zum Inhalt springen
KyooBe Tech GmbH

Impfstoffherstellung der nächsten Generation

Herkömmliche Totimpfstoffe werden seit Jahrzehnten durch Abtöten der Krankheitserreger mittels toxischer Chemikalien hergestellt. Dieser Prozess verändert die Oberflächenstruktur der Erreger allerdings oft so stark, dass die Antwort des Immunsystems nur schwach ausfällt. Die Firma KyooBe Tech GmbH bietet jetzt ein neues Verfahren an, das nieder-energetische Elektronen zur Inaktivierung der Pathogene nutzt. Die so erzeugten Impfstoffe besitzen eine deutlich höhere Qualität, wodurch sie eine höhere Wirksamkeit und Sicherheit erreichen.

Durch die Verabreichung von Impfstoffen wird das Immunsystem darauf trainiert, Krankheitserreger zu erkennen und diese bei einer Infektion schnell und wirksam zu bekämpfen. Die Gabe kann entweder in Form von Lebend- oder Totimpfstoffen erfolgen. Lebendimpfstoffe enthalten abgeschwächte Erreger, welche die Krankheit nicht mehr auslösen können, aber aufgrund ihrer intakten Struktur einen starken Immunschutz hervorrufen. So hält die Immunität bei der Masern-Mumps-Röteln-Impfung beispielsweise ein Leben lang an.

Totimpfstoffe hingegen bestehen aus inaktivierten Erregern. Sie werden standardmäßig durch Zugabe von giftigem Formaldehyd hergestellt. Dieses dringt in den Erreger ein und verändert die Struktur seiner Proteine und Erbinformation so, dass er abstirbt. Bei dieser Methode werden die Oberflächenproteine in Mitleidenschaft gezogen, was dazu führt, dass die Immunantwort deutlich schwächer ausfällt als bei Lebendimpfstoffen. Aus diesem Grund enthalten die Impfstoffe oft Adjuvantien – also verstärkende Hilfsstoffe. Der so erzielte Impfschutz zum Beispiel gegen Influenza, Hepatitis-A oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist zudem zeitlich begrenzt, weshalb er regelmäßig aufgefrischt werden muss.

Nieder-energetische Elektronen-Strahlen für die maßgeschneiderte Inaktivierung

Schematische Darstellung der Bestrahlung eines Krankheitserregers mit nieder-energetischen Elektronen.
Die Bestrahlung eines Krankheitserregers mit nieder-energetischen Elektronen (low-energy electron irradiation, LEEI) zerstört dessen Erbinformation (Nukleinsäure), die Proteine auf der Oberfläche hingegen bleiben intakt. © KyooBe Tech GmbH

Die im Februar 2020 gegründete Firma KyooBe Tech GmbH aus Leinfelden-Echterdingen bietet ein alternatives Verfahren zur Inaktivierung von Krankheitserregern an. Angriffsziel ist hier vor allem die Erbinformation, die Nukleinsäure. Diese wird durch Bestrahlung mit nieder-energetischen Elektronen (LEEI, low-energy electron irradiation) zerbrochen und zerkleinert, sodass sich der Erreger nicht mehr vermehren kann. Die für eine Immunantwort wichtige Proteinstruktur an der Oberfläche der Pathogene bleibt hingegen intakt. 

Ausgearbeitet wurde das Verfahren von einem Konsortium aus vier Fraunhofer Instituten aus Leipzig, Dresden und Stuttgart. Die größte Hürde bei der LEEI-Technik ist die geringe Eindringtiefe der nieder-energetischen Elektronen. Damit der Erreger bei der Bestrahlung vollständig abgetötet wird, darf eine Schichtdicke von 300 µm nicht überschritten werden. Um dies zu erreichen, wurde ein Pumpen- und Walzen-System entwickelt, das die pathogenhaltige Flüssigkeit als dünnen Film durch eine Bestrahlungskammer leitet.

Die Wirksamkeit der Technologie („proof of concept“) wurde bereits in mehreren Untersuchungen für Polio- oder Influenza-Viren aber auch andere Pathogene wie zum Beispiel Bakterien im Labor gezeigt. Im Vergleich zur Formaldehyd-Methode ist die Ausbeute an inaktiven Erregern bei der neuen Methode deutlich höher (95 % gegenüber 40-60 %), hat eine bessere Qualität aufgrund der intakten Oberflächenstruktur und verzichtet auf die Verwendung der giftigen Chemikalie. Innerhalb weniger Stunden lassen sich Impfstoffmengen produzieren, für die bisher 2-3 Wochen aufgrund der langen Einwirkzeit von Formaldehyd nötig waren. Gegenüber der ebenfalls denkbaren Behandlung mit hoch-energetischer (gamma-) Strahlung sind bei der LEEI erheblich geringere Strahlenschutzmaßnahmen erforderlich. 

KyooBe Tech ist verantwortlich für Markteinführung

Als Patenteigner lizensierte die Fraunhofer Gesellschaft das Verfahren im Jahr 2017 an die Bausch+Ströbel Maschinenfabrik Ilshofen GmbH + Co. KG, einen Anlagenhersteller zur Medikamentenabfüllung. KyooBe Tech als 100-prozentiges Tochterunternehmen wird den Technologietransfer des Prototypen zum pharmagerechten Produktionssystem verantworten und vorantreiben.

