Umwelttoxine: Wirkung und Herkunft
Umwelttoxine, auch Xenobiotika genannt, sind chemische, dem biologischen Stoffkreislauf fremde Stoffe, die nur schwer abbaubar sind und oftmals toxische Wirkung haben. Sie sind insbesondere deshalb verheerend, weil sie uns im täglichen Leben begleiten und uns langsam aber sicher vergiften. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Xenobiotika mitverantwortlich für chronische Krankheiten und gelten als Hauptauslöser für Krebs, Alzheimer, Autoimmunerkrankungen, Depressionen und Typ-2-Diabetes. Auch wenn so manche Schadstoffe durch Verordnungen mittlerweile verboten sind, wirken sie bis heute und sind deshalb weiterhin Gegenstand aktueller Forschung.
Schimmelpilze auf Obst können gefährliche Mykotoxine produzieren. Doch nicht immer ist eine Kontamination auch mit dem bloßen Auge zu sehen.
© Roger McLassus
Umwelttoxine finden sich zum Beispiel in neuartigen Bau- und Bauhilfsstoffen, die den gesteigerten Ansprüchen an das Raumklima gerecht werden sollen, zum Beispiel in Tapeten, Lacken und Farben, aber auch in Stoffen wie etwa Teppichen oder Kleidung. Diese Schadstoffe gelten als Auslöser für das sogenannte „Sick-Building-Syndrom“, das Menschen betrifft, die in unzureichend klimatisierten Räumen den giftigen Schadstoffen, die nicht abtransportiert werden, ausgeliefert sind. Auch in Lebensmitteln trifft man auf Umwelttoxine (z.B. Konservierungsmittel, Pestizide, Trinkwasser), ebenso in Medikamenten (u.a. Quecksilber in Bluthochdruckmitteln). Zahlreiche Xenobiotika wie unter anderem Hexachlorbenzol, das in Pflanzenschutzmitteln vorkommt, führen zu ersten Symptomen wie Allergien, Atemwegsreizungen und Hautveränderungen. In vielen Fällen ist jedoch weder die Herkunft der giftigen Substanzen noch deren unterschiedliche Wirkung wissenschaftlich geklärt.
Acrylamid: Krebsgefahr aus Lebensmitteln?
Seitdem schwedische Forscher vor einigen Jahren nachwiesen haben, dass Acrylamid, eine chemische Verbindung, deren Gefahrenpotenzial lange nur aus der Kunststoffherstellung bekannt war, auch beim Erhitzen von Lebensmitteln entstehen kann, steht die Substanz im Mittelpunkt vieler Untersuchungen. Im Tierversuch zeigt sich Acrylamid krebserregend, bekannt sind bei hohen Dosen auch Nervenschädigungen. Noch fehlen verlässliche Untersuchungen, welche Mengen für den Menschen (z. B. Wirkung auf das Erbgut) ebenso gefährlich sind und wie sich die unter anderem in Knäckebrot, Keksen und gar Kaffee enthaltene Substanz tatsächlich auswirkt. Krebserzeugende Substanzen finden sich ebenfalls im Tabakrauch. Dazu gehören beispielsweise Formaldehyd, Benzol und Nitrosamine. Deren schädliche Wirkung wird zusätzlich intensiviert durch andere Bestandteile des Tabakrauchs wie Acetaldehyd und Ammoniak, die die Flimmerhärchen in den Atemwegen, die normalerweise Fremdstoffe aus den Atemwegen heraustransportieren, zerstören. Hierbei wird die Zeit, in der die Tabakrauchpartikel in der Lunge bleiben, verlängert und somit auch die Wirkung krebserzeugender Substanzen.
Verbot da, Nachwirkungen bleiben
Einige bekannte Schadstoffe sind durch Verordnungen in der Handhabung eingegrenzt oder gar verboten, wirken jedoch bis heute. So auch im Falle von Asbest, das zu einer Gruppe von nicht brennbaren und sehr beständigen Mineralen zählt. Gekennzeichnet durch eine faserige Struktur und eine biologische Nichtabbaubarkeit ist es in Elektrogeräten, in Maschinen und technischen Anlagen, in Bremsbelägen und Kupplungen, in Heizungen und vor allem als Baustoff in sehr vielen Gebäuden zu finden. Kommt man – gewollt oder ungewollt – mit Asbest in Kontakt, kann durch Eindringen in der Lunge eine sogenannte Asbestose ausgelöst werden, eine bindegewebige Verhärtung und Vernarbung des Gewebes. Seit Jahrzehnten ist in der Wissenschaft der Zusammenhang zwischen Asbest und der Entstehung von Lungenkrebs und Tumorerkrankungen des Rippenfells, dem Pleuramesotheliom, bekannt.
