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Mikrofluidische Systeme

Dermagnostix entwickelt molekulare Diagnostiktests für Hautkrankheiten

Einen Schnelltest zur Unterscheidung von Schuppenflechte und Ekzemen hat die Dermagnostix GmbH entwickelt. Dieser befindet sich aktuell in der Präklinischen Prüfung, die Markteinführung ist für 2023 geplant. Das aus dem Hahn-Schickard-Institut Freiburg, dem Helmholtz Zentrum München und der Technischen Universität München ausgegründete Start-up arbeitet bereits an zwei weiteren dermatologischen Tests. Zentrifugale Mikrofluidik heißt die Technologie, auf der die Tests basieren.

Zu sehen sind die Porträts von zwei lächelnden Frauen nebeneinander.
Dr. med. Natalie Garzorz-Stark (links) und Dr.-Ing. Katharina Dormanns (rechts), CEO und CTO bei Dermagnostix. © Dermagnostix GmbH

„Ein Drittel der Bevölkerung weltweit leidet an mindestens einer Hauterkrankung“, sagt Dr. Natalie Garzorz-Stark, Geschäftsführerin und Mitgründerin der Dermagnostix. „Besonders häufig werden Schuppenflechte oder Ekzeme wie Neurodermitis diagnostiziert.“ Schuppenflechte und Ekzeme gehören zu den entzündlichen, nicht ansteckenden, meist chronischen Hautkrankheiten. Das Erscheinungsbild kann sehr ähnlich sein, was eine eindeutige Diagnose oft schwierig macht. „Ungefähr zehn Prozent aller Patienten mit Schuppenflechte oder Ekzemen erhalten die falsche Diagnose und folglich häufig die falsche Therapie“, erklärt Garzorz-Stark.

Dabei wurden in den letzten Jahrzehnten gut wirksame Therapien entwickelt. Die Diagnosemethoden sind aber gleich geblieben: Die Dermatologin oder der Dermatologe begutachtet die betroffene Stelle visuell, tastet sie ab und mikroskopiert gegebenenfalls eine Hautprobe. Falsch therapiert, verschlimmert sich die Erkrankung häufig, die Patientinnen und Patienten leiden, und das Gesundheitssystem wird unnötig finanziell belastet, denn eine Therapie mit modernen Arzneistoffen kostet pro Patient und Jahr über 20.000 Euro. „Wir haben erkannt, dass die modernen Therapien eine moderne Diagnose erfordern und einen Test entwickelt, mit dem Schuppenflechte und Ekzeme eindeutig diagnostiziert werden können“, beschreibt Garzorz-Stark.

Miniaturisierter Laborablauf wird durch Drehung gesteuert

Hand hält runde Kunststoffdisk mit zahlreichen Kanälen und Kammern.
In einer mikrofluidischen Kunststoffdisk wird die Hautprobe vollautomatisch analysiert. © Dermagnostix GmbH

Bei dem Test wird eine Hautprobe auf bestimmte Biomarker untersucht. Denn die Dermatologin und ihr Team konnten im Erbgut zwei Gene identifizieren, die bei den beiden Hautkrankheiten in einem jeweils charakteristischen Verhältnis aktiv sind. Nachgewiesen wird dies in einer Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR). Das Testsystem besteht aus einem Analysegerät und einer CD-förmigen Kunststoffdisk. Diese sogenannte LabDisk enthält alle für die Analyse nötigen Reagenzien. Die Hautprobe wird in die Disk gegeben. Diese wird im Analysegerät mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei verschiedenen Temperaturen gedreht. Durch die so entstehenden zentrifugalen Kräfte wird ein miniaturisierter Laborablauf gesteuert: In feinen Kanälen und kleinen Kammern werden Flüssigkeiten transportiert, gemischt und aufgeteilt. Zentrifugale Mikrofluidik heißt diese Technologie. Nach 60 bis 90 Minuten liegt das Ergebnis vor.

