Neue Versorgungsformen
Tübinger Institut für Allgemeinmedizin und AOK Baden-Württemberg erfolgreich beim bundesweiten Innovationsfonds
Wissenschaftler prüfen neue Versorgungsformen für Patienten: Beim Hausarzt gleich die Haut checken lassen. Dermatologen beurteilen Hauterkrankungen telemedizinisch mit Hilfe von Videos und Bildern aus der Hausarztpraxis.
Zu den neuen Versorgungsformen, die mit Mitteln aus dem Innovationsfonds der Bundesregierung** gefördert werden, gehört ein Projekt des Instituts für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung am Universitätsklinikum Tübingen und der AOK Baden-Württemberg. In dem Projekt, das für drei Jahre mit insgesamt rund zwei Millionen Euro gefördert wird, soll wissenschaftlich untersucht werden, ob durch Telemedizin die medizinische Versorgung bei Hauterkrankungen auf dem Land verbessert werden kann. Bilder von Hautveränderungen werden vom Hausarzt unter Beachtung des Datenschutzes an einen Dermatologen übermittelt und aus der Ferne analysiert und bewertet. Nach einer einjährigen Testphase werten die Versorgungsexperten des Universitätsklinikums Tübingen aus, ob die Versorgung von Patienten mit Hauterkrankungen im neuen Versorgungsmodell schneller als bisher, effizienter und ohne Qualitätsverlust erfolgen kann.
Ziel des Innovationsfonds ist es, die Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung qualitativ weiter zu entwickeln. Die Bundesregierung fördert damit neue Versorgungsformen, die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen, und Versorgungsforschungsprojekte, die auf einen Erkenntnisgewinn zur Verbesserung der bestehenden Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgerichtet sind.
Implementierung teledermatologischer Konsile in die hausärztliche Versorgung
Unter einem Konsil versteht man bei der Behandlung eines Patienten die Beratung eines Arztes durch einen anderen Arzt, meist einen Facharzt . In dem vorliegenden Projekt zieht der Hausarzt bei einer Erkrankung der Haut einen Dermatologen via Telemedizin hinzu, um das Krankheitsbild fachärztlich beurteilen zu lassen. Die Telemedizin bietet hier eine Möglichkeit, die medizinische Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Hindernisse, wie eine zu große Entfernung zur Facharztpraxis oder zeitliche Engpässe in der ärztlichen Versorgung, lassen sich durch den ärztlichen Austausch über Video oder Internet verringern. Die Erkrankungen der Haut eignen sich dafür besonders, da Hautveränderungen standardisiert fotografiert und vom Dermatologen aus der Ferne analysiert und bewertet werden können.
Prof. Dr. med. Stefanie Joos, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstitutes: “Ziel des Projektes ist es, die Versorgung von Patienten mit Hauterkrankungen in der Hausarztpraxis durch telemedizinische Konsile zu verbessern.“
Dafür wird in 50 Hausarztpraxen, die an der hausarztzentrierten Versorgung der AOK Baden-Württemberg und ihrer Vertragspartner teilnehmen, ein teledermatologisches Konsilsystem implementiert. Die übermittelten Informationen werden von Dermatologen gesichtet und bewertet. Die Diagnose wird zusammen mit Empfehlungen über das Telekonsilsystem wieder an den Hausarzt zurückgemeldet. Ärzte und Medizinische Fachangestellte aller teilnehmenden Hausarztpraxen sowie teilnehmende Dermatologen erhalten zur Bedienbarkeit des Telekonsilsystems eine IT-technische Anwenderschulung.
„Wir fördern bereits seit Jahren den engen Austausch zwischen Haus- und Fachärzten zum Nutzen der Versicherten“, erklärt Jürgen Graf von der AOK Baden-Württemberg. „Von TeleDerm versprechen wir uns praxisnahe Erkenntnisse darüber, wie Patienten durch IT-gestützte Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten schnell Sicherheit durch eine fachärztliche Diagnose erlangen und ggf. eine geeignete Therapie aufnehmen können.“
Nach einer einjährigen Testphase wird geprüft, ob die Versorgung von Patienten mit Hauterkrankungen im neuen Versorgungsmodell bei gleichbleibender Qualität schneller und effizienter ist als in der Regelversorgung. Ausgewertet werden neben der Anzahl der Überweisungen zum Dermatologen auch die Behandlungsergebnisse, die Patientenzufriedenheit und die Akzeptanz bei Ärzten und Patienten. Das Projekt wird für drei Jahre mit insgesamt ca. zwei Millionen Euro gefördert.
Im Erfolgsfall kann das Modell bundesweit übertragen werden. Denkbar ist auch eine Ausweitung auf weitere medizinische Berufsgruppen und Krankheitsgebiete, bei denen Bildaufnahmen bei der Diagnosestellung besonders wichtig sind (z.B. Augenheilkunde).
** Der Innovationsfonds und der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss:
Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz erhielt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Auftrag, neue Versorgungsformen, die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen, und Versorgungsforschungsprojekte, die auf einen Erkenntnisgewinn zur Verbesserung der bestehenden Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgerichtet sind, zu fördern. Übergeordnetes Ziel des Innovationsfonds ist eine qualitative Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.
Die Bundesregierung hat zu diesem Zweck einen Innovationsfonds aufgelegt. Die zur Verfügung stehende Fördersumme beträgt in den Jahren 2016 bis 2019 jeweils 300 Millionen Euro jährlich. Hierbei sind 225 Millionen Euro für die Förderung neuer Versorgungsformen und 75 Millionen Euro für die Versorgungsforschung vorgesehen. Die Mittel für den Fonds werden von den gesetzlichen Krankenkassen und aus dem Gesundheitsfonds getragen.
Beteiligte Institutionen
Konsortial- und Kooperationspartner: Krankenversicherung AOK-BW; Telemedizinisches Zentrum KSYOS/Niederlande; Fachhochschule Reutlingen, Medizinische Informationssysteme; Institut für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie, Universitätsklinikum Tübingen; Fachbereich Health Services Management, LMU München; AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Hautklinik Universitätsklinikum Tübingen; HÄVG/Hausärztliche Vertragsgemeinschaft AG; Deutscher Hausärzteverband - Landesverband Baden-Württemberg; MEDIVERBUND AG , MEDI Baden-Württemberg e.V.