Geräteentwicklung - neue Werkzeuge für die Life Sciences
Im Alltag von Forschern, Entwicklern und Dienstleistern in den Life Sciences sind Hard- und Software-Anwendungen tagtäglich im Einsatz und nicht mehr wegzudenken – sei es beim computergesteuerten Wirkstoffscreening, bei der maschinellen Herstellung von Biosensoren oder beim blitzschnellen, mobilen Bakterientest im Handtaschenformat. Trends wie Automatisierung und Miniaturisierung sorgen dafür, dass neue Gerätschaften dabei immer kleiner und auch selbstständiger werden. Ersetzt die Maschine bald die menschliche Arbeitskraft?
Mit zum Teil riesigen, computergesteuerten Gerätschaften teilt sich menschliche Arbeitskraft heutzutage die Wirkungsstätte.
© GATC Biotech AG
In den letzten Jahren fand beispielsweise die Mikrosystemtechnik viele Anwendungen in den Bereichen der Biotechnologie, Pharmazie, Medizintechnik und Biosensorik - genau dort, wo mit kleinen Probenmengen gearbeitet werden muss. Sie liefert Hardware, die von mikrostrukturierten Reaktoren im Bereich der Medizintechnik, über innovative Biochips bis hin zu unikalen Messtechniken für einzelne Zellen reicht.
Vermehrten Einzug in die Life Sciences halten seit Jahren immer wieder auch neue Gerätschaften und Software-Anwendungen der Biophotonik und Optoelektronik. Neuartige Zwei-Photonen-Mikroskope erlauben die Beobachtung von Prozessen im Maushirn, um den Ursachen von Alzheimer nachzugehen, während ein 2009 entwickeltes Gerät der Berliner Firma LTB Lasertechnik ein nichtinvasives Verfahren zur optischen Früherkennung des gefährlichen „Schwarzen Hautkrebs“ anwendet, bei dem ein Hautscanner verdächtige Pigmentmale schmerzfrei und schnell abrastert. Das Hightech-Gerät macht erstmals diese Melaninfluoreszenz messbar und diagnostisch auswertbar. Das Ziel der Hard- und Softwareindustrie ist eindeutig: Prozesse und Technologien schneller, leistungsfähiger zu machen, gleichzeitig aber auch beizutragen, Erzeugnisse preiswerter herzustellen und anbieten zu können. Die Trends lauten deshalb Automatisierung (z.B. bei der Wirkstoffsuche im Hochdurchsatzverfahren) und Miniaturisierung.
Innovative 3D-Technologien im Kommen
Im Software-Bereich haben sich unterdessen beispielsweise 3D-Technologien als leistungsstarkes Modellierungswerkzeug für unter anderem Molekülstrukturen, Medizin(technik) und die Darstellung der Wirkungsweise von Arzneimitteln im menschlichen Körper entwickelt. Prävention ist besser als heilen. Aber ist der Krebs bereits ausgebrochen, können neue 3D-Technologien die Genesungschancen verbessern. Neuartige Handheld-Laserscanner erlauben beispielsweise durch Abtasten individuell angepasste Prothesen - innerhalb einer halben Stunde - zum Beispiel für an Hautkrebs erkrankte Patienten, bei denen ein Teil eines Organs wie der Nase entfernt werden muss und ohne frühzeitigen Einsatz einer Prothese während der Heilungsphase die Gefahr bestünde, dass sich das Gewebe lockert oder im Umfeld der Nase bleibend verformt und ein plastischer chirurgischer Eingriff dann gegebenenfalls nicht mehr möglich wäre. Mit dem zunehmenden Einsatz von IT lassen sich vielfältige biologische Datensätze einordnen und komplexe Sachverhalte analysieren.
Leistungsstarke Algorithmen zur Koloniezählung per Mausklick
Vor vielen Jahren undenkbar, heute in vielen Labors an der Tagesordnung: Hochmoderne Hardware erledigt biochemische Analysen und Resistenztestungen automatisch.
