Neue Hoffnung bei Mitralklappenfehler
Am Universitätsklinikum Tübingen wurde erstmals in Baden-Württemberg ein innovatives Verfahren zur Behandlung schwerer Mitralklappenfehler eingesetzt. Dabei erhielt ein Patient eine biologische Herzklappenprothese über einen Herzkathetereingriff – ohne chirurgische Operation, allein über einen Venenzugang in der Leiste. Die neue Technik ermöglicht nun auch solchen Menschen eine lebenswichtige Therapie, die bislang keine Chance auf eine konventionelle Operation oder einen anderen kathetergestützten Eingriff hatten.
Bei der Mitralklappe handelt es sich um eine der vier Herzklappen. Wenn sie nicht mehr richtig schließt, kann es zu einer sogenannten Mitralklappeninsuffizienz kommen – das Blut fließt zurück in den linken Vorhof, was Herzschwäche und Atemnot zur Folge hat. Besonders bei älteren oder vorerkrankten Patientinnen und Patienten ist ein offener chirurgischer Eingriff oft zu riskant. Für sie eröffnet die neue Methode erstmals eine therapeutische Option.
„Die Implantation erfolgt in zwei Schritten: Zuerst setzen wir eine Ankerspule, den sogenannten Dock, im Halteapparat der defekten Klappe ein“, erklärt Prof. Dr. Tobias Geisler, Kardiologe an der Medizinischen Universitätsklinik. „In einem zweiten Eingriff bringen wir dann die biologische Klappenprothese – die Sapien 3 – exakt in diese Verankerung ein. Alles erfolgt schonend über einen Katheter durch die Leistengefäße und einen Zugang über die Vorhofscheidewand, den sogenannten transseptalen Zugang.“ Das Verfahren erhielt im April dieses Jahres nach positiven Studienergebnissen die CE-Zulassung. „Wir freuen uns sehr, dass wir als eines der ersten Zentren in Deutschland Patientinnen und Patienten diese neue Therapie anbieten können“, so Prof. Geisler.
Zweischritt-Verfahren ersetzt defekte Mitralklappe
Die Besonderheit der Methode liegt in ihrem Aufbau: Anders als bei bisherigen Ansätzen, bei denen nur repariert oder mit komplexen Haltesystemen gearbeitet wurde, kann hier die defekte Klappe vollständig durch eine neue biologische Prothese ersetzt werden – ohne dass der Brustkorb geöffnet werden muss. Dabei wird zunächst ein stabiler Verankerungsring in der Nähe der alten Klappe implantiert. In einem zweiten Schritt wird die stentgetragene Prothese präzise an dieser Verankerung platziert.
Die erste Implantation in Tübingen fand Ende Juli statt und verlief erfolgreich. Der Patient konnte das Krankenhaus wenige Tage nach dem Eingriff in gutem Allgemeinzustand verlassen.
Mit dem neuen Verfahren lassen sich künftig auch Hochrisikopatientinnen und -patienten behandeln, für die es bislang keine Therapieoption gab. Die Medizinische Universitätsklinik Tübingen plant, das Verfahren im Rahmen weiterer Behandlungen und Studien zu etablieren.