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Start-up Actimi GmbH

Echtzeit-Telemonitoring bei Herzinsuffizienz

Eine verbesserte Lebensqualität für die Patientinnen und Patienten und geringere Kosten für die Krankenkassen sind die Vorteile bei einem Telemonitoring bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz. Das Stuttgarter Start-up Actimi bietet eine All-in-one-Plattform für die Behandelnden und Erkrankten an.

Atemnot, Wassereinlagerungen und Gewichtszunahme – die ersten Symptome einer Herzinsuffizienz oder Herzschwäche, bei der die Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Die Herzschwäche ist ein Krankheitsbild, das als Folge verschiedener Vorerkrankungen, wie zum Beispiel koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, Herzklappenerkrankung oder auch Diabetes mellitus, entstehen kann. Die Therapie erfolgt medikamentös, in fortgeschrittenen Stadien mittels eines implantierbaren Schrittmachers (kardiale Resynchronisationstherapie, CRT), um die nicht synchrone Kontraktion des Herzens zu beseitigen oder über einen implantierbaren Defibrillator (ICD), um Herzrhythmusstörungen zu verhindern. Die Zahl der wegen Herzinsuffizienz in Kliniken behandelten Patientinnen und Patienten stieg bis ins Jahr 2019 stetig an. Und auch wenn im Jahr 2020 eine COVID-19-bedingte geringere Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz stattfand, ist die Herzinsuffizienz nachwievor die häufigste Einzeldiagnose bei vollstationär behandelten Patienten.1

Um die Versorgung von Erkrankten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz zu verbessern, wurde zum 1. Januar 2022 das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz in den einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgenommen. Somit kann es durch die behandelnde Ärztin bzw. den behandelnden Arzt und ein telemedizinisches Zentrum bei den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden.

Eine Box mit Tablet und Co.

Die Grafik zeigt eine Waage und die Bedienoberfläche der App auf dem Tablet. Weiterhin ist eine Tasche und das EKG-Messgerät zu sehen.
Die Actimi-Box enthält alles, was die Patientin oder der Patient für das Monitoring der Herzinsuffizienz benötigt. © Actimi GmbH

Dass es in diesem Bereich einen Bedarf an fortschrittlicher Technik gibt, haben auch Dr. Maximilian Weiß und seine Mitgründer erkannt und Mitte 2021 die Actimi GmbH gegründet. Das Unternehmen bietet die für die Abrechenbarkeit notwendige Leistung des telemedizinischen Zentrums an. „Mit unserer Actimi-Box haben wir ein patientenfreundliches Tool, mit dem der Patient alles erhält, was benötigt wird, um gemonitort zu werden“, erklärt Weiß. Die Box enthält ein Tablet mit eingebauter SIM-Karte, das im sogenannten Kioskmodus nur die CE-klassifizierte Monitoring-App verwenden kann. Die mitgelieferten Geräte, wie das Bluetooth-EKG und Blutdruckmessgerät sowie die Waage, sind in die App schon eingebunden. Damit ist sichergestellt, dass die Daten bei einer Messung immer auch bei Ärztin oder Arzt ankommen. „Wir haben natürlich noch Zusatzfunktionalitäten, wie einen Chat mit dem Arzt und einen Medikationsplaner, einen Alarm, der an die Messungen erinnert und Care-Groups, in die man zum Beispiel Familienmitglieder einbinden kann. Diese sind aber alle optional“, so der Arzt, der im Bereich Patienten-Compliance promoviert hat. Die meisten Patientinnen und Patienten mit einer Herzschwäche sind laut Herzbericht 2021 65 Jahre und älter. Das Start-up hat sich daher auf eine hohe Patientenfreundlichkeit spezialisiert. „Wir wollen alle Patienten abholen, denn auch, wenn heutzutage viele Menschen aller Altersgruppen mit technischen Geräten zurechtkommen, gibt es immer noch einen großen Teil der Gesellschaft, der nicht ohne weiteres eine App herunterladen und die notwendigen Verbindungen herstellen kann“, sagt Weiß.

Schulung inklusive

Die Gründer der Actimi GmbH, zwei junge Männer, stehen vor einem Gebäude.
Ein Teil des Gründer-Teams von Actimi (v.l.): Julian Charisius und Dr. Maximilian Weiß. © Actimi GmbH

Das Start-up Actimi, das Weiß gemeinsam mit seinem Cousin Julian Charisius und seinem Onkel Dietrich Charisius gegründet hat, stellt den niedergelassenen Kardiologinnen und Kardiologen die für das Telemonitoring notwendige Infrastruktur zur Verfügung. Sind die für die Abrechenbarkeit über die gesetzliche Krankenkasse erforderlichen Einschlusskriterien erfüllt (siehe Kasten Indikationen), scannt der Arzt oder die Ärztin den auf der Actimi-Box aufgeführten Code, sodass Patient oder Patientin der Box zugeordnet werden können. Im Anschluss erfolgt in der Praxis eine Einführung in die Technik, und die Box kann mit nach Hause genommen werden. „Sollte man aber einmal vergessen haben, wie die Anwendung funktioniert, so wird in der App Schulungsmaterial in Form von Video, Text und Bild zur Verfügung gestellt“, fügt der Gründer hinzu. Neben den niedergelassenen Kardiologen und Kardiologinnen können auch an Kliniken angebundene medizinische Versorgungszentren oder Kliniken mit ambulanten Ermächtigungen an dem Telemonitoring teilnehmen. Ein weiterer Vorteil für die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte ist, dass sich das Start-up auch um die Gerätelogistik, wie zum Beispiel bei Reparatur oder Ersatz, kümmert.

