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Eiweißveränderungen im Nervenwasser zeigen Entzündungsprozesse im Gehirn an

Alzheimer, Parkinson und andere neurodegenerative Erkrankungen gehen mit Entzündungsprozessen im Gehirn einher. Tübinger Forschenden ist es gelungen, eine Gruppe von Eiweißen im Hirnwasser zu identifizieren, die Rückschlüsse auf solche Entzündungsvorgänge geben könnten. Als sogenannte Biomarker könnten diese Eiweiße künftig helfen, Krankheitsprozesse besser zu verstehen und die Wirkung potenzieller Medikamente gegen diese Entzündungen zu testen.

Das Forschungsteam um Stephan Käser und Professor Dr. Mathias Jucker am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und der Universität Tübingen hat in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Stefan Lichtenthaler vom Münchner Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen seine Studie nun in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.

„Entzündungen im Gehirn sind ein bekanntes Krankheitsmerkmal von Alzheimer und Parkinson“, erklärt Studienleiter Käser. „Dabei spielen sogenannte Mikroglia eine wichtige Rolle.“ Als „Müllschlucker“ schützten diese Zellen normalerweise unser Gehirn vor schädlichen Erregern und Substanzen. Im Fall einer neurodegenerativen Erkrankung seien sie chronisch aktiv und schütteten selbst Stoffe aus. „Es wird vermutet, dass diese Reaktion der Mikroglia, die sich zunächst positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt, später ins Negative umschlägt“, sagt Käser.

Um Informationen über die dynamischen Entzündungsreaktionen im Gehirn zu erhalten, hat das Tübinger Forschungsteam nun nach möglichen molekularen Biomarkern gesucht. Dies sind Substanzen, deren Anwesenheit oder Konzentrationsänderung im Körper auf einen Krankheitsprozess hinweist. Sie lassen sich etwa in Blut, Urin oder anderen Körperflüssigkeiten messen und sind ein wichtiges Instrument der medizinischen Diagnostik oder um einen Krankheitsverlauf zu beobachten.

In der aktuellen Studie analysierten die Neurobiologen Hirnwasser von Mäusen, die charakteristische Merkmale der Alzheimererkrankung oder von Morbus Parkinson zeigen. „Mittels moderner Messtechnik konnten wir in nur zwei Mikrolitern Hirnwasser, also einem winzigen Tropfen, mehr als 600 Eiweiße gleichzeitig messen,“ berichtet Käser. „Wir fanden heraus, dass die Konzentration von 25 Eiweißen bei beiden Mausmodellen gegenüber gleichaltrigen, gesunden Tieren verändert war.“

„Bemerkenswert ist, dass der Großteil dieser Eiweiße von Gliazellen stammt oder mit diesen in Verbindung gebracht werden kann,“ führt der Neurobiologe fort. „Praktisch alle sind auch im menschlichen Hirnwasser nachweisbar und zum Teil bei Alzheimerkranken verändert.“ Die veränderten Konzentrationen der Eiweiße könnten unterschiedliche Aktivierungsstadien der Gliazellen widerspiegeln. Sie hätten damit das Potential, als Biomarker zu dienen.

„Die Möglichkeit, die Entzündungsreaktionen im Hirnwasser zu messen, wäre ein großer Fortschritt,“ erklärt Mitautor Jucker. „Das würde uns erlauben, Erkrankungsstadien besser zu verstehen und auch erste Medikamente gegen diese Entzündungen in klinischen Studien zu testen.“ Die neuen Erkenntnisse aus dem Labor fänden damit praktische Anwendung in der Patientenversorgung und wären somit ein gutes Beispiel für translationale Hirnforschung.

Publikation:

Eninger, Mueller et al. (2022): Signatures of glial activity can be detected in the CSF proteome. PNAS, 119 (24) e2119804119; https://doi.org/10.1073/pnas.2119804119

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/eiweissveraenderungen-im-nervenwasser-zeigen-entzuendungsprozesse-im-gehirn