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Affimed GmbH

„Innate cell engager“ im Kampf gegen Krebs

Im Kampf gegen Krebszellen setzt die Heidelberger Firma Affimed GmbH ganz auf die Waffen des angeborenen („innate“) Immunsystems. Sie hat spezielle „Innate cell engager“ in Form von bispezifischen Antikörpern entwickelt, die Tumorzellen erkennen und mit natürlichen Killerzellen und Makrophagen zusammenbringen, die die Krebszellen daraufhin zerstören. Klinische Studien mit dem Molekül AFM13 zeigen, dass dieser Ansatz sehr erfolgversprechend ist und bisher ein vertretbares Sicherheitsprofil aufweist.

Die gegenwärtigen Krebs-Immuntherapien konzentrieren sich auf die Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen der erworbenen Immunabwehr, die Tumorzellen anhand spezifischer Strukturen (Antigene) auf der Oberfläche erkennen und sie dann vernichten. Mit dieser Strategie wurden in den letzten Jahren beachtliche Erfolge erzielt, allerdings traten zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen aufgrund überschießender Immunreaktionen auf.

Zellen des angeborenen Immunsystems, zum Beispiel natürliche Killerzellen (NK-Zellen) und Makrophagen, arbeiten nach einem anderen Prinzip. Sie sind permanent aktiv und überprüfen die körpereigenen Zellen auf der Suche nach generellen Veränderungen. Gesunde Zellen besitzen eine Oberflächenstruktur, die hemmende Signale an die NK-Zelle sendet und so einen Angriff verhindert. Tumorzellen hingegen haben ein stark verändertes Oberflächenprofil und werden deshalb erkannt und zerstört. In einigen Fällen gelingt es ihnen allerdings, sich vor den Immunzellen zu verstecken (Immunevasion). Erste Studien zeigen nun, dass durch eine zielgerichtete Verknüpfung von Tumorzellen mit Zellen des angeborenen Immunsystems eine wirksame Eliminierung dieser „unsichtbaren“ Krebszellen erreicht werden kann.

AFM13 rekrutiert Zellen des angeborenen Immunsystems

Porträtfoto von Dr. Adi Hoess dem CEO der Affimed GmbH
Dr. Adi Hoess leitet seit 2011 als CEO die Affimed GmbH. © Affimed GmbH

Die im Jahr 2000 von Prof. Dr. Melvyn Little gegründete Firma Affimed war ursprünglich auf die Herstellung von klassischen rekombinanten Antikörpern fokussiert. In den letzten 15 Jahren hat sie sich der Entwicklung von bispezifischen Antikörperformaten zugewandt und forscht zudem als eine der ersten Firmen an der Nutzung der angeborenen Immunität für die Krebstherapie. 

Aus diesen Arbeiten ist der „Innate cell engager“ AFM13 hervorgegangen, ein tetravalentes, bispezifisches Antikörpermolekül, ein sogenannter TandAb. Hierbei handelt es sich um ein Protein, das aus insgesamt vier Antigen-Bindedomänen besteht, von denen jeweils zwei identisch sind. Zwei dieser Domänen erkennen das Antigen CD30, ein Oberflächenprotein, das vermehrt auf Tumorzellen des lymphatischen Gewebes auftritt zum Beispiel beim Hodgkin-Lymphom oder einigen T-Zell-Lymphomen. Die anderen beiden Domänen binden an CD16A, einen aktivierenden Rezeptor auf der Oberfläche von zum Beispiel NK-Zellen, der bei Bindung die Ausschüttung zytotoxischer Proteine auslöst. Der TandAb ermöglicht es der NK-Zelle also, den Tumor gezielt zu erkennen und zu vernichten.

Seit 2015 wird der „Innate cell engager“ AFM13 weltweit in mehreren Phase-II-Studien an Patienten getestet, die auf keine herkömmliche Therapie mehr ansprechen. Die gezielte Stimulation der NK-Zellen zeigt bislang ein akzeptables Sicherheitsprofil und ist gut verträglich. Das bei der Aktivierung von T-Zellen häufig beobachtete Tumorlyse-Syndrom oder ein Zytokinsturm, die beide zu lebens­bedrohlichem Organversagen führen können, traten nicht auf.

Schematische Darstellung der Funktionsweise von „innate cell engagern“. Sie verknüpfen NK- und Tumorzellen und stimulieren so die zytotoxische Aktivität der NK-Zellen, was zur Zerstörung der Tumorzelle führt.
„Innate cell engager“ verknüpfen NK-Zellen oder Makrophagen mit Tumorzellen und stimulieren so die zytotoxische Aktivität der Immunzellen, die zur Zerstörung der Tumorzelle führt. © Affimed GmbH

In Patienten mit CD30-positivem T-Zell-Lymphom konnte die AFM13-Monotherapie eine vielversprechende Ansprechrate erreichen: Bei 50 Prozent der Patienten kam es zur partiellen oder sogar kompletten Remission des Tumors. Eine auf die Zulassung ausgerichtete Studie mit AFM13 als Monotherapie läuft gegenwärtig. 

Bei Patienten mit Hodgkin-Lymphom war der anti-tumorale Effekt weniger ausgeprägt, deshalb wird AFM13 nun in Kombinationstherapie erprobt. Durch die zusätzliche Gabe des Checkpoint-Inhibitors anti-PD-1, der eine Schwächung der erworbenen Immunantwort durch die Tumorzelle verhindert, konnte eine Ansprechrate von beinahe 90 Prozent erzielt werden.

