ebenfalls Vorteile hat.

Da es sich hier um eine Verordnung und nicht um eine Richtlinie handelt, galt das Regelwerk von Anfang an im gesamten EU-Raum, ohne dass es in den einzelnen Ländern erst in nationales Recht umgesetzt werden musste. Das war bei der EU-Richtlinie 2000/13/EG aus dem Jahr 2000 noch anders. Mit dieser wurde allgemein die Verwendung von Informationen untersagt, die den Käufer irreführen können oder den Lebensmitteln medizinische Eigenschaften zuschreiben. Die Health-Claim-Verordnung greift nun wesentlich weiter und gilt für alle nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen, auch in allgemeinen Werbeaussagen über Lebensmittel, gemacht werden.

Verordnung betrifft kommerzielle Produkte

Kern der Verordnung sind nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben. Unter Angaben sind dabei nicht nur schriftliche Informationen zu verstehen, sondern auch Bilder, Symbole und Grafiken. Die Angaben sollen sich auf „allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise über das Verhältnis zwischen Ernährung und Gesundheit“ stützen. Damit stehen Hersteller und Forscher bei so manchem Produkt zunächst vor der Herausforderung, einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Nahrungsmittel und gesundheitsrelevanten Effekten herzustellen. Dabei kommt es auch darauf an, in welcher Form und Kombination eine bestimmte Substanz dem Körper zugeführt wird. Dies wird in diesem Dossier durch die Beiträge „Curcumin gegen Alzheimer & Krebs: Gesunde Pflanzenstoffe und ihr Transport in den Körper" und „Erbasens: Mit der Kraft aus der Natur“ am Beispiel des Gewürzes Kurkuma beleuchtet. Mitunter gibt es bereits gut belegte Erkenntnisse aus der Wissenschaft, auch wenn die genauen molekularen Zusammenhänge noch nicht geklärt sind. Ein Beispiel ist naturtrüber Apfelsaft. Der Artikel „Schutz vor Darmkrebs durch naturtrüben Apfelsaft? gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschungsergebnisse am Max Rubner-Institut (MRI), dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel.

Um eine einheitliche wissenschaftliche Bewertung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben im Sinne der Health-Claim-Verordnung zu gewährleisten, nimmt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA diese Bewertung vor und bearbeitet die entsprechenden Anträge der Hersteller. Die EU-Kommission entscheidet aufgrund dieser Bewertung, ob eine bestimmte Angabe schlussendlich zugelassen wird oder nicht. Um die Verordnung so innovationsfreundlich wie möglich zu halten, gibt es ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben, die auf neuen wissenschaftlichen Nachweisen beruhen.

Der weite Weg zur Liste gesundheitsfördernder Angaben

Vitamine zum Naschen? Die Health-Claim-Verordnung regelt, ob damit geworben werden darf. © BioRegio STERN

Trotzdem trifft die Verordnung aufseiten der Hersteller nicht nur auf Zustimmung. So wird die EU-weite Vereinheitlichung und das Schaffen klarer Regeln zwar grundsätzlich begrüßt, jedoch wird die Verordnung auch als zu restriktiv und bürokratisch kritisiert. Der Artikel „Abwarten und Tee produzieren“ beschreibt beispielhaft den Umgang von Anoxymer, einem forschungsorientierten Hersteller von Pflanzenextrakten, mit der neuen Verordnung. Außerdem stößt auf Kritik, dass damit unnötigerweise das Verbotsprinzip eingeführt worden sei, während bisher galt, dass erlaubt ist, was nicht verboten ist. Das bezieht sich darauf, dass nur noch solche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben verwendet werden dürfen, die in der Gemeinschaftsliste enthalten oder gesondert zugelassen worden sind.

Im Vorfeld hatte die Verordnung auch bei den Gremien für Kritik und Ablehnung gesorgt. So bewertete der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss bereits in seiner Stellungnahme 2004 das Zulassungsverfahren als zu kompliziert. Das Europäische Parlament machte in seiner ersten Lesung mehr als 70 Änderungsvorschläge, darunter die komplette Streichung der Nährwertprofile. Der Vorschlag der Europäischen Kommission wurde im Oktober 2006 jedoch ohne größere Änderungen und inklusive der Nährwertprofile vom EU-Rat angenommen.

