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Zwischen konservativem und operativem Eingriff

Innovative Schlauchprothese ermöglicht reversible Therapie bei Typ-2-Diabetes

Starkes Übergewicht gilt als Hauptursache für Typ-2-Diabetes. Das Mannheimer Unternehmen Trans-Duodenal Concepts hat in Anlehnung an Magen-Bypass-Operationen eine endoskopisch implantierbare Schlauchprothese entwickelt, die den Zwölffingerdarm auskleidet und so nicht nur die Nahrungsaufnahme reduziert, sondern auch den Blutzuckerstoffwechsel normalisieren kann.

Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der die insulinvermittelte Aufnahme von Glukose in die Körperzellen gestört ist, was zu dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegeln führt. Während bei Typ-1-Diabetes aufgrund einer Autoimmunreaktion die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse vernichtet werden, liegt bei Typ-2-Diabetes eine verminderte Empfindlichkeit der Körperzellen gegenüber dem Hormon vor. Hohe Glukosekonzentrationen im Blut bewirken, dass der Zucker irreversibel an Plasmaproteine und Membranbestandteile bindet und so langfristig Schäden an Blutgefäßen und Nerven verursacht. Unbehandelt führt die Krankheit daher zu Erblindung, Nierenversagen, Herzinfarkt oder Schlaganfall bzw. verursacht schwerwiegende Durchblutungsstörungen der unteren Gliedmaßen.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) litten im Jahr 2022 weltweit rund 830 Mio. Menschen an Diabetes, mehr als viermal so viele wie 1990.1) Über 95 Prozent der Erkrankten waren Typ-2-Diabetiker. Mehr als zwei Mio. Todesfälle wurden im Jahr 2021 direkt durch die Krankheit oder durch diabetesbedingte Nierenschäden verursacht.

Adipositas führt häufig zu Diabetes

Zwei Männer im Anzug mit Brille und kurzen grauen Haaren stehen vor einem Poster, das den Barrier erklärt.
Die Trans-Duodenal Concepts GmbH (links: CEO Prof. Dr. Georg Kähler) will den Trans-Duodenal Barrier mit Unterstützung der Ovesco Endoscopy AG (rechts: CEO Prof. Dr. Marc Schurr) zeitnah auf den Markt bringen. © Trans-Duodenal Concepts GmbH

Bei der Entstehung der Typ-2-Form spielt der Lebensstil eine entscheidende Rolle. Rauchen erhöht das Erkrankungsrisiko deutlich, da Nikotin sowohl die Produktion als auch die Wirkung von Insulin beeinträchtigt.2) Als Hauptursache gilt jedoch Adipositas, also starkes Übergewicht ab einem Body Mass Index (BMI) >30, denn die jahrelange hyperkalorische Ernährung überfordert den Stoffwechsel. Zudem können niederschwellige Entzündungs­reaktionen im Fettgewebe zur Aktivierung des Immunsystems und damit zur Freisetzung von Botenstoffen führen, die den Blutzuckerstoffwechsel stören.3)

Neueste Untersuchungen zeigen weiterhin, dass der bei Übergewichtigen erhöhte Plasmaspiegel des Peptidhormons Adrenomedullin die Insulinrezeptoren in den Gefäßwänden hemmt. Dies verringert die Gewebedurchblutung und damit den Transport von Insulin und Nährstoffen zu den Organen.4) Maßnahmen zur Gewichtsreduktion sind deshalb zentraler Bestandteil der Therapie bei Typ-2-Diabetes. „Adipositas ist eine chronische Erkrankung und kein Charakterfehler“, stellt Prof. Dr. Georg Kähler von der Trans-Duodenal Concepts GmbH (TDC) aus Mannheim klar. Das 2018 von ihm gegründete Unternehmen entwickelte in Anlehnung an chirurgische Eingriffe ein innovatives, einfach zu handhabendes Produkt für die Therapie von adipösen Diabetikern.

Schlauchprothese simuliert Bypass-Operation

Operative Behandlungen von Adipositas führen nicht nur zu Gewichtsverlust, sondern senken zumeist auch den Blutzuckerspiegel wirksamer als Medikamente oder eine Ernährungs­umstellung.5) Bei der Schlauchgastrektomie wird das Magenvolumen verkleinert, während bei einer Bypass-Operation der Magen teilweise umgangen und hinter dem Zwölffingerdarm (Duodenum) wieder mit dem Dünndarm verbunden wird. Beide Verfahren begrenzen die Nahrungsmenge und damit die Kalorienzufuhr; die Umgehung des Duodenums schränkt zudem Verdauung und Nährstoffaufnahme ein.

Darstellung der Positionierung der Barrier am Magenausgang.
Der Trans-Duodenal Barrier ist eine endoskopisch implantierbare Schlauchprothese aus Polyurethan, die durch zwei luftgefüllte Ballons am Magenausgang verankert wird und den Zwölffingerdarm auskleidet. © Trans-Duodenal Concepts GmbH

„Interessanterweise verbessern sich die Blutzuckerwerte insbesondere nach einem Bypass-Eingriff innerhalb weniger Tage, lange bevor ein Gewichtsverlust eintritt“, berichtet Kähler. „Denn die veränderte Magen-Darm-Passage beeinflusst die intestinale Hormonproduktion und damit den gesamten Stoffwechsel. Sättigungshormone wie GLP-1 werden vermehrt ausgeschüttet, und der Insulinspiegel normalisiert sich.“