Außerdem kooperiert Affimed mit dem MD Anderson Cancer Center (MDACC) in Texas, um AFM13 in Kombination mit NK-Zellen, die aus gesunden Spendern gewonnen wurden, in CD30-positiven Lymphom-Patienten zu erproben. In diesem neuartigen Ansatz sollen die NK-Zellen das durch vorangegangene Chemotherapien geschwächte angeborene Immun­system der Patienten unterstützen. Präklinische Daten zeigten, dass eine derartige Vorgehensweise äußerst vielversprechend ist, und eine Phase-I-Studie ist in Vorbereitung.

Das MDACC konnte darüber hinaus bereits zeigen, dass die Gabe genetisch veränderter CAR-NK-Zellen, die auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für Tumorantigene auf B-Zell-Lymphomen tragen, sehr erfolgreich und gut verträglich ist1

„Im Gegensatz zu CAR-NK-Zellen benutzen wir nicht-manipulierte und hochaktive NK-Zellen, zu denen wir unseren „Innate cell engager“ geben. Dieser bindet an die NK-Zellen, was zu einer mit AFM13 beladenen Zelle führt. Dabei ist die hohe Bindungsaffinität das wichtigste Merkmal unseres „Innate cell engager“, welches das Pre-Loading erst möglich macht“, erklärt Adi Hoess, seit 2011 CEO von Affimed, die Strategie seiner Firma.

„Innate cell engager“ wirken auch auf die erworbene Immunantwort

Schematische Darstellung der Kommunikation zwischen den Zellen der angeborenen und erworbenen Immunität. „innate cell engager“ aktivieren NK-Zellen und Makrophagen, die wiederum tumorspezifische T-Zellen stimulieren.
Kommunikation zwischen der angeborenen („innate“) und erworbenen („adaptive“) Immunabwehr. Der „Innate cell engager“ (ICE) verknüpft die Tumorzelle mit Zellen des angeborenen Immunsystems, die wiederum tumorspezifische T-Zellen stimulieren. © Affimed GmbH

Der vom „Innate cell engager“ gebundene Rezeptor CD16A befindet sich neben NK-Zellen auch auf Makrophagen, sodass diese ebenfalls rekrutiert und aktiviert werden. Neben der direkten Beseitigung der Tumorzellen stimulieren die Zellen des angeborenen Immunsystems also zusätzlich die erworbene Immunantwort.

„Durch die Aktivierung beider Teile des Immunsystems hoffen wir, die Heilungschancen der Patienten deutlich zu verbessern. Das ist das große Ziel, das wir verfolgen: Wir wollen den Patienten in die Lage versetzen, den Tumor mithilfe seines eigenen Immunsystems zu eliminieren“, verdeutlicht Hoess, unter dessen Leitung sich Affimed zu einem „Drug Discovery and Development“-Unternehmen entwickelt hat.

Die ROCK®(redirected optimized cell killing) Plattform

Um nicht jedes bispezifische Antikörpermolekül von Grund auf neu konstruieren zu müssen, hat Affimed die ROCK®Plattform entwickelt, die eine Vielzahl unterschiedlicher Antikörperformate enthält2. Neben TandAbs können auch größere, IgG-basierte Moleküle produziert werden, die längere Halbwertzeiten haben, was in der Therapie von Vorteil sein kann. Durch Austausch der Tumorantigen-Bindedomäne lassen sich innerhalb weniger Monate neue Kandidaten herstellen. 90 Prozent des Konstrukts bleiben dabei unverändert, sodass alle Moleküle dieselbe hohe Qualität besitzen.

Mit AFM24 wird zurzeit ein IgG-basiertes bispezifisches Antikörpermolekül in klinischen Phase-I-Studien getestet, das gegen den auf vielen Tumoren hochregulierten EGF-Rezeptor gerichtet ist. Da dieser allerdings auch in gesundem Gewebe weit verbreitet ist, haben alle bisherigen Therapieansätze starke Nebenwirkungen. Zellen des angeborenen Immunsystems hingegen greifen nur an, wenn sie neben der Stimulation durch den „Innate cell engager“ noch weitere aktivierende Signale von der Tumorzelle bekommen, deshalb sollten gesunde Zellen verschont bleiben. In präklinischen Studien wurden bisher kaum Nebenwirkungen beobachtet; wenn sich dies im Menschen bestätigt, wäre das ein großer Durchbruch. 

Die Stimulation des angeborenen Immunsystems durch „Innate cell engager“ ist ein vielversprechender neuer Ansatz in der Krebs-Immuntherapie, der aufgrund seiner hohen Wirksamkeit und guten Verträglichkeit das Potenzial hat, die Grenzen herkömmlicher Therapien zu überwinden. 

Literatur: 

Liu, E., et al. (2020): Use of CAR-Transduced Natural Killer Cells in CD19-Positive Lymphoid Tumors. N Engl J Med 382:545-553.

Ellwanger, K., et al. (2019): Redirected optimized cell killing (ROCK®): A highly versatile multispecific fit-for-purpose antibody platform for engaging innate immunity. MABS 11(5): 899-918.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/innate-cell-engager-im-kampf-gegen-krebs