zum Inhalt springen
Digital Health

Neue Wege in der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum

Wie kann die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum zukunftsfest gemacht werden und welche Rolle können digitale Lösungen dabei spielen? Darüber wurde beim Auftakt der Wanderausstellung „Gemeinsam für Gesünder“ am 9. Juli in Bad Wildbad diskutiert, die bis zum 11. Juli zu sehen war. Sie wurde an zwei Tagen vom Digital Health Bus der Koordinierungsstelle Telemedizin begleitet.

Medikamente aus dem 3D-Drucker, Künstliche Intelligenz zur Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen und maßgeschneiderte Therapien gegen Krebs oder Parkinson – die Medizin erreicht immer wieder Meilensteine, die helfen, neue Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zu finden und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten. Auch die Digitalisierung eröffnet inzwischen immer mehr neue Wege, um die Gesundheitsversorgung noch besser auf die Patientinnen und Patienten auszurichten.

Anschauliche Beispiele für neue Ansätze in der Gesundheitsversorgung

Welche Rolle Innovationen in der Medizin von morgen spielen können und welchen Beitrag das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg dabei leistet, die hiesigen Akteurinnen und Akteure fit für die Zukunft zu machen – darüber informiert die Wanderausstellung „Gemeinsam für Gesünder“, die vom 9. bis 11. Juli in Bad Wildbad zu sehen war. Auf zehn Präsentationsflächen erfahren die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher in Text, Grafik, Video und Audio, vor welchen Herausforderungen das Gesundheitswesen der Zukunft steht, welche Rolle die Digitalisierung spielt und wie in Baden-Württemberg daran gearbeitet wird, dass alle Bürgerinnen und Bürger vom medizinischen Fortschritt profitieren können.

Telemedizin zum Anfassen im Digital Health Bus

Parallel zur Ausstellung war zudem der Digital Health Bus der Koordinierungsstelle Telemedizin an zwei Tagen in Bad Wildbad vor Ort. Hier konnten die Besuchenden live erfahren, wie eine Videosprechstunde funktioniert, was VR-Brillen leisten können und welche digitalen Gesundheitsanwendungen bereits heute per Rezept zu erhalten sind.

Bei der Auftaktveranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion ging es vor allem um die Frage, welches Potenzial digitale Lösungen für die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum haben, vor welchen Herausforderungen man hier steht und wie erste Modellprojekte des Forums Gesundheitsstandort in Baden-Württemberg ganz konkret neue Wege gehen.

Großes Potenzial für intelligente Nutzung von Gesundheitsdaten

In der Einführung unterstrich Michael Kleiner, Amtschef im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus die große Bedeutung von Gesundheitsforschung, Gesundheitswirtschaft und Gesundheitsversorgung für das Land Baden-Württemberg. „Wir haben hier einen großen Schatz an Expertise, den wir nutzen müssen, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.“ Großes Potenzial sieht die Landesregierung dabei in der intelligenten und datenschutzkonformen Nutzung von Gesundheitsdaten, wofür man mit der im Juni veröffentlichten Gesundheitsdatenroadmap eine wichtige Basis geschaffen habe.

Zentrale Rolle der Hausärzte bei der Umsetzung digitaler Lösungen

In seiner Keynote betonte Prof. Dr. Joachim E. Fischer, Direktor des Mannheimer Instituts für Public Health, Universitätsmedizin Mannheim, dass die Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte eine elementare Rolle spielt, um Digital Health in der Praxis auf die Straße zu bringen. Wie diese in ihrer täglichen Arbeit ganz konkret unterstützt werden können und wie auch beim medizinischen Nachwuchs für den Beruf des Allgemeinmediziners Begeisterung geschaffen werden kann, stellte er am Beispiel des Forum-Projekts Ambigoal vor. „Wir sehen hier, dass die jungen Medizinerinnen und Mediziner sich durchaus für den Beruf des Allgemeinmediziners interessieren. Aber wir müssen die Rahmenbedingungen für Hausärzte verbessern, damit eine solche Stelle als attraktiver Beruf angesehen wird. Das ist leider im Moment vielerorts nicht der Fall und hier müssen wir dringend mehr tun“, beschrieb Fischer die aktuelle Situation. Unter dem Dach von Ambigoal und des Digital Black-Forest Programms im Schwarzwald sind die Forschenden dabei zu evaluieren, wie digitale Lösungen den Alltag von Hausärztinnen und Hausärzten konkret verbessern können. „Wir müssen uns fragen, welche Aufgaben tatsächlich von Ärzten und welche von nicht-ärztlichem Personal übernommen werden können. Das schafft Entlastung bei den Hausärzten und kommt allen zugute.“

