Molekulare Bildgebung - der tiefe Blick ins Innere
Die "Molekulare Bildgebung“ erkennt den Funktionszustand von Zellen oder Molekülen. Sie macht biologische Prozesse auf zellulärer und molekularer Ebene sichtbar und kann dadurch auch frühe Veränderungen im Körper anzeigen. Von der "Molekularen Bildgebung" verspricht man sich neue Möglichkeiten, um Krankheiten besser zu diagnostizieren und gezielter zu therapieren als bisher. Sie steht nach Ansicht mancher Experten für einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen: weg von einem "Krankenservice" hin zu einem "prophylaktischen Gesundheitsservice".
Mit Hilfe der Positronen -Emissions-Tomographie (PET) können Nuklear- mediziner zeigen, was in einem Tumor passiert. Hier werden die Krebszellen nicht nur sichtbar gemacht, sondern auch direkt im Gewebe bestrahlt. (Foto: AG Prof. W. Weber)
Schlüsseltechnologie, Innovationstreiber und Zukunftstechnologie lauten die Attribute, mit denen sich die „Molekulare Bildgebung“ schmücken darf. Man erwartet enorm viel von ihr: zum Wohl der Patienten, für den medizinischen Fortschritt und nicht zuletzt für die heimische Wirtschaft.
Von der „Molekularen Bildgebung“ verspricht man sich neue Möglichkeiten, um Krankheiten im Frühstadium zu erkennen, besser zu diagnostizieren und gezielter zu therapieren als bisher. Meistens hinterlassen Krankheiten bereits Jahre vor der Entwicklung der ersten Symptome molekulare Veränderungen auf der Zellebene. Das geschieht in der Regel lange Zeit bevor eine Erkrankung mit Verfahren der konventionellen Bildgebung zu diagnostizieren ist, die vorwiegend anatomisch-morphologische Veränderungen darstellen. Die „Molekulare Bildgebung“ erkennt dagegen den Funktionszustand von Zellen oder Molekülen. Sie macht biologische Prozesse auf zellulärer und molekularer Ebene sichtbar und kann dadurch auch frühe Veränderungen im Körper anzeigen. Man hofft, dass wichtige Spuren künftig schon vor dem Auftreten eines Tumors, eines Infarkts oder des unumkehrbaren Gedächtnisverlustes entdeckt werden und Therapien dann erfolgreicher und kostengünstiger verlaufen werden. Außerdem erwarten viele, dass die „Molekulare Bildgebung“ die Arzneimittelentwicklung beschleunigen wird, weil man den Wirkstoff an seinem Zielort beobachten kann und relativ schnell sieht, was die Substanz dort erreicht.
Die „Molekulare Bildgebung“ steht nach Ansicht mancher Experten für einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen, weg von einem „Krankenservice“ hin zu einem „prophylaktischen Gesundheitsservice“.
Nuklearmedizinische VerfahrenAm weitesten fortgeschritten und etabliert ist die „Molekulare Bildgebung“ mit Radionukliden. Bewährte Verfahren sind die Szintigrafie, die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und die Single Photon Emissionscomputertomographie (SPECT). Diese Methoden zeichnen sich durch eine hohe Empfindlichkeit aus. Leider sind sie teuer und setzen die Patienten einer Strahlenbelastung aus. Zwar ist die Radioaktivität, die auf einen Patienten während der Aufnahme einwirkt, ungefährlich, wie der Freiburger Nuklearmediziner Prof. Dr. Wolfgang Weber betont. Bei einer oder zwei Untersuchungen pro Jahr habe man nichts zu befürchten. Zur routinemäßigen Früherkennung oder zur permanenten Therapiekontrolle können PET und Co. nicht eingesetzt werden. Dennoch wurden mit den nuklearmedizinischen Verfahren in den vergangenen Jahren auf vielen Gebieten große Erfolge erzielt – vor allem aber in der Tumordiagnostik (s. Beitrag aus der BioRegio Freiburg). Diese gelten als Bestätigung, dass das Konzept der „Molekularen Bildgebung“ funktioniert.
Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) gehört zu den bildgebenden Verfahren der Nuklearmedizin. Sie macht die Verteilung einer schwach radioaktiven Substanz im Körper sichtbar und bildet dabei biochemische und physiologische Vorgänge im Körper ab. Bei der PET verwendet man Radionuklide, die Positronen aussenden. Trifft ein Positron auf ein Elektron, verbindet sich also Antimaterie mit Materie, wird Energie freigesetzt. Zwei Photonen werden in genau entgegen gesetzter Richtung, also im Winkel von 180 Grad, ausgesandt. Diese Besonderheit erlaubt die genaue Lokalisation des Ortes im Körper, an der dem der Zerfall stattgefunden hat. Die Gammastrahlung wird mit 20 bis 30 Detektorringen aufgefangen. Aus den Projektionen lassen sich dann Schnittbilder herstellen, die genau zeigen, wo sich die injizierte radioaktive Substanz angesammelt hat. Allerdings wurde die PET ursprünglich nicht zum Nachweis und zur Beurteilung von Krebserkrankungen entwickelt, sondern um den Energieumsatz des Gehirns und Herzens zu beobachten.
