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Unternehmensporträt

Velabs Therapeutics GmbH: Jedes Tröpfchen ist ein eigenes Testsystem

Mit Mikrofluidik neue therapeutische Antikörper aufspüren – das ist, vereinfacht gesagt, das Konzept der Velabs Therapeutics GmbH. Das Heidelberger Start-up wurde 2017 mit Unterstützung der EMBLEM Technology Transfer GmbH aus dem European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg ausgegründet. Erst kürzlich stellten Investoren dem jungen Unternehmen weitere Fördergelder für den Ausbau seiner Technologien und Anwendungen zur Verfügung.

Schematische Darstellung des Mikrofluidik-Verfahrens zur Messung funktionaler Antikörper © Velabs

Velabs Herzstück ist ein auf Mikrofluidik basierendes Screening-System zum Messen von Antigen-Antikörper-Reaktionen. Ein miniaturisiertes Flüssigtestverfahren also, das jeden Assay in ein eigenes Tröpfchen verpackt. Und noch etwas unterscheidet das neuartige Verfahren von herkömmlichen Testsystemen zur Antigen-Antikörper-Messung: Das Mikrofluid-System von Velabs misst nicht die Stärke der Bindung, sondern die Funktionalität des gesuchten Antikörpers.

Die neue Screening-Technologie wird aktuell zur Suche nach neuen therapeutischen Antikörpern gegen Entzündungserkrankungen wie Arthritis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Migräne, Schmerz, aber auch bei Ovarial-Karzinom und seltenen Erkrankungen eingesetzt. „Viele weitere therapeutische und auch diagnostische Anwendungen sind denkbar und werden folgen“, so der Geschäftsführer von Velabs, Dr. Christoph Antz.

Die Technik: Tropfenbasierte Mikrofluidik

Tröpfchen werden in einer sogenannten „Delay line“ gesammelt und verzögert wieder freigesetzt. © Velabs

Bevor die Funktionalität der Antikörper gemessen werden kann, müssen diese gewonnen werden. Das geschieht, indem ein Versuchstier mit dem Zielmolekül, dem spezifischen Antigen, immunisiert wird. Danach wird die Milz des Tieres entnommen und die Antikörper-produzierenden B-Zellen werden für das weitere Screening isoliert. Auch immunisierungsfreie Verfahren sind möglich. Dazu können beispielsweise Antikörper aus bereits existierenden Bibliotheken (Phagen, Hefe- oder Hybridomzellen) verwendet werden.

Jede B-Zelle wird durch ein spezielles Verfahren in ein einzelnes winziges Tröpfchen mit einem Durchmesser von 20-100 Mikrometern verpackt. Anschließend wird eine Reporterzelle in das Tröpfchen eingeschleust. Diese besitzt einen „eingebauten“ Fluoreszenz-Test: Findet in dem Tröpfchen die gewünschte funktionale (aktivierende oder inaktivierende) Reaktion zwischen Antigen und Antikörper statt, entsteht – nach Anregung mit Licht – eine Fluoreszenzreaktion. Dieses wird auf der Plattform erkannt und quantifiziert. Fluoreszierende Tröpfchen, sogenannte „Hits“ (Treffer), werden aussortiert, die B-Zellen daraus isoliert und die darin produzierten Antikörper charakterisiert.

Fluoreszierende Zellen in Tröpfchen. Die Fluoreszenzreaktion kann entstehen, wenn der Antikörper den gewünschten Effekt zeigt. © Velabs

Auf diese Weise können auch kleinste Mengen des Ausgangsmaterials zuverlässig analysiert werden – und das in enormer Geschwindigkeit. „Mehrere hundert Tests pro Sekunde können wir mit unserer Mikrofluidik-basierten Hochdurchsatz-Screening-Technologie in Echtzeit durchführen und sparen dabei immens viel Zeit“, so Antz. „Wir nutzen sie vor allem, um nach Antikörpern gegen spezialisierte Membranrezeptoren wie G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs) oder Ionenkanälen – beide wichtige Regulatoren der Zell-zu-Zell-Kommunikation – zu suchen. Mehr als 50 Prozent aller Medikamente weltweit sind auf diesen beiden Molekülklassen aufgebaut. Aber auch andere Zielstrukturen sind denkbar.“

Eigene Antikörpersammlung und Industriekooperationen

Velabs ist dabei, mithilfe des Mikrofluidik-Verfahrens eine umfangreiche eigene Antikörpersammlung mit vielversprechende Wirkstoffkandidaten für unterschiedliche therapeutische Anwendungen aufzubauen. Die meisten davon sind „Orphan GPCRs“, das sind GPCRs mit einem unbekannten Liganden und unbekannter physiologischer Funktion. „Über diese Klasse weiß man bisher nur wenig. Vieles spricht jedoch dafür, dass sie eine entscheidende Funktion bei der Entwicklung bestimmter Erkrankungen haben“, sagt Antz.

Auch Lizenzpartnerschaften mit Pharma- und Life-Science-Unternehmen bietet Velabs an. Ein Beispiel dafür ist die Anfang September 2019 verkündete Zusammenarbeit mit der Firma alytas therapeutics GmbH aus Jena. Gemeinsam sucht man nach funktionalen Antikörpern für eine immunbasierte Therapie gegen Adipositas (Fettleibigkeit). Bereits seit April 2019 arbeitet Velabs mit dem japanischen Unternehmen Chiome Bioscience zusammen, und zwar beim Screening nach Antikörpern gegen einen bestimmten GPCR. „Das sind nur zwei Beispiele von mehreren“, so Antz. "Derzeit sind acht weitere Kooperationen in Verhandlung.“

Nicht nur Antikörper lassen sich mit der Mikrofluidik-Plattform quantifizieren. In Kooperation mit dem Heidelberger BioMed X Innovation Center setzt Velabs das System für die Analyse der Rolle von T-Zellen und deren Rezeptoren für bestimmte Antigene bei Autoimmunstörungen ein. Die Arbeitsgruppe am BioMed X Center wird durch Janssen Research & Development LLC finanziert.

Auf Wachstumskurs

Erst im Juni 2019 hat der derzeit aktive Investor von Velabs, das Züricher Unternehmen Xlife Sciences, drei Millionen Euro zum Ausbau der eigenen Antikörper-Pipeline und Screening-Plattform zur Verfügung gestellt und damit eine weitere Finanzierungsphase eingeläutet. Auch an Mitarbeitern stockt Velabs auf – von derzeit acht auf zwölf Mitarbeiter bis Anfang 2020. „Velabs befindet sich auf Wachstumskurs“, so Antz. „Das Zeitalter der funktionalen Biologika fängt ja gerade erst richtig an. Funktionale Antikörper werden das Feld der modernen Therapeutik nachhaltig verändern. Und gerade bei der Behandlung chronischer Erkrankungen zeigen therapeutische Antikörper meist ein besseres Wirkungsspektrum als Standardverfahren, bei gleichzeitig weniger Nebenwirkungen.“

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/velabs-therapeutics-gmbh-jedes-troepfchen-ist-ein-eigenes-testsystem