Indikationen

  • Herzinsuffizienz mit Symptomen wie Atemnot oder Herzrhythmusstörungen bei körperlicher Belastung wie zum Beispiel Treppensteigen (NYHA-Stadium II). Oder mit Beschwerden bei geringer Belastung wie Spazierengehen (NYHA-Stadium III).
  • Einem stark verringerten, von der Herzkammer ausgeworfenen Blutvolumen (Ejektionsfraktion < 40 Prozent).
  • Patientin oder Patient haben ein implantiertes kardiales Aggregat (ICD, CRT-P, CRT-D) oder wurden stationär im letzten Jahr wegen einer kardialen Dekompensation behandelt.

    Vorteile für alle Beteiligten

    Bei einer derart komplexen Symptomatik wie der Herzschwäche verbessern die selbstständig durchgeführten Messungen und der Kontakt zu den Behandelnden die Lebensqualität. „Wenn man eine chronische Erkrankung hat, lebt man immer in der Ungewissheit, ob diese möglicherweise schlechter wird. Denn es ist als Patient nicht trivial, selbstständig zu bemerken, ob es eine Verschlechterung gibt. Als Folge bleibt man bei Symptomen wie einem schlechteren Herzschlag und schlechterer Atmung häufiger zu Hause und hat weniger Bewegung. Daraufhin sammelt sich Wasser in den Beinen, und ein Krankenhausaufenthalt wird immer wahrscheinlicher“, erläutert Weiß. Diese Art der Verschlechterung wird als Dekompensation bezeichnet, sie erhöht die Sterblichkeit der Erkrankten signifikant. Dank der regelmäßigen selbstständigen Messung und der Kontrolle der Werte durch das ärztliche Fachpersonal fühlen sich Patientinnen und Patienten besser betreut, Verschlechterungen werden schneller erkannt und die Lebensqualität steigt. Dafür sei auch die hohe Bereitschaft der Betroffenen zur Mitwirkung (Patient Compliance) von großer Bedeutung, auch für die spätere Abrechnung bei der Krankenkasse.

    Die damit einhergehende geringere Anzahl an Krankenhausaufenthalten wirkt sich auch auf die Kosten für die Krankenkassen aus. Die Krankheitskosten für die Herzinsuffizienz beliefen sich im Jahr 2020 auf 7,4 Mrd. Euro, davon entstanden 3,2 Mrd. Euro in Krankenhäusern (Krankheitskostenrechnung, Statistisches Bundesamt). Das Potenzial des Telemonitorings, einen gesundheitsökonomischen Vorteil zu generieren, ist also enorm.

    Monitoring mit der Actimi-Box

    So ähnlich kann ein Monitoring mit der Actimi-Box vor sich gehen.
    © Actimi GmbH

    Datenschutz im Blick

    Selbstverständlich hat auch der Datenschutz bei Actimi einen hohen Stellenwert. Das System ist so gebaut, dass die Vitaldaten der Behandelten gespeichert werden, aber keine Zuordnungsdaten beim Unternehmen vorliegen. „Wir als Actimi haben also keinen Namen, keine Geburtsdaten etc., sondern nur die Seriennummer des Tablets und die Daten, die mit dieser Seriennummer erhoben werden. Erst beim Arzt hinter der Firewall erfolgt die Zuordnung zu den Patientendaten“, unterstreicht Weiß die Wichtigkeit des Datenschutzes. „Zusätzlich sind alle Daten auf deutschen Servern gehostet, die mit den ISO-Datenzertifikaten ausgestattet sind.“ Das Start-up will es aber noch besser machen. Und so arbeitet Actimi gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, der Universität Stuttgart und der Universität Kassel im Verbundprojekt TESTER (DigiTalE SelbsTvERmessung selbstbestimmt gestalten) an der Erforschung und Entwicklung eines Privacy-Assistenten. Ziel ist es, den selbstbestimmten Umgang von Patientinnen und Patienten mit den Daten zu unterstützen. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

    Monitoring bei weiteren Krankheiten

    Für das Jahr 2023 ist die Einführung der Actimi-Box, in welcher Tablet, EKG, Blutdruckmessgerät, Waage und Software als Medizinprodukt zugelassen sind, in der Kardiologie geplant. „Aber neben dem Roll-out des fertigen Produktes für die Herzinsuffizienz planen wir natürlich auch weitere Entwicklungen, wie zum Beispiel ein Modul, das die Daten auch analysieren kann. Aktuell unterstützen wir den Arzt im Rahmen von Grenzwerten und den Benachrichtigungen bei Überschreitung. Aber dabei kann natürlich auch eine KI unterstützen, die früher erkennt, wenn es den Patienten schlechter geht. Die Entscheidungshoheit hat natürlich immer der Arzt bei uns, aber wir probieren, den Arzt bestmöglich zu unterstützen“, so Weiß. Der Mediziner kann sich in Zukunft auch eine Ausweitung des Monitorings auf andere Erkrankungen wie z. B. Diabetes, COPD oder chronische Nierenerkrankung vorstellen. Zunächst ist jedoch der erfolgreiche Roll-out im Bereich der Herzinsuffizienz im Fokus der Gründer.

    Quellen:

    1) Deutscher Herzbericht 2021, Deutsche Herzstiftung e.V., Georg Thime Verlag KG, https://epaper.herzstiftung.de/ (15.11.2022)

    Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/echtzeit-telemonitoring-bei-herzinsuffizienz