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Mit Medizintechnik wachsen: Bosch und Randox investieren stark in Vivalytic-Analyseplattform

Bei vielen Erkrankungen kommt es auf jede Minute an: Ob nur eine einfache Erkältung vorliegt, eine Grippe oder gar eine lebensbedrohliche Hirnhautentzündung, das kann zumeist nur durch eine oftmals zeitintensive und teure Labordiagnostik bestimmt werden. Mit seiner Vivalytic-Analyseplattform hat sich Bosch zum Ziel gesetzt, schnelle und hochpräzise Diagnostik am Point-of-Care zugänglich zu machen – und will bis 2030 mit Molekulardiagnostik zu einem führenden Anbieter im Markt werden. Hierfür hat Bosch jetzt eine strategische Partnerschaft mit Randox Laboratories Ltd., einem führenden Diagnostik- und Medizintechnikunternehmen, geschlossen.

Beide Unternehmen investieren rund 150 Millionen Euro in gemeinsame Forschungs-, Entwicklungs- und Vertriebsaktivitäten für neue Tests für die Vivalytic-Analyseplattform von Bosch Healthcare Solutions. Ein Ziel ist dabei die Entwicklung eines In-vitro-Diagnostik-Tests1 für Sepsis, der erstmals auf Basis der hochinnovativen und neuartigen BioMEMS-Technologie umgesetzt werden soll.

Bosch hat die Medizintechnik als ein strategisches Wachstumsfeld definiert. Die Point-of-Care Molekulardiagnostik wird als zukünftiger Milliardenmarkt eingeschätzt. Bosch strebt hier mit seiner Vivalytic-Analyseplattform eine führende Marktposition an. „Mit Spitzentechnologie aus unseren eigenen Laboren und unserer eigenen Fertigung wollen wir langfristig gemeinsam mit Partnern im Bereich Präzisionsdiagnostik wachsen“, sagt Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bosch. „Die Medizintechnik profitiert dabei ganz besonders von unserer diversen Aufstellung, den Kompetenzen und Vorleistungen aus Automatisierung, Miniaturisierung, Molekulardiagnostik sowie von unseren Erfahrungen der Mikrochip-Entwicklung und -Fertigung“, ergänzt Hartung. „Wir investieren langfristig in ein spannendes Hochtechnologie-Wachstumsfeld und entwickeln dieses kontinuierlich mit Partnern weiter. Mit ‚Technik fürs Leben‘ entlasten wir das medizinische Fachpersonal und helfen, Erkrankungen schneller zu diagnostizieren und zu behandeln.“

Gemeinsames Wachstum: dezentrale Diagnostik am Point-of-Care

Bosch Healthcare Solutions und Randox bündeln jetzt ihre Kräfte und streben so eine schnellere Entwicklung und Markteinführung neuer Tests für die Vivalytic-Plattform sowie zugleich auch eine Stärkung der Vertriebswege an. Die Partnerschaft ist auf mehr als zehn Jahre ausgerichtet. Bis 2030 setzen sich beide Unternehmen Umsätze mit Vivalytic im mittleren dreistelligen Millionenbereich als Ziel. „Der globale Trend im Gesundheitswesen geht hin zu dezentraler und personalisierter Diagnostik, die schnelle Interventionen und individuelle Behandlungspläne ermöglicht“, sagt Marc Meier, Geschäftsführer der Bosch Healthcare Solutions GmbH. „Mit unserem Partner Randox wollen wir unser Test-Portfolio für unser Analysegerät Vivalytic weiter ausbauen. Unsere vollautomatisierten, molekulardiagnostischen PCR-Tests schaffen Klarheit direkt am Ort der Probenentnahme, verkürzen Wartezeiten und entlasten das Gesundheitssystem“, so Meier weiter.