Feinstaub unter dem Elektronenmikroskop: Mikroskopisch feine Stäube können in den Körper eindringen - und der kann sich nicht dagegen wehren. Die Folge sind Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems.
© Susanne Gauggel
Erst 1993 wurde Asbest jedoch in der Bundesrepublik und dann 2005 EU-weit verboten. Fachleute rechnen aber dennoch noch auf Jahrzehnte hinaus mit neuen Erkrankungen. So wird Asbest zum Auslöser chronischer Entzündungen, das Gewebe reagiert mit Vernarbung. Detailliert geklärt ist der molekulare Mechanismus, der zur Krebsentstehung führt, bis heute noch nicht. Eine Bedeutung wird laut jüngster Forschungsergebnisse unter anderem immunologischen Vorgängen zugesprochen, die durch den dauernden Reiz der Faser ausgelöst werden. Erhöht wird die Gefahr der Entstehung von Tumoren allerdings durch weitere Risikofaktoren wie beispielsweise Tabakrauch. Bis wirklich alle Ursprünge einer potenziellen Gesundheitsgefährdung eliminiert sind, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen.
Einfluss auf Erbgut und Nachkommenschaft
Aktuelle wissenschaftliche Studien belegen, dass Umweltgifte Veränderungen des Erbguts bewirken und z.B. Geschlechtschromosomen beeinflussen. An der Universität Lund konnte ermittelt werden, dass die Umweltgifte DDE (Dichlordiphenyldichlorethen) und CB-153 (Hexachlorobiphenyl), die als Nebenprodukt bei industriellen und landwirtschaftlichen Produktionsprozessen anfallen, die Zahl der X- und Y-Chromosomen in den Spermien ändern, die das Geschlecht von Neugeborenen bestimmen. Der menschliche Körper ist darauf ausgerichtet, die verschiedenen Umwelteinflüsse zu verarbeiten, also Stoffe auszuschließen und nicht verwertbare Abfallprodukte auszuscheiden. Für ihn unbekannte Stoffe lagert er im Bindegewebe ab, was früher oder später eine Dysregulation zur Folge hat. Dies kann der Körper aber bis zu einem gewissen Schwellenwert kompensieren. Chronische Leiden treten dann auf, wenn die natürlich ablaufenden physiologischen Prozesse blockiert werden.
Toxin-Mischungen mit synergetischen Wirkeffekten
Ein Monozyt hat Feinstaub aufgenommen: Viele schädliche Prozesse laufen im Körper ab und haben eine lange Inkubationszeit
© Susanne Gauggel
Viele Wirkungen von Schadstoffen in der heutigen Umwelt sind bis heute nicht komplett entschlüsselt, ihre Anzahl im allgemeinen jedoch sehr hoch. Ständig kommen neue giftige Substanzen hinzu, und besonders in ihren Kombinationen sind sie kaum erfasst. Deshalb stehen Toxin-Mischungen auch im Zentrum aktueller Forschung zur Wirkung von Umweltschadstoffen. An der Universität Konstanz werden sogenannte Ochratoxine (OTA und OTB) untersucht - eine Spezies von Mykotoxinen, die entstehen, wenn es unter suboptimalen Lagerbedingungen zur Verschimmelung von Nahrungs- und Futtermitteln kommt (s. Artikel "Unsichtbare Gefahr mit Langzeitfolgen"). Ochratoxine entfalten in verschiedenen Spezies teratogene, immunotoxische und kanzerogene Wirkungen und greifen insbesondere die Niere an. Gerade in Verbindung mit anderen Mykotoxinen erhöhen Ochratoxine ihre toxischen Wirkungen. Darauf deuten erste Studien hin. Schon jetzt wird dies bei der Entwicklung von In-vitro-Modellen zur Identifikation des allgemeinen Gefahrenpotenzials der Ochratoxine berücksichtigt.