Regionale Politik engagiert sich für Telemedizin-Sprechstunde im Rathaus

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, Alternativen zu finden, wenn eine Praxis im ländlichen Raum schließen muss. Klaus Mack, MdB und Vorsitzender des Regionalverbands Nordschwarzwald betonte, dass die regionale Politik inzwischen verstanden hat, dass sie hier selbst aktiv werden muss. „Die Kooperation mit der Universitätsmedizin Mannheim und uns im Regionalverband Nordschwarzwald ist dafür enorm wichtig“, so Mack.

Mit dem Praxisbeispiel der Telemedizin-Rathaussprechstunde in Enzklösterle demonstrierte Sabine Zenker dann auch, dass sich durch digitale Lösungen gute Alternativen zur Hausarztpraxis entwickeln lassen. „Wir haben nun nicht nur unseren Telemedizin-Raum im Rathaus eingerichtet, sondern auch zwei Medizinische Fachangestellte eingestellt, die die Terminvergabe und -durchführung vor Ort betreuen werden“, so Zenker. Zunächst sollen so allgemeinmedizinische Sprechstunden mit Hausarztpraxen in der Region angeboten werden. Einfache medizinische Diagnostik wie Blutdruck- oder Fiebermessungen sind ebenfalls möglich. Langfristig will Zenker auch Termine mit Fachärztinnen und -ärzten telemedizinisch abwickeln können. „Dann wären wir in Enzklösterle dank der digitalen Vernetzung eine der wichtigsten Versorgungssäulen in unserer Region“, so die Rathausmitarbeiterin.

Tempo bei der Umsetzung der Digitalisierung muss schneller werden

Dass es nicht an den Ideen mangelt, wenn es um digitale Gesundheitsversorgung geht, zeigte auch die Podiumsdiskussion. „Was uns fehlt ist Tempo. Wir müssen einfach schneller werden und digitale Lösungen nicht nur diskutieren, sondern umsetzen“, betonte Hartmut Keller von der AOK Nordschwarzwald und verwies auf erste Pilotprojekte zum eRezept im Jahr 2004. „Das hat damals schon wunderbar geklappt, aber nun ist es immer noch nicht flächendeckend eingeführt“, so Keller. Ob technische Abwicklung im Detail oder Datenschutz – viele Herausforderungen müssen noch gestemmt werden, um digitale Innovationen im Gesundheitsbereich auch auf die Straße zu bringen, so das Fazit der Diskussionsteilnehmenden. „Mit dem Forum haben wir eine ideale Plattform geschaffen, genau diese Gespräche mit allen relevanten Beteiligten zu führen“, bilanzierte Prof. Dr. Ralf Kindervater, Moderator und Leiter der Geschäftsstelle des Forums Gesundheitsstandort. Auf diese Weise könne auch langfristig dafür gesorgt werden, Baden-Württemberg als Spitzenstandort für medizinische Innovationen zu halten sowie ganz konkrete Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.

