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Bei inoperablen Hirntumoren: Kann eine Blutprobe Auskunft über die passende Strahlendosis geben?

Radioonkologe am Universitätsklinikum Heidelberg erhält Else Kröner Memorialstipendium. Forschungsarbeit von Dr. Maximilian Deng zu Tumormarkern aggressiver Meningeome im Blut wird zwei Jahre lang mit 250.000 Euro gefördert. Bislang keine angepasste Bestrahlungsplanung möglich, wenn keine Tumorgewebeprobe gewonnen werden kann.

Ein genauer Blick in die „Mülltüten“ von Tumorzellen könnte die Therapie von Patientinnen und Patienten mit bestimmten Hirntumoren, sogenannten Meningeomen, verbessern. Bei dem zellulären Abfall, den Dr. Maximilian Deng, Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), im Blick hat, handelt es sich unter anderem um Bruchstücke der Erbinformation (DNS) der Hirntumorzellen, die diese, in Fetthüllen eingetütet, ins Blut abgeben. In den kommenden zwei Jahren wird er – finanziert durch ein Else Kröner Memorialstipendium – untersuchen, ob die Analyse dieser DNS-Fragmente zuverlässig Auskunft über die Aggressivität des jeweiligen Meningeoms, sein Ansprechen auf die Bestrahlung oder ein Wiederauftreten nach der Behandlung geben können. Profitieren würden davon insbesondere Patientinnen und Patienten, bei denen der Tumor nicht operativ entfernt und auch keine Gewebeprobe für die histopathologische Beurteilung des Tumors gewonnen werden kann. Bei ihnen ist bislang keine angepasste Bestrahlungsplanung möglich.

Das Stipendium der Else Kröner-Fresenius-Stiftung ist mit insgesamt 250.000 Euro dotiert. Dank dieser Förderung kann Dr. Deng sich zwei Jahre lang von seinen klinischen Aufgaben freistellen lassen und sich in Vollzeit seinem Projekt widmen. Damit soll, so die Stiftung, sein besonders erfolgversprechendes medizinisches Forschungsvorhaben signifikant weitergebracht und der Grundstein zur wissenschaftlichen Selbständigkeit und zur Karriere als Clinician Scientist gelegt werden. Bundesweit wurden in diesem Jahr neun Stipendien vergeben.

In Deutschland erkranken jährlich etwa 6.000 Menschen an einem Meningeom, einem Tumor der sich aus der Hirnhaut entwickelt. Meningeome sind die häufigsten Hirntumoren bei Erwachsenen. Sie sind zwar überwiegend gutartig, können aber auch hochaggressiv und tödlich sein. Eine zuverlässige Klassifizierung ist daher entscheidend für Therapieplanung und -erfolg. Das Problem: Einteilung und Risikoabschätzung basieren derzeit auf der Beurteilung und genetischen Analysen von Gewebeproben, die während der operativen Entfernung des Tumors gewonnen werden. Ist eine Operation ebenso wie die Entnahme einer Gewebeprobe aufgrund der Lage des Tumors nicht möglich, kann das radioonkologische Behandlungsteam die nötige Bestrahlungsdosis und den nötigen Sicherheitssaum um den Tumor nur abschätzen. „Wir benötigen zusätzliche Informationen, um eine der Tumoraggressivität angepasste Bestrahlungsplanung durchführen und so eine Über- oder Untertherapie für die Patienten vermeiden zu können“, erläutert Dr. Deng.

Diese Informationen könnte das Zellmaterial liefern, das der Tumor, sauber in Fetthüllen verpackt (Exosomen), in den Blutkreislauf entsorgt. Denn selbst wenn es sich dabei nur um DNS-Bruchstücke handelt, könnte ihre chemische Signatur, die sogenannte Methylierung, ausreichend Informationen über den Tumor liefern, vermutet Dr. Deng und will dies nun mit Hilfe der wegweisenden Vorarbeiten der Sektion Molekulare Neuropathologie der Abteilung Neuropathologie am UKHD nachweisen. Die Sektion um Professor Dr. Dr. Felix Sahm entwickelte in den letzten Jahren anhand von Gewebeproben ein molekulares Klassifizierungssystem für Meningeome, das auf eben diesen chemischen (epigenetischen) Signaturen der Tumor-DNS fußt. So kann die bruchstückhafte Information aus den Exosomen im Blut mit den Daten des Klassifizierungssystems abgeglichen werden. Bildlich gesprochen: Wer einzelne Puzzlesteine unter dem Sofa findet, kann sie erst dann einem Motiv zuordnen, wenn er sie mit den Bildern auf den Verpackungen der in Frage kommenden Puzzles vergleichen kann.

Ebenfalls nur unzureichend zu klären ist bislang die Frage, ob und wie schnell ein Tumor nach der Behandlung – egal ob Operation oder Strahlentherapie – weiter- oder nachwächst. Nach Abschluss einer Bestrahlungstherapie ist beispielsweise mittels Magnetresonanztomographie (MRT) zum Teil erst nach vielen Monaten eine Veränderung der Tumorgröße erkennbar und somit klar, ob die Bestrahlung erfolgreich war. „Wir möchten in den kommenden zwei Jahren daher nicht nur prüfen, ob die Exosomen im Sinne einer `Liquid Biopsie´ eine Klassifizierung inoperabler Tumoren erlauben, sondern auch ob sie sich als Biomarker für das Ansprechen auf die Strahlentherapie oder zur Früherkennung von erneutem Wachstum des Meningeoms eignen“, so Dr. Deng. In einer Ende 2023 startenden Studie mit 60 Patientinnen und Patienten, die am UKHD nach aktuellen Therapiestandards behandelt werden, wird er dazu anhand regelmäßiger Bluttests prüfen, wie sich die Menge der Exosomen im Blut nach der Behandlung entwickelt, wann sie nach der Bestrahlung abfällt, ob sie sofort bei Aktivität des Tumors wieder ansteigt oder erst mit Verzögerung wieder messbar wird.

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