Magnetresonanztomographie
Normaler Blutfluss in der Hauptschlagader. Doch die MRT zeigt auch krankhafte Veränderungen und erlaubt eine frühzeitige Prognose von Herz-Kreislauf -Erkrankungen. (Foto: AG. M. Markl)
Andere Entwicklungsansätze richten sich auf die Magnetresonanztomografie, auf Ultraschall- und Fluoreszenzverfahren (s. Beitrag der Region BioLago). Besonders große Hoffnungen ruhen auf der Hochfeld-Magnetresonanztherapie. Durch das enorm starke Magnetfeld wird die räumliche Auflösung im Vergleich zu den bisher klinisch eingesetzten Geräten erhöht. Man erwartet bessere Bildkontraste und zusätzliche Aussagen über die Funktion, die das untersuchte Gewebe ausübt. Spezielle Kontrastmittel, die diese Effekte noch verstärken sollen, sind in der Entwicklung. Am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg wird in diesen Tagen einer von bisher vier in Deutschland errichteten Hochfeld-Magnetresonanztomographen in Betrieb genommen. Die in Kooperation mit der Firma Siemens betriebene 7 Tesla Anlage soll ausschließlich zur Bearbeitung onkologischer Fragen eingesetzt werden. Bevor die Anlage allerdings in der klinischen Diagnostik eingesetzt werden kann, müssen die Forscher noch umfangreiche experimentelle Messungen vornehmen und das Gerät optimieren. Denn die hohe Feldstärke der Anlage bringt nicht nur Vorteile, sie birgt auch Gefahren, wie zum Beispiel, dass das Gewebe überhitzt.
Bisher werden im klinischen Alltag MR-Tomographen mit Feldstärken von 1,5 bis 3 Tesla eingesetzt. Und auch sie ermöglichen den Klinikern aufschlussreiche Blicke ins Innere des Menschen. Beeindruckende Bilder hat in den vergangenen zehn Jahren die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) geliefert, die die Aktivität von Nervenzellen im Gehirn erfassen und bildlich darstellen kann. Die MRT wird im Sinne einer funktionellen „Molekularen Bildgebung“ aber auch in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Einen kleinen Ausschnitt präsentieren Beispiele aus der Onkologie (s. Beitrag aus der BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck) und der Diagnostik von Herz-Kreislauferkrankungen vor (s. Beitrag aus der BioRegio Freiburg) sowie ein Projekt, das Tübinger Forscher verfolgen. Sie versuchen mit Hilfe von MRT-Techniken die Veränderung von Knochenstrukturen zu erfassen, die auf die Entwicklung und das Voranschreiten einer Osteoporose hinweisen (s. Beitrag aus der BioRegio STERN).
Die Magnetresonanztomographie, die häufig auch als Kernspintomographie bezeichnet wird, arbeitet im Gegensatz zu nuklearmedizinischen Verfahren nicht mit Strahlen, sondern mit einem starken Magnetfeld. Sie gilt als schonend für den Patienten. Die positiv geladenen Kerne der Wasserstoffatome im Körper, die Protonen, besitzen ein magnetisches Moment, und werden durch das Magnetfeld ausgerichtet. Richtet man dann Radiowellen auf die Protonen, nehmen sie deren Energie auf und werden dadurch von ihrer Ausrichtungsachse abgelenkt. Werden die Radiowellen abgeschaltet, kehren die Protonen in ihre Ausgangsposition zurück und erzeugen dabei ein detektierbares Signal. Je nach chemischer Umgebung der Protonen, beispielsweise Fettgewebe, Muskeln oder Blut variieren diese Signale. Antennen fangen die Signale auf und mit Hilfe von computergestützten Rechnerverfahren werden sie in ein Bild umgesetzt. Durch diese Bearbeitung kann es passieren, dass Artefakte abgebildet werden. Das heißt, dass das Bild Zustände oder Strukturen zeigen kann, die so im Gewebe gar nicht vorliegen.
(Quelle: Pressestelle des Deutschen Krebsforschungszentrums)
Politik und Wirtschaft mischen kräftig mit
Welche Bedeutung Wirtschaft und Politik der Bildgebung mit Radionukliden, Magnetresonanz-Tomographen, Fluoreszenzverfahren und Ultraschall beimessen, zeigt die Technologie-Initiative Molekulare Bildgebung. Diese hat das Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit fünf deutschen Pharma- und Medizintechnikunternehmen im vergangenen Oktober gestartet. Die Unternehmen, von denen drei in Baden-Württemberg angesiedelt sind (s. Beiträge der BioRegio STERN und der BioRegion Ulm), werden in den kommenden zehn Jahren 750 Millionen Euro in die Entwicklung neuer Verfahren zur Molekularen Bildgebung investieren. Zusätzlich wird das BMBF Verbundprojekte aus Wissenschaft und Wirtschaft mit weiteren 150 Millionen Euro fördern. Mit diesen beträchtlichen Mitteln sollen neue Geräte entworfen und konstruiert werden sowie leistungsfähige Systeme zur Datenerarbeitung und Bildanalyse geschaffen werden. Auch die Entwicklung neuer bildgebender Diagnostika, die spezifisch an Moleküle oder Oberflächen binden, sowie nuklearmedizinischer Tracer gehört zu den Zielen der Initiative. Tracer werden im Stoffwechsel des Körpers umgesetzt und erleichtern oder ermöglichen damit erst eine Untersuchung.
Nach Angaben des BMBF sind deutsche Unternehmen in den Bereichen bildgebende Medizingeräte genauso wie bildgebende Diagnostika Weltmarktführer. Mehr als 100.000 Menschen arbeiten in diesen beiden Bereichen. Nicht berücksichtigt ist dabei die Zahl jener Beschäftigten, die bei Zuliefern tätig sind. Außerdem glänzen Medizintechnik- und Pharmaunternehmen im Bereich der Bildgebung mit einer Exportquote von 75 Prozent.