© Labor Dr. Brunner
Wo früher Handarbeit an der Tagesordnung von Biologen, Medizinern, Mikrobiologen war, analysiert heute eine ausgeklügelte Software schnell und leistungsstark. So brachte das Unternehmen Kapelan Bio-Imaging im vergangenen Jahr eine Anwendung auf den Markt, die innerhalb weniger Sekunden alle Arten von Analyseplatten durchsucht und vorhandene Kolonien sowie deren Fläche, Rundheit und Durchmesser ermittelt. Einige wenige Klicks sind hierbei notwendig, um von einem digitalen Bild zur Anzahl der Kolonien oder zur Spotanalyse zu kommen.
Jüngst wurde am Zentrum für Bioinformatik Tübingen eine Software (Biochemical Algorithms Library) für die Arzneimittelforschung entwickelt, die mit 3D-Modellierung und Simulationen im Schnellverfahren aus rund 100.000 Substanzen die 50 ermittelt, welche mit der höchsten Wahrscheinlichkeit die gewünschte Wirkung zeigen. Eine weitere neue Richtung beim Einsatz intelligenter Software-Lösungen auf dem Life-Science-Gebiet ist die „Computational Epigenetics“: So ist es Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts und Genetikern der Uni Saarland gelungen, ein auf statistisch-mathematischen Methoden (Data-Mining) basierendes Programm („EpiGRAPH“) zu entwickeln, mit dem man die Verteilung von Methylgruppen im Erbgut gesunder Zellen vorhersagen kann. Hierzu werden unter anderem Methylierungsmuster von Krebszellen und gesunden Zellen miteinander verglichen, um einen Startpunkt für die Suche nach gezielteren epigenetischen Medikamenten mit weniger Nebenwirkungen zu setzen. Das System durchsucht innerhalb weniger Zeit riesige Analyse- und Genomdatenbanken.
Roboter: Mensch-Ersatz und Kostendrücker
Mittels neuer Entwicklungen im Soft- und Hardware-Feld gewinnt die Übertragung gefährlicher oder monotoner Arbeitsaufgaben an Roboter immer mehr an Bedeutung – zum Beispiel bei der Analyse und Bearbeitung medizinischer Proben für eine schnellere Diagnose beim Patienten oder die automatisierungsgestützte Kultivierung von Zellen zur Testung von potenziellen neuen Wirkstoffen. Ende vergangenen Jahres wurde das an der Universität Rostock entwickelte erste vollautomatisierte Zellkultivierungssystem vorgestellt – ein Komplettlabor auf drei Quadratmetern im Wert von 500.000 Euro. Das Vorantreiben neuer Hardware zur Automatisierung im Labor wird Experten zur Folge als die einzige Möglichkeit für die Biotech-Branche in Deutschland angesehen, um im globalen Konkurrenzkampf bei der Medikamenten-Entwicklung mitzuhalten. Verantwortlich für den Bedarf an automatisierten Lösungen zeichnet sich laut Meinungsführern der demografische Wandel, der zur Folge haben wird, dass in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten Tausende von Laborarbeitsplätzen unbesetzt bleiben.
Der Mensch bleibt trotz der fortschreitenden Automatisierung dennoch weiterhin unersetzlich, wie Dr. Oliver Nolte, Leiter der Molekularbiologie beim Konstanzer Labor Dr. Brunner, das im Rahmen seiner Hightech-Strategie vor Kurzem ein weltweit neuartiges vollautomatisiertes Gerät zur Probenverarbeitung installiert hat, bekräftigt: „Gerade bei der Bewertung von Proben, die beispielsweise Erregergemische enthalten, reichen hochmoderne optische Technologien nicht aus, da häufig Textur, mikroskopisches Erscheinungsbild, aber auch der Geruch von Bakterienkolonien eine wichtige Rolle spielen.“