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Fluoreszenz und Smartphone statt Labor

Mobiles Blutanalyse-System zur häuslichen Arzneimittelüberwachung

Bei vielen Medikamenten ist eine regelmäßige Kontrolle der Wirkstoffkonzentration im Blut notwendig, um Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Bisher benötigt dies nicht nur Zeit, sondern verbraucht auch Personal- und Laborressourcen. Das Heidelberger Start-up QuantiLight hat nun ein mobiles Gerät mit neuartiger Sensortechnologie entwickelt, das schnelle und unkomplizierte Messungen zu Hause oder in der Arztpraxis ermöglicht.

Zahlreiche Medikamente weisen eine geringe therapeutische Breite auf. Das heißt, sie erzielen ihre optimale Wirkung nur innerhalb eines bestimmten Konzentrationsbereichs. Liegt die Konzentration im Blut über diesem Bereich, drohen schwerwiegende Nebenwirkungen; ist sie hingegen zu niedrig, bleibt der gewünschte Effekt aus. Besonders kritisch ist dies bei Immunsuppressiva, Antiepileptika und Psychopharmaka sowie bei Krebsmedikamenten und Gerinnungshemmern. Individuelle Merkmale der Patientinnen und Patienten wie beispielsweise Körpergewicht, Geschlecht, Begleiterkrankungen oder genetische Dispositionen, aber auch der Lebensstil, können den Arzneistoffspiegel beeinflussen. Deshalb sind für die richtige Medikamentendosierung regelmäßige Kontrollen der Blutwerte erforderlich.

Auf drei Porträtbildern sind ein junger Mann mit kurzen Haaren, eine junge Frau mit dunklen, zurückgebundenen Haaren und eine weitere Frau mit dunklen, halblangen Locken zu sehen. Alle lächeln in die Kamera.
Dr. Corentin Gondrand (a) , Dr. Estelle Bonedeau (b) und Erin Federman (c) von QuantiLight bieten eine portable Plattform zur Bestimmung von Arzneimittelkonzentrationen im Blut an. © QuantiLight GmbH

Dieses sogenannte Therapeutische Drug Monitoring (TDM) ist mit viel Zeit- und Personalaufwand verbunden, da die Blutproben nur in einem Labor ausgewertet werden können. „Derzeit müssen die betroffenen Personen entweder zur Blutabnahme in die Arztpraxis gehen oder eine selbst abgenommene, getrocknete Probe direkt an die Klinik senden. Bis die Ergebnisse vorliegen, vergehen dann einige Tage“, schildert Dr. Corentin Gondrand, Geschäftsführer und Mitgründer des Heidelberger Start-ups QuantiLight. „Wir haben ein Verfahren entwickelt, das innerhalb von 15 min eine zuverlässige Messung am Point-of-Care ermöglicht: also daheim, in der Praxis oder am Krankenbett.“

Biolumineszierende Sensoren detektieren Arzneistoffe

Zeichnerische Darstellung des Sensormoleküls als eine Kette aus vier Teilen, und der Konformationsänderung nach Bindung des Wirkstoffs. Das Molekül emittiert rotes Licht ohne Wirkstoff, und ändert nach Bindung seine Gestalt und leuchtet blau.
Die neuartigen Sensoren sind aus dem Enzym Luciferase (hellblau), einem Rezeptormolekül (grau), einem Fluorophor (rot) sowie einem Liganden (gelb) zusammengesetzt. In Abwesenheit des Wirkstoffs bindet der Ligand an den Rezeptor und stabilisiert den Sensor in einer kompakten Konformation. Dadurch kann ein Biolumineszenz-Resonanz-Energietransfer (BRET) erfolgen, und der Fluorophor emittiert rotes Licht. Verdrängt der Wirkstoff (dunkelblau) den Liganden, ändert sich die räumliche Struktur des Sensors, und der BRET-Prozess bricht ab, sodass nur noch die blaue Biolumineszenz der Luciferase vorhanden ist. © QuantiLight GmbH

Die von QuantiLight eingesetzte Technologie beruht auf Forschungsarbeiten der Abteilung für Chemische Biologie am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg. Dort entwickeln Forschende unter Leitung von Prof. Dr. Kai Johnsson schon seit längerer Zeit Sensoren, die auf Basis von Biolumineszenz kleinste Mengen an Arzneistoffen präzise messen können. Hierfür nutzen sie das Enzym Luciferase, das in Gegenwart von Sauerstoff durch Umsetzung eines Substrats blaues Licht erzeugt. Trifft dieses Licht dann auf einen Fluorophor, also eine zur Fluoreszenz fähige Verbindung, wird diese angeregt und gibt Licht in einer anderen Farbe (in diesem Fall Rot) ab. Ein solcher Biolumineszenz-Resonanz-Energietransfer (BRET) ist allerdings nur zwischen Molekülen möglich, die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Die Forschenden kreierten deshalb neuartige Sensormoleküle, die aus einem Rezeptor für den zu untersuchenden Wirkstoff, einem Luciferaseprotein und einem Fluorophor bestehen. Bindet der Arzneistoff an den Sensor, ändert sich dessen räumliche Struktur und damit auch die Effizienz des BRET innerhalb der Verbindung. Die daraus resultierenden Veränderungen in den Farbintensitäten lassen sich messen, wodurch Rückschlüsse auf die Konzentration des Arzneistoffes in der Probe möglich sind.1)2)