Beide Partner ergänzen sich gut: Bosch bringt seine bereichsübergreifende Technologie- und Fertigungskompetenz in der Molekulardiagnostik, Mikrochip-Entwicklung und -Fertigung sowie Miniaturisierung ein. Die universelle Vivalytic-Plattform für Molekulardiagnostik wurde in über zehn Jahren in der Bosch Forschung entwickelt und von Bosch Healthcare Solutions zur Marktreife gebracht. Randox verfügt über 40 Jahre Erfahrung im Design und in der Entwicklung von hochsensitiven In-vitro-Tests, die auf einer Vielzahl von Technologien, einschließlich mikrofluidischer Plattformen, durchgeführt werden. In Verbindung mit der umfassenden Marktkenntnis, dem weltweiten Verkauf und dem Vertriebsnetz ergeben sich erhebliche Wachstumschancen. „Randox hat sich immer für die Verbesserung der Gesundheit weltweit eingesetzt und sieht die Notwendigkeit, in Forschungs- und Entwicklungsinitiativen zu investieren, die die klinische Entscheidungsfindung in einer Vielzahl von Krankheitsbereichen unterstützen werden. Die Diagnostik ist seit jeher ein unverzichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens, und die Verbindung von Wissenschaft und Technologie passt perfekt in einen Bereich mit hohem Wirkungspotenzial, insbesondere in einem von Druck geprägten Umfeld“, sagt Dr. Peter Fitzgerald, Geschäftsführer von Randox Laboratories Ltd.

Bosch Healthcare Solutions und Randox haben bereits während der Coronapandemie zusammengearbeitet. Im Frühjahr 2020 hatte Bosch einen der weltweit ersten vollautomatisierten PCR-Tests für das Coronavirus SARS-CoV-2 auf den Markt gebracht. Der Schnelltest zur Anwendung in Arztpraxen, Altersheimen, Teststationen und Krankenhäuser wurde innerhalb weniger Wochen zusammen mit Randox für das Analysegerät Vivalytic umgesetzt.

Entwicklungsziel: Sepsis-Test auf Basis von BioMEMS-Technologie

Ein Schwerpunkt der Entwicklungspartnerschaft mit Randox liegt auf der Umsetzung eines Hochmultiplex2-Tests für Sepsis auf der Vivalytic- Analyseplattform. Die auch als „Blutvergiftung“ bekannte und potenziell lebensbedrohliche Komplikation3 , welche bei verschiedensten Infektionskrankheiten entstehen kann, ist ein medizinischer Notfall mit Multiorganversagen, der umgehend ärztlich behandelt werden muss. Der Sepsis-Test soll dabei erstmals auf Basis der hochinnovativen und neuartigen BioMEMS-Technologie umgesetzt werden, die Entwicklerteams aus der Bosch Forschung in Renningen sowie von Bosch Healthcare Solutions in Waiblingen entwickelt haben. „Wir verfolgen das ehrgeizige Ziel, unsere Testkartuschen für die Vivalytic-Plattform um die Funktionen eines mikrosystemtechnischen leistungsstarken Silizium-Chips zu erweitern. Dabei kombinieren wir das einzigartige Know-how von Bosch in den Bereichen MEMS-Chips, Molekulardiagnostik und Mikrofluidik“, sagt Marc Meier.

„Die klinischen Ergebnisse bei Sepsis hängen von einer rechtzeitigen Diagnose und einer angemessenen frühen therapeutischen Intervention ab. Die derzeitigen Methoden der Sepsis-Diagnose sind nicht ausreichend und zeitaufwändig. Mit über zehn Jahren Erfahrung auf dem Gebiet der Infektionsdiagnostik wollen wir einen hochmodernen Sepsis-Test entwickeln, der die hochmultiplexe BioMEMS-Technologie nutzt. Ein solcher Test könnte die Sepsis-Diagnose revolutionieren und letztlich zu besseren Behandlungsergebnissen und einer geringeren Sterblichkeitsrate bei dieser lebensbedrohlichen Erkrankung führen“, sagt Dr. Peter Fitzgerald.