Wie digital gedruckte Arzneimittel ihren Weg in die Praxis finden

Dass Ideen aus der Forschung zeitnah ihren Weg in die Versorgung finden, zeigte denn auch das Beispiel des Unternehmens DiHeSys. Gründer Gerald Huber war unter den Gästen der Veranstaltung und berichtete über den aktuellen Stand der Einführung des 2D/3D-Druckers für verschiedenen Indikationen. Der Digitaldruck ermöglicht eine individuelle Dosierung von Arzneimitteln und liefert damit die Basis für eine wirklich personalisierte Medizin. Dies ist insbesondere bei Krankheiten wie Krebs oder in der Transplantationsmedizin relevant, in der die individuelle Dosierung von Wirkstoffen für deutlich weniger Nebenwirkungen der Therapie sorgen kann. Vor vier Jahren ist Huber mit seiner Idee gestartet, inzwischen sind erste Geräte im Einsatz – etwa am Uniklinikum in Tübingen. Derzeit plant Huber den Aufbau des Digitaldruckers in einer Apotheke in Berlin. „Wir stehen jetzt kurz davor, in die breite Skalierung zu gehen. Die größte Herausforderung besteht dabei auf regionaler Ebene tatsächlich darin, von den lokalen Behörden die Freigabe für den Druck zu erhalten“, erläuterte Huber. Zwar werden nur bereits zugelassene Wirkstoffe und Komponenten genutzt, das Gerät ist ebenfalls zugelassen, aber der 3D-Druck von Arzneimitteln ist noch nirgends konkret geregelt. Huber: „Wir befinden uns hier auf neuem Terrain, sodass auch die Behörden erstmal lernen müssen, wie sie mit uns umgehen sollen. Ein einheitlicher rechtsicherer Rahmen dafür wäre natürlich wünschenswert, damit wir nicht an jedem neuen Standort wieder von vorn anfangen müssen.“

Was es mit dem Digitaldruck auf sich hat, können alle Interessierten im Übrigen auch auf der Webseite zur Ausstellung erfahren. Es ist eines von mehr als 60 Modellprojekten im Land, die im Rahmen des Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg gefördert werden. Viele weitere Beispiele werden auf der Ausstellungswebsite www.gemeinsamfuergesuender.de mit weiterführenden Infos anschaulich dargestellt.

Impressionen

Die erste Station der Wanderausstellung „Gemeinsam für Gesünder“ fand vom 9.-11. Juli in den Räumen des Forum König-Karls-Bad statt – einem historischen Bad im Zentrum von Bad Wildbad, das heute frei besichtigt werden kann. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Der Kurort Bad Wildbad liegt an der Enz im Nordschwarzwald und ist bei Touristen sehr beliebt. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Vor dem Forum König-Karls-Bad hat der Digital Health Bus der Koordinierungsstelle Telemedizin Station gemacht und zum Selbst-Entdecken der digitalen Gesundheitslösungen eingeladen. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Bei einem Ausstellungsrundgang erfuhren Klaus Mack (ganz links), MdB und Vorsitzender des Regionalverbandes Nordschwarzwald, sowie Michael Kleiner (ganz rechts), Amtschef des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Touristik von Prof. Gerald Huber (Mitte), Gründer des Unternehmens DiHeSys, wie der von ihm mitentwickelte Digitaldrucker für Arzneimittel funktioniert. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Der 2/3D-Druck von Arzneimitteln ist eines der Modellprojekte aus Baden-Württemberg, die in der Ausstellung präsentiert werden und die im Rahmen des Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg eine Förderung erhalten. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Prof. Gerald Huber von DiHeSys vor der Ausstellungswand, auf der ‚seine‘ Idee vorgestellt wird. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Beim Auftakt der Wanderausstellung stellten mehrere Expertinnen und Experten ihre Sicht auf das Thema „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“ vor (v.l.n.r.): Michael Kleiner (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, Land Baden-Württemberg); Hartmut Keller (AOK Nordschwarzwald), Prof. Ralf Kindervater (Leiter Geschäftsstelle Forum Gesundheit Baden-Württemberg). © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Michael Kleiner (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, Land Baden-Württemberg) im Gespräch mit Prof. Dr. Kindervater (Geschäftsstelle Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg) und Prof. Dr. Joachim Fischer (Universitätsmedizin Mannheim/Universität Heidelberg). © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Michael Kleiner vom Landeswirtschaftsministerium stellt die Strategie der Landesregierung zum Forum Gesundheitsstandort vor. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Sabine Zenker erläutert die Details der telemedizinischen Rathaussprechstunde in Enzklösterle, die im Rahmen des Ambigoal-Projekts entwickelt wurde. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Die Wanderausstellung „Gemeinsam für Gesünder“ war im Forum König-Karls-Bad in Bad Wildbad zu Gast. © Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/neue-wege-der-gesundheitsversorgung-im-laendlichen-raum