SYMPATHJA: Sensorbasiertes Diagnostiksystem für Jugendliche mit psychischen Erkrankungen
Ein neues sensorbasiertes Diagnostiksystem soll helfen, unter anderem Jugendliche mit Psychosen besser zu behandeln. Mit einem Auftakttreffen in Tübingen ist das Projekt SYMPATHJA am 10. November durchgestartet. Dabei geht es darum, mittels Sensoren Bewegungsabläufe der Patienten zu analysieren, da diese bei psychotischen Erkrankungen verändert sein können, und so beispielsweise frühzeitig Hinweise für Therapieverläufe liefern. Das Diagnostiksystem soll auch außerhalb der Klinik alltagstauglich eingesetzt werden können. Beteiligt sind an dem Modellvorhaben das Universitätsklinikum Tübingen, das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und die HB Technologies AG. Die BioRegio STERN Management GmbH koordiniert begleitend den Aufbau der Plattform AIM (Access for Innovation in Medical technology), die zukünftig die Zusammenarbeit bei Entwicklungsprojekten dieser Art zwischen Industrie und Klinik vereinfachen soll.
Psychotische Erkrankungen gehen oft mit motorischen Störungen einher, die sowohl krankheitsbedingt als auch im Rahmen von Nebenwirkungen von Antipsychotika auftreten können. Die klinische Routine bei psychotischen Erkrankungen beinhaltet daher auch die Untersuchung von Bewegungsabläufen: Ein neu aufgetretenes schleppendes Gangbild kann dabei beispielsweise auf eine zu hohe Dosierung hinweisen. Im Projekt SYMPATHJA soll ein „System zur Erkennung von motorischen Störungen bei Psychosen und unter Anti-Psychotika-Therapie bei Jugendlichen im Alltag“ entwickelt werden, das eine weit frühzeitigere Erkennung von auch subtilen motorischen Veränderungen ermöglicht.
In SYMPATHJA werden Bewegungssensoren mit Herzratenvariabilitätsmessungen kombiniert und anhand der Analyse der gewonnen Daten können Anpassungen der aktuellen Therapie erfolgen und so Nebenwirkungen reduziert werden. Während bisher Ärzte nur Momentaufnahmen beurteilen können, werden die Patienten mithilfe der Sensoren künftig im zeitlichen Verlauf betrachtet, ohne dass dafür ein Klinikaufenthalt erforderlich ist.
Für Prof. Tobias Renner, Ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Tübingen und seine Kollegen Prof. Annette Conzelmann, Forschungsgruppenleiterin, und Dr. Gottfried Barth, stellvertretender Ärztlicher Direktor, ist das Diagnostiksystem SYMPATHJA ein wichtiger Fortschritt zur Therapieüberwachung bei Jugendlichen mit Psychose. „Dieses hoch innovative Forschungsprojekt eröffnet neue Möglichkeiten in der Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen und auch in der Prävention von Rückfällen“, erwartet Prof. Renner.
Dr. Steffen Hüttner ist CEO der HB Technologies AG und verantwortet gemeinsam mit Dr. Mirko Jaumann, CTO und COO, die Entwicklung der Sensoren und der entsprechenden IT als Projektkoordinator von SYMPATHJA. „Die in diesem Projekt erhobenen Sensordaten aus dem Alltag der Patienten sind sehr komplex und müssen in den richtigen Kontext gesetzt werden“, erklärt Dr. Hüttner. „Das System muss automatisch erkennen, welche Bewegungsabläufe ausgeführt werden, was aufgrund der Variabilität bei Alltagsbewegungen eine echte Herausforderung ist. Diese Bewegungskomponenten und aufkommende Stress-Situationen sollen durch multivariate Sensoranalyse mittels Data Science und KI identifiziert und analysiert werden. Aus diesem dynamischen Prozess entsteht eine umfangreiche Datenbasis.“ Das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung ist dabei Projektpartner. Es verfügt über langjährige Erfahrung, krankheits- und therapie-induzierte Bewegungsstörungen zu quantifizieren.
Eine weitere zentrale Frage, die im Rahmen des Modellvorhabens SYMPATHJA bearbeitet wird, ist die datenschutzkonforme und standardisierte Bereitstellung von klinischen Daten. Es ist Teil des Vorhabens „Zentralstelle für Innovationen in der Medizintechnik“ (ZIMT), das von der BioRegio STERN koordiniert wird. ZIMT zielt darauf ab, eine Plattform mit dem Titel AIM zu entwickeln, die als innovativer Service die Zusammenarbeit von Industrie und Kliniken vereinfachen soll.
Dr. Klara Altintoprak, Projektmanagerin der BioRegio STERN Management GmbH: „AIM soll den erforderlichen intelligenten und sicheren Datenraum generieren. Die geplanten Services, die auf der neuen Industrie-in-Klinik-Plattform implementiert werden können, werden mit SYMPATHJA erstmals entwickelt und erprobt.“ Die AIM-Plattform könnte künftig die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Kliniken deutlich vereinfachen. Als eine Art „One-Stop-Shop“ bietet sie standardisierte Prozesse und einen zentralen Ansprechpartner, der Unternehmen durch die klinischen Abläufe begleitet – auch um eine sichere und regelkonforme Bereitstellung von Gesundheitsdaten für Forschungs- und Innovationsprojekte zu ermöglichen.
Die BioRegio STERN Management GmbH ist Koordinator des ZIMT-Projektes, in dem die Plattform AIM aufgebaut und SYMPATHJA erprobt wird. Sowohl das Modellvorhaben SYMPATHJA als auch das Vorhaben ZIMT werden vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) im Aktionsfeld „Gesundheitswirtschaft“ des Rahmenprogramms „Gesundheitsforschung“ gefördert. Ziel ist es, industrieorientierte Services für die Zusammenarbeit mit Kliniken zu optimieren und gleichzeitig das klinische Personal zu entlasten: beispielsweise durch Vermittlung von Expertengesprächen in der Klinik, Verwertung von Ressourcen und Daten innerhalb der Klinik oder Beratung zu regulatorischen, strategischen, organisatorischen und klinischen Fragestellungen.