Knackpunkt Nährwertprofile

Nährwertprofile sollen von der Europäischen Kommission gemeinsam mit den Mitgliedsländern entwickelt werden und festlegen, welche Zusammensetzung ein „gesundes“ Lebensmittel hat. Möglich ist auch, dass Gruppen von Lebensmitteln hierbei zusammengefasst werden. Enthält das Lebensmittel mehr als eine Komponente in einer Menge, die als ungesund eingestuft ist, wird es als Gesamtprodukt nicht mehr als gesund eingestuft. Das hat Auswirkungen auf die Kennzeichnung, denn über das Produkt dürfen dann keine nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben mehr getroffen werden, auch wenn diese für sich korrekt sind. Anders gesagt: Nur wenn ein Produkt in Zukunft die ernährungsphysiologischen Anforderungen der Nährwertprofile erfüllt, dürfen über dieses Produkt dann Angaben nach Health-Claim-Verordnung gemacht werden.

Nährstoffprofile – Zitat aus Stellungnahme 046/2010 des Bundesinstituts für Risikobewertung BfR
„...Nährwertprofile sollen sicher stellen, dass Lebensmittel, die mit positiven Gesundheitseffekten beworben werden, nicht gleichzeitig reich an Nährstoffen sind, deren übermäßiger Verzehr mit chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Dadurch sollen Verbraucher vor Irreführung geschützt werden. Nährwertprofile sind nicht als Information für den Endverbraucher gedacht und ersetzen beziehungsweise ergänzen nicht die gesetzliche Nährwertkennzeichnung...“

Kapitel 3 der Health-Claim-Verordnung umfasst die spezifischen Bestimmungen zu nährwertbezogenen Angaben und Kapitel 4 die Bestimmungen zu gesundheitsbezogenen Angaben. Bei den nährwertbezogenen Angaben wurden bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Anhang der Verordnung zahlreiche Angaben und die Kriterien dafür aufgeführt. Dort ist zum Beispiel nachzulesen, unter welchen Bedingungen ein Lebensmittel als „fettarm“ oder als „ballaststoffreich“ bezeichnet und beworben werden darf. Anfang 2010 wurde der Anhang erstmals geändert und um weitere fünf Nährwertangaben erweitert. Damit sind jetzt auch Angaben zu ungesättigten Fettsäuren wie „mit hohem Gehalt an Omega-3-Fettsäuren“ geregelt.

Noch nicht abgeschlossen sind die Arbeiten an der Liste für gesundheitsbezogene Angaben. Es wurden derartig viele Anträge bei der EFSA eingereicht, dass die wissenschaftliche Bewertung zu den Angaben nicht im geplanten Zeitrahmen bewältigt werden konnte. Zudem muss jeweils noch die EU-Kommission zustimmen, damit eine gesundheitsbezogene Angabe verwendet werden darf. Die Veröffentlichung der Liste gesundheitsbezogener Daten war ursprünglich für Januar 2010 geplant. Im Sommer 2011 wurde ein Entwurf eines ersten Teils der Liste veröffentlicht und gleich wieder überarbeitet. Die endgültige Liste lässt nach wie vor auf sich warten, mit ihrem Erscheinen wird nicht vor Anfang 2012 gerechnet. Am Beispiel der BioTeSys GmbH zeigt der Beitrag „Das Einmaleins der Substanzprüfung“, wie Analyseunternehmen, die im Kundenauftrag klinische Studien zu gesundheitsrelevanten Effekten durchführen, aktuell mit der Problematik umgehen.

Ausnahmen von der Regel

Die neue Verordnung gilt nicht pauschal für alle Lebensmittel. So sind zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel , die man in flüssiger Form zu sich nimmt und die einen Alkoholgehalt von 1,2 Volumenprozent überschreiten, ausgenommen, da sie nicht als Getränke im Sinne der Verordnung gelten. Ebenfalls ausgenommen sind allgemeine traditionelle Angaben von Lebensmitteln wie „Digestiv“ oder „Hustenbonbon“. Ausgenommen sind auch ganze Gruppen traditioneller Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Milch, Fleisch und Brot. Letzteres liegt im Interesse der deutschen Backwarenindustrie, denn deutsches Brot hat mit durchschnittlich 1,8 bis 2,2 Gramm Salz pro 100 Gramm Mehl einen Salzgehalt über dem, was die EU-Kommission noch als gesund gelten lassen wollte (1,2 bis 1,3g).

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/dossier/die-health-claim-verordnung-reich-an-inhaltsstoffen