Der Test basiert auf der LabDisk-Plattform des Hahn-Schickard-Instituts in Freiburg, einem gemeinnützigen Forschungsinstitut im Bereich der Mikrosystemtechnik, das Grundlagenforschung aus der Universität in die Anwendung bringt. „Die LabDisk-Technologie ist das Ergebnis jahrzehntelanger Entwicklung im Bereich der zentrifugalen Mikrofluidik, zunächst an der Universität Freiburg und dann bei Hahn-Schickard“, erläutert Dr. Katharina Dormanns, technische Leiterin bei Dermagnostix. Die Plattform kann an unterschiedliche analytische und diagnostische Fragestellungen angepasst werden. Die Bionikerin und promovierte Maschinenbauingeneurin ist fasziniert von der zentrifugalen Mikrofluidik. Von 2016 an war sie Gruppenleiterin im Bereich LabDisk-Technologie bei Hahn-Schickard. Bis sie im Jahr 2021 mit Garzorz-Stark und weiteren Kolleginnen und Kollegen von der Technischen Universität München (TUM) und dem Helmholtz Zentrum München Dermagnostix ausgründete. Das Unternehmen sitzt in Friedberg bei Augsburg, geforscht und entwickelt wird in Freiburg. „Unser Vorhaben ist, wissenschaftliche Erkenntnisse für die Patienten als zertifizierte Diagnostika verfügbar zu machen. Mit der LabDisk-Plattform haben wir dafür die ideale Plattform identifiziert“, sagt Garzorz-Stark, die zuvor an der TUM im Bereich der translationalen Dermato-Immunologie forschte.

Schnelltest soll 2023 auf den Markt kommen

Zu sehen ist ein Analysegerät und eine Hand mit Laborhandschuh, die eine Kunststoffdisk in das Gerät eingibt.
Testsystem aus Analysegerät und Kunststoffdisk. Durch die Automatisierung und Miniaturisierung werden Kosten für Personal und Reagenzien gespart, und auch minimal geschultes Personal kann die Tests durchführen, sodass es am sogenannten Point-of-Need, also patientennah, eingesetzt werden kann. Zudem wird das Risiko für die Verunreinigung einer Probe verringert und die Reproduzierbarkeit verbessert. © Dermagnostix GmbH

Ein Funktionsmodell des Players und der Disk sind fertig, die Klinischen Studien sollen 2022 starten. Nach erfolgreicher Zertifizierung plant Dermagnostix, den Schnelltest 2023 auf den Markt zu bringen. Kunden sind Kliniken, Labore und Arztpraxen, aber auch pharmazeutische Firmen, die den Test bei der Entwicklung von Medikamenten einsetzen. „Wir haben auch eine Kooperation mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Der Test wird im Rahmen eines Forschungsprojektes mit 120 Euro vergütet“, hebt Garzorz-Stark hervor. Dies sei ein großer Meilenstein mit Blick auf eine spätere Vergütung durch die Gesetzlichen Krankenversicherungen.

Dermagnostix hält exklusive Lizenzen des Patents zur Markerkombination des Tests, außerdem 13 weitere Patente zur Mikrofluidik, die zur Umsetzung des Tests als Schnelltest nötig sind. Das Unternehmen konzentriert sich auf die Entwicklung von Tests, die mikrofluidische Umsetzung, das Qualitätsmanagement und die Durchführung Klinischer Studien. Die Analysegeräte, Disks und Reagenzien werden zugeliefert. Die Geräte werden mit einer geringen Gewinnmarge verkauft oder können geleast werden, der Umsatz wird in erster Linie über die Disks erzielt. Das Start-up hat bereits einige Preise bekommen: Es belegte etwa den 2. Platz beim CyberOne Hightech-Award, gewann alle drei Phasen beim Science-for-Life-Wettbewerb und wurde unter die Top-50-Start-ups Deutschlands gewählt. 2,7 Mio. Euro kompetitive Drittmittel hat es bisher eingeworben. Um bis zum geplanten Break-Even im Jahr 2026 liquide zu bleiben, benötigt es weitere zweistellige Millionenbeträge. Zwei Hauptinvestoren sind bereits gefunden.

Schnelltests für schwarzen Hautkrebs und Hautlymphome

Dermagnostix arbeitet schon an weiteren Produkten: In einem zweiten Schnelltest sollen alle therapierelevanten Tumormutationen des schwarzen Hautkrebs und Prognosemarker untersucht werden können. Ein weiterer Test bezieht sich auf Hautlymphome - bösartige Tumore, die durch entartete Immunzellen unter der Haut entstehen. Die Erkrankung ist im Frühstadium heilbar, aber zu diesem Zeitpunkt häufig nicht von gutartigen entzündlichen Hauterkrankungen zu unterscheiden. Der Test soll dies ermöglichen. „Uns treibt an, Patienten innovative Tests zu bieten, mithilfe derer Diagnosen präzise gestellt werden können, aber auch eine Vorhersage des Therapieansprechens möglich wird“, erklärt Garzorz-Stark. „Die Molekulardiagnostik ist der Schlüssel für Personalisierte Medizin in der Dermatologie, und als Dermagnostix möchten wir hier Vorreiter sein.“

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