Mit Hilfe eines patentierten Pumpen- und Walzen-Systems wird die LEEI-Technologie umgesetzt. Eine Walze erzeugt einen dünnen Flüssigkeitsfilm, der mit niedrig-energetischen Elektronen bestrahlt und dann von der Walze abgezogen wird. 1 Bestrahlungskammer, 2 niedrig-energetische Strahlungsquelle, 3 Pumpen- und Walzen-System, 4 rotierende Walze, 5 dünner Flüssigkeitsfilm, 6 Abzieher, 7 peristaltische Pumpe, 8 Lösung mit lebenden Krankheitserregern, 9 Lösung mit inaktivierten Krankheitserregern. © KyooBe Tech GmbH
Mit Hilfe eines patentierten Pumpen- und Walzen-Systems wird die LEEI-Technologie umgesetzt. Eine Walze erzeugt einen dünnen Flüssigkeitsfilm, der mit niedrig-energetischen Elektronen bestrahlt und dann von der Walze abgezogen wird. 1 Bestrahlungskammer, 2 niedrig-energetische Strahlungsquelle, 3 Pumpen- und Walzen-System, 4 rotierende Walze, 5 dünner Flüssigkeitsfilm, 6 Abzieher, 7 peristaltische Pumpe, 8 Lösung mit lebenden Krankheitserregern, 9 Lösung mit inaktivierten Krankheitserregern. © KyooBe Tech GmbH

„Es bestehen Kontakte zu allen großen Impfstoffherstellern im europäischen Markt, mit einigen sind bereits „proof of concept“-Studien mit deren Pathogenen angelaufen“, erklärt Mario Bott, einer der Geschäftsführer von KyooBe Tech. Zurzeit befindet sich das junge Unternehmen noch in der Etablierungsphase, die Markteinführung des Serienprodukts wird in 2-3 Jahren erwartet. Bis dahin soll der Prototyp mit einem derzeitigen Gewicht von 8 Tonnen und einer Stellfläche von 4x4 Metern auf die Dimensionen eines größeren Kühlschranks geschrumpft sein.  

Porträtfoto von Mario Bott, Geschäftsführer der KyooBe Tech GmbH.
Mario Bott, Geschäftsführer der KyooBe Tech GmbH. © KyooBe Tech GmbH

Trotz der enormen Vorteile der LEEI-Methode zielt KyooBe Tech nicht primär auf die Umstellung bereits bestehender Produktionslinien, denn für diese Impfstoffe wäre eine neue Zulassung erforderlich. Doch für die Zukunft gilt: „Wir wollen mit unserer Technologie langfristig den neuen Goldstandard in der Pathogeninaktivierung setzen“, sagt Bott. Dieses Ziel ist bereits im Unternehmensnamen verankert, er leitet sich aus der englischen Lautschrift für die Buchstaben Q (für Quality) und B (für Biology) ab. Das Hauptaugenmerk der Firma liegt auf der hohen biologischen Qualität der Produkte, die zu einer hohen Sicherheit führt. Dazu zählt auch, dass die mittels LEEI hergestellten Totimpfstoffe aufgrund ihrer intakten Oberflächenstruktur – vergleichbar den Lebendimpfstoffen - deutlich weniger der für die Nebenwirkungen verantwortlichen Adjuvantien benötigen werden. Zusätzlich erwartet KyooBe Tech Vorteile bei der Herstellung von Mehrfach-Impfstoffen sowie die lückenlose Integration in einen kontinuierlichen Produktionsprozess. Mit der LEEI-Technologieplattform soll den Kunden eine größere Flexibilität und Wandlungsfähigkeit ermöglicht werden. 

Neue Impulse für pharmazeutische Produktionsprozesse

KyooBe Tech ist kein reiner Gerätelieferant, sondern unterstützt die Kunden auch bei der Optimierung des Inaktivierungsprozesses. Jedes Pathogen erfordert individuelle Parameter hinsichtlich eingesetzter Erregerkonzentration und Strahlendosis für eine vollständige Inaktivierung bei bestmöglichem Erhalt der Oberflächenstruktur. 

Generell zeichnet sich die Firma durch einen stark kundenzentrierten Ansatz aus und will mit ihrem Wissen Impulse setzen und Produktionsprozesse mitgestalten. Im letzten Jahrzehnt hat sich die pharmazeutische Produktlandschaft verändert: Die Vielfalt der Prozesse und Produkte hat sich deutlich erhöht und auch kleinere Krankheitsbilder werden vermehrt adressiert. Hier setzt KyooBe Tech an: „Mein interdisziplinäres Team aus Ingenieuren, Biotechnologen und Verfahrenstechnikern nimmt sich die biologischen Prozessketten vor und fragt, wie es mit seiner Expertise und neuen Verfahren diesen Wandel unterstützen beziehungsweise verbessern kann“, erklärt Mario Bott die Vorgehensweise. „Wir gehen aktiv auf den Kunden zu und wollen in die Strategiediskussion einsteigen.“ Die neue Generation der Impfstoffherstellung ist nur ein erster Schritt in diesem Innovationsansatz. 

Literatur

  • Fertey, J., et al. (2016). Pathogens Inactivated by Low-Energy-Electron Irradiation Maintain Antigenic Properties and Induce Protective Immune Responses. Viruses 8, 319.  

  • Fertey, J., et al. (2020). Low-Energy Electron Irradiation Efficiently Inactivates the Gram-Negative Pathogen Rodentibacter pneumotropicus—A New Method for the Generation of Bacterial Vaccines with Increased Efficacy. Vaccines 8, 113. 

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/impfstoffherstellung-der-naechsten-generation