Da sowohl Magenverkleinerung als auch Bypass aufwendige und nur schwer umkehrbare Eingriffe sind, entwickelte TDC ein gut verträgliches temporäres Implantat mit vergleichbarer Wirkung. Der langjährige Leiter der Zentralen Interdisziplinären Endoskopie des Universitätsklinikums Mannheim erläutert: „Unser Trans-Duodenal Barrier ist eine Schlauchprothese aus Polyurethan, die endoskopisch am Magenausgang platziert wird und den Zwölffingerdarm auskleidet. Ähnlich wie beim chirurgischen Bypass leiten wir so die Nahrung am oberen Teil des Dünndarms vorbei.“ Vor einigen Jahren nutzte Kähler am Klinikum bereits ein ähnliches Produkt, bei dem jedoch häufig Probleme durch die metallhaltige Verankerung auftraten. Da die Methode aber gut angenommen wurde, konstruierte er eine verträglichere Alternative. „Das Grundprinzip haben wir beibehalten, aber ein PFAS-freies Material gewählt. Außerdem haben wir eine atraumatische Fixierung durch zwei Ballons entwickelt, die vor und hinter dem Magenausgang positioniert sind. Unser Produkt ändert nicht nur die Darmpassage, sondern verringert auch die Peristaltik des Magens und verlängert so das Sättigungsgefühl.“

Zulassungsstudie angelaufen

In den vergangenen acht Jahren wurde der Trans-Duodenal Barrier umfassend auf Sicherheit und Praktikabilität geprüft. Das Material muss der Magensäure mit einem pH von 1,5 standhalten, und die Verankerung darf nicht verrutschen oder drücken. Nach erfolgreichem Abschluss aller Vorklinischen Tests und Tierversuche startete nun die deutschlandweite Zulassungsstudie mit adipösen Diabetikern. „Wir erwarten, dass unser Produkt zu stärkerem Gewichtsverlust führt als das Vorgängersystem und besser verträglich ist“, zeigt sich der Viszeralchirurg zuversichtlich. „Der 60 cm lange Schlauch bedeckt weniger als 20 Prozent der Dünndarmwand, weshalb keine Mangelerscheinungen auftreten sollten wie nach operativen Eingriffen.“ Neben den Stoffwechselveränderungen wird auch das subjektive Sättigungsgefühl der Probandinnen und Probanden während der sechsmonatigen Implantation untersucht.

Ausgeklügeltes Sicherheitskonzept

Um eine Beschädigung des Trans-Duodenal Barrier frühzeitig erkennen zu können, ist der auf der Magenseite befindliche Ballon mit Methylenblau gefüllt. Tritt der ungiftige Farbstoff bei einer Undichtigkeit aus, verfärbt sich der Urin grün. Dies erfordert die zeitnahe Entfernung des Implantats, da beim Abrutschen sonst ein Darmverschluss droht. Die Entfernung kann problemlos von jedem Endoskopiker durchgeführt werden. Dank des doppelwandigen zweischichtigen Aufbaus der Ballons ist eine Beschädigung jedoch äußerst unwahrscheinlich. Die Flüssigkeitsfüllung ermöglicht zudem eine gute Sichtbarkeit und Kontrolle des Systems im Ultraschall.

Die innovative Schlauchprothese schließt die Lücke zwischen konservativer und chirurgischer Therapie. Kähler führt aus: „Unser Verfahren ist sicher, reversibel, schnell und unkompliziert. Daher ist es bereits bei jüngeren Personen bzw. niedrigeren BMI-Werten anwendbar. Die Implantation erfordert zudem weder Narkose noch Röntgendurchleuchtung und kann mithilfe unseres speziellen Applikators von niedergelassenen Endoskopikern durchgeführt werden.“ Beim Vorgängermodell zeigte sich, dass der antidiabetische Effekt bis zu drei Jahre nach dem Entfernen anhält. Bei Bedarf lässt sich der Eingriff problemlos wiederholen oder auch mit Medikamenten kombinieren. Des Weiteren kann auch die im Rahmen einer Leberverfettung entstehende Entzündung, die Metabolische Dysfunktion-assoziierte Steatohepatitis (MASH), mit dem Implantat behandelt werden.

TDC hofft, das Produkt in zwei bis drei Jahren auf dem Markt anbieten zu können. Nach einer Startfinanzierung durch den High-Tech Gründerfonds Bonn, einen Mannheimer Privatinvestor sowie den Venture-Capital-Fonds Rhein-Neckar erhält das Unternehmen derzeit Unterstützung durch die Ovesco Endoscopy AG aus Tübingen.

Literatur:

1) Weltgesundheitsorganisation: Fact Sheet Diabetes (2024). https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/diabetes (abgerufen am 05.11.2025)

2) diabinfo: 5 gute Gründe jetzt mit dem Rauchen aufzuhören (2024). https://www.diabinfo.de/vorbeugen/nachrichten/nachrichten/article/5-gute-gruende-jetzt-mit-dem-rauchen-aufzuhoeren.html

3) Deutsche Diabetes Gesellschaft: Metabolische Entzündung (2019). https://www.ddg.info/presse/metabolische-entzuendung#e2345

4) Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung (2025): Blutgefäße sind schuld: Darum führt Übergewicht zu Diabetes. https://www.mpi-hlr.de/384753/news_publication_24106160_transferred

5) Deutsches Ärzteblatt (2017): Bariatrische Therapie des Typ-2-Diabetes: Magenoperation kann Medikamente langfristig ersetzen. https://www.aerzteblatt.de/archiv/bariatrische-therapie-des-typ-2-diabetes-magenoperation-kann-medikamente-langfristig-ersetzen-4c2dd957-7d68-42ef-a21f-9e244159992d

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/innovative-schlauchprothese-ermoeglicht-reversible-therapie-bei-typ-2-diabetes