Noch kleiner und schneller: Mit BioMEMS von Mikrofluidik zur Nanofluidik

Mit dem leistungsfähigen BioMEMS-Chip wird die Vivalytic-Testkartusche um ein weiteres innovatives Analyseverfahren ergänzt und ermöglicht das gleichzeitige und deutlich schnellere Testen auf eine große Zahl unterschiedlicher Krankheitserreger. BioMEMS bedeutet die Zusammenführung von mikroelektromechanischen Systemen (sog. MEMS) mit Mikrofluidik für Anwendungen im medizintechnischen Bereich. In der Mikrofluidik werden sehr geringe Flüssigkeitsmengen im Mikroliter-Bereich auf kleinstem Raum prozessiert. Durch Miniaturisierung können in Echtzeit parallelisiert qualitative biochemische Polymerase-Kettenreaktionen (PCR) auf einem BioMEMS-Chip ablaufen. „Im Vergleich zu bisherigen PCR-Reaktionen werden die Volumina von Flüssigkeiten um den Faktor 1 000 in den Nanoliter-Bereich reduziert. Die Analyse von Flüssigkeiten wird einem kleinen Mikrochip überlassen“, erklärt Marc Meier. Mit der neuen BioMEMS-Technologie ist der Nachweis von bis zu 250 genetischen Merkmalen4 (z.B. Erreger) in einer Kartusche vollautomatisiert in teils weniger als 15 Minuten möglich. Die Testkartusche ist sozusagen ein hochkomplexes Labor in Smartphonegröße. Ein weiterer Vorteil von BioMEMS ist zukünftig die einfachere und schnellere Anpassung neuer Tests oder respektive bestehender Tests auf dem Chip. So können zum Beispiel auch bestehende Tests einfach um weitere Merkmale erweitert werden. „Die BioMEMS-Technologie ebnet uns den Weg in die Nanofluidik. Ein Erreger wird dabei in einem Reaktionsgefäß mit der Dicke eines Haares untersucht“, sagt Meier. Hierfür will Bosch auf einem MEMS-Chip noch mehr Kapazitäten schaffen und diesen um sogenannte Nanokavitäten erweitern. Nanokavitäten sind sehr kleine Hohlräume auf einem Chip, wodurch noch mehr biochemische Prozesse parallel ablaufen können. Mit zunehmender Miniaturisierung hat die Technologie langfristig das Potential, auch in der Onkologie eingesetzt zu werden. Die BioMEMS-Chips sollen im Bosch Halbleiterwerk in Reutlingen gefertigt werden, wobei die Bio-Integration und der Kartuschenaufbau in Waiblingen bei Bosch Healthcare Solutions erfolgen wird.

Vivalytic-Plattform: Einfache Anwendung am Ort der Probenentnahme

Die Vorteile von PCR-Schnelltests, die mit der Vivalytic-Plattform von Bosch durchgeführt werden, liegen nicht nur in der raschen Analysezeit, sondern auch in der einfachen Handhabung: Ist die Probe entnommen, wird sie in die Testkartusche gegeben. Anschließend wird die Kartusche, die sämtliche für den jeweiligen Test erforderlichen Reagenzien enthält, für die automatisierte Auswertung in den Vivalytic-Analyser eingeführt. Die Bedienung erfordert nur eine kurze Schulung des medizinischen Fachpersonals. Damit ist eine schnelle und gezielte Diagnostik noch am Ort der Probenentnahme – direkt beim Arzt oder im Krankenhaus – ohne den oftmals langen und zeitintensiven Umweg eines Zentrallabors möglich.

Bosch Healthcare Solutions vertreibt bereits unterschiedliche Tests für Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege, wie SARS-CoV-2 – etwa als Pooling-Variante und als Lolli-Test – oder einen Test zur Unterscheidung von SARS-CoV-2, RSV-Virus und Influenza. Weiterhin gibt es Tests für Erreger sexuell übertragbarer Infektionen (STI) und MRSA / SA (sog. „Krankenhauskeim“). Voraussichtlich ab Sommer wird das Portfolio mit Tests auf Keuchhusten (Bordetella holmesii, Bordetella parapertussis und Bordetella bronchiseptica), Harnwegsinfektionen (UTI), bakterielle Hirnhautentzündung (bakterielle Meningitis), die zwei häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten (Chlamydia trachomatis; kurz: CT und Neisseria gonorrhoeae; kurz: NG), Pilzerkrankungen (Candida auris) und um drei Tests für Durchfallerkrankungen (Norovirus, Clostridioides difficile, HSP) ergänzt.

Fußnoten:

1 Bei In-vitro-Diagnostik-Tests werden Proben, wie zum Beispiel Blut oder Speichel, aus dem menschlichen Körper entnommen, die analysiert werden.
2 Hochmultiplex-Test bedeutet, dass ein PCR-Test gleichzeitig sehr viele Erreger testen kann. Im Vergleich dazu kann ein Multiplex-Test bis zu 50 Erreger und ein Lowplex / Single-Test bis zu 10 Erreger nachweisen.
3 Mit etwa 50 Millionen Sepsis-Fällen und 11 Millionen Toten pro Jahr ist Sepsis für etwa 20 Prozent aller Todesfälle weltweit verantwortlich. [https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31954465/].
4 Mit genetischen Merkmalen können Erreger, wie Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten, sowie deren Resistenzen auf Medikamente nachgewiesen oder genetische Mutationen von zum Beispiel Tumoren identifiziert werden.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/mit-medizintechnik-wachsen-bosch-und-randox-investieren-stark-vivalytic-analyseplattform