„Inzwischen haben wir eine Vielzahl unterschiedlicher Biosensoren hergestellt, die alle auf demselben Grundprinzip basieren“, berichtet Gondrand, der seit 2017 als Postdoc bei Johnsson arbeitet. „Wir können nicht nur verschiedene Immunsuppressiva, Gerinnungshemmer und Krebsmedikamente nachweisen, sondern auch körpereigene Biomarker wie beispielsweise Stoffwechselprodukte, die Aufschluss über die Funktion von Organen liefern. Unser Verfahren ist äußerst empfindlich und genauso präzise wie derzeitige Laboruntersuchungen.“

Von der Forschung in den Alltag

Nach vielen Jahren in der Grundlagenforschung beschlossen der Chemische Biologe und seine Kollegin, die Molekularbiologin Dr. Estelle Bonedeau, die innovative Technologie für Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen. 2023 gewannen sie mit ihrem Projekt QuantiLight den Ideenwettbewerb des ersten Heidelberger IMPACT DAY. Für die Ausarbeitung eines Prototyps erhielten sie anschließend eine Förderung im Rahmen des EXIST-Forschungstransfers des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

Zu sehen ist eine kleine schwarze Box mit nach oben ragenden Anschlüssen, eine durchsichtige Plastikkartusche und ein Mobiltelefon mit geöffneter App und den Testergebnissen.
Die Analyse-Plattform besteht aus einer kleinen Kartusche (vorne rechts), die den Sensor enthält, einem Lesegerät sowie einer App für mobile Endgeräte, über die sich die Messergebnisse abrufen lassen. © QuantiLight GmbH

Gondrand führt aus: „Unsere portable Plattform ist sehr einfach zu bedienen. Sie besteht aus einer Einwegkartusche in Visitenkartengröße, die den Sensor enthält, sowie einem Lesegerät, das das emittierte Licht detektiert und daraus die Konzentration der zu untersuchenden Substanz errechnet. Für die Analyse muss nur ein Tropfen Blut auf die Kartusche aufgebracht werden, das Ergebnis wird dann innerhalb von Minuten per Bluetooth an eine mobile App gesendet.“

Im Rahmen einer kleinen Klinischen Studie wurde das Analysesystem in Zusammenarbeit mit einem lokalen Universitätsklinikum von mehreren Personen mit Phenylketonurie getestet.3) Bei dieser schwerwiegenden angeborenen Stoffwechselstörung kann die Aminosäure Phenylalanin nicht abgebaut werden. Wird die Erkrankung zu spät erkannt, reichert sich Phenylalanin im Körper an und führt zu geistiger Behinderung sowie Krampfanfällen. Da die Aminosäure in nahezu allen natürlichen Proteinen enthalten ist, müssen sich die Betroffenen streng eiweißarm ernähren und ihre Blutwerte regelmäßig kontrollieren lassen.

„Bereits nach der zweiten Nutzung fühlten sich 90 Prozent der Probandinnen und Probanden sicher im Umgang mit dem Gerät“, berichtet der CEO. „Obwohl unsere Lösung mehr Zeit in Anspruch nimmt, als wenn man nur einen Tropfen Blut auf ein Stück Papier gibt, bevorzugten 95 Prozent der Testpersonen unser Verfahren, weil die Ergebnisse schneller zur Verfügung stehen.“

Ein Gewinn für das gesamte Gesundheitssystem

Seit Mai 2025 werden Gondrand und Bonedeau von der Wirtschaftsexpertin Erin Federman als CCO unterstützt. Das Anfang Juni gegründete Start-up arbeitet an der Weiterentwicklung des Messgeräts; die verbesserte Version soll dann in einer größeren Klinischen Studie erprobt werden, um die CE-Kennzeichnung zu erlangen. Für diesen Schritt sind die Gründenden noch auf der Suche nach Partnern und Investoren. Während QuantiLight die Sensorproteine auch zukünftig selbst herstellen will, soll die Fertigung der Kartuschen und Lesegeräte in Kooperation mit einem Industriepartner erfolgen.

„Zunächst konzentrieren wir uns auf das Monitoring von Immunsuppressiva. Hier besteht großer Bedarf, denn mehr als 1 Mio. Menschen in Europa und den USA sind nach einer Organtransplantation auf diese Medikamente angewiesen“, führt Gondrand aus. „Grundsätzlich ist der Anwendungsbereich unseres Systems jedoch vielfältig, insbesondere auch, weil wir bis zu drei verschiedene Substanzen pro Blutprobe quantifizieren können.“

Die innovative Technologie von QuantiLight liefert nicht nur schnelle Ergebnisse, sondern entlastet zusätzlich Labore sowie medizinisches Personal. Dies führt insgesamt zu geringeren Kosten für Krankenhäuser und Krankenkassen. Die mobile Plattform bietet somit eine smarte und flexible Lösung für die Medikamentenüberwachung von morgen.

Quellen:

1) Griss, R. et al. (2014): Bioluminescent sensor proteins for point-of-care therapeutic drug monitoring. Nat Chem Biol. 10(7), 598–603. https://doi.org/10.1038/nchembio.1554

2) Yu, Q. et al. (2018). Semisynthetic sensor proteins enable metabolic assays at the point of care. Science 361(6407), 1122–1126. https://www.science.org/doi/10.1126/science.aat7992

3) Publikation in Vorbereitung und noch nicht veröffentlicht. Wird in Kürze ergänzt.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/mobiles-blutanalyse-system-zur-haeuslichen-arzneimittelueberwachung