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Personalisierte Therapieansätze bei metastasiertem Brustkrebs

Brustkrebs zeichnet sich durch große genetische Vielfalt aus. Eine erfolgreiche Behandlung wird noch dadurch erschwert, dass sich bei fortgeschrittenem Brustkrebs die Metastasen in ihren Eigenschaften oft wesentlich vom Primärtumor unterscheiden. Im Rahmen der Heidelberger CATCH-Studie werden nun von Metastasen-Gewebeproben der Patientinnen genetische Profile erhoben, nach denen für jede Person eine maßgeschneiderte Therapie ausgewählt wird, die gegebenenfalls weiter angepasst werden kann. So sollen die Kontrollraten bei fortgeschrittenem metastasiertem Brustkrebs verbessert, das Voranschreiten der Erkrankung verzögert und die Risiken von Nebenwirkungen verringert werden.

Die beiden Leiter der Translationalen Brustkrebs-Programme in Heidelberg: Prof. Dr. Peter Lichter (links), Deutsches Krebsforschungszentrum, und Prof. Dr. Andreas Schneeweiss, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen © DKFZ und NCT / Peggy Rudolph

Brustkrebs ist in Deutschland mit schätzungsweise 71.900 Neuerkrankungen im Jahr 2018 die bei weitem häufigste Krebserkrankung der Frau. Etwa jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. Zwar ist durch die Therapiefortschritte in den letzten Jahrzehnten die Sterberate zurückgegangen, und die Mehrzahl der betroffenen Frauen können heute vom Brustkrebs geheilt werden, doch noch immer ist das invasive Mammakarzinom (die bei weitem häufigste Art des bösartigen Brustkrebses) mit etwa 18.000 Todesfällen die häufigste Krebstodesursache bei Frauen. Etwa 90 Prozent der Todesfälle sind die Folge von Metastasierung (statistische Angaben von der Weltgesundheitsorganisation sowie dem Robert Koch-Institut: Krebs in Deutschland, 2017).

Solange der Tumor noch klein und auf eine Brust beschränkt ist (Stadium I), kann er meistens vollständig geheilt werden. Wenn der Tumor sich in die Lymphknoten und/oder in anderes Gewebe in der Umgebung der Brust ausgebreitet hat (Stadien II und III), hängt die Chance auf Heilung davon ab, ob es gelingt, das Tumorgewebe vollständig zu entfernen und Mikrometastasen zu zerstören. Ein fortgeschrittener Brustkrebs, bei dem sich Fernmetastasen in anderen Organen des Körpers gebildet haben (Stadium IV), ist gegenwärtig dagegen kaum heilbar. Ziel der Therapie ist in diesem Fall ein verlängertes „progression-free survival“ (PFS, Überleben ohne Fortschreiten der Krankheit), das heißt, eine Stabilisierung der Tumorerkrankung mit einer an den Wünschen der Patientin orientierten möglichst hohen Lebensqualität (siehe Abbildung).

Diversität von Brustkrebs und seinen Metastasen

Stadien des invasiven Brustkrebses und Therapieziele am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen. [PFS: „progression-free survival“ (siehe Text)]. © Grafik von Dr. Ernst Jarasch nach Präsentationsvorlagen von Peter Lichter und Andreas Schneeweiss, Heidelberg am 21.01.2019.

Brustkrebs tritt in sehr heterogenen Formen auf. Nach histologischen Kriterien, dem Differenzierungsgrad (Grading) und der Expression bestimmter Rezeptorproteine (Östrogenrezeptor alpha, Progesteronrezeptor und Wachstumsfaktor-Rezeptor HER2) in den Tumorzellen klassifiziert man verschiedene Mammakarzinom-Subtypen, die sich in Krankheitsverlauf und Prognose stark unterscheiden und auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Genomsequenzierungen und Expressionsprofilanalysen zeigen, dass jede Brustkrebserkrankung einzigartig und in ihrem molekularen Muster von jeder anderen verschieden ist. Am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg wird nun im Rahmen eines als COGNITION bezeichneten Programms bei Patientinnen mit Brustkrebs in frühem Stadium, aber hohem Risiko der Metastasenbildung jeweils das molekulare genomische Profil erstellt, um eine darauf zugeschnittene personalisierte Therapie durchzuführen. Ziel dieses im Frühjahr 2019 begonnenen Programms unter der Leitung des Molekulargenetikers Peter Lichter und des Medizinischen Onkologen Andreas Schneeweiss ist es, die Risiken eines Rückfalls und einer Metastasierung zu vermindern und die Heilungschancen zu erhöhen.

Die Heidelberger CATCH-Studie

Bei fortgeschrittenem Brustkrebs, wenn Metastasen bereits sichtbar sind, ist die Situation noch komplexer. „Wir sehen dann stärkere Unterschiede nicht nur zwischen den Betroffenen, sondern sogar zwischen den einzelnen Krebszellen bei ein und derselben Patientin“, erklärte Lichter. „Genau deshalb ist die Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms so schwierig“, denn das molekulare und genetische Profil des Primärtumors und seiner Metastasen unterscheiden sich ganz erheblich. Im Rahmen der Heidelberger CATCH-Studie („Comprehensive Assessment of Clinical Features and Biomarkers To Identify Patients with Advanced or Metastatic Breast Cancer for Marker Driven Trials in Humans”) wird an Biopsiematerial aus Metastasen von Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs – neben der Identifizierung von Biomarkern und Zielmolekülen therapeutischer Wirkstoffe – zusätzlich ein molekulares Profil auf DNA- und RNA-Niveau („Whole Genome Sequencing“ und Transkriptom-Sequenzierung) erstellt.

Die gefundenen molekularen Veränderungen werden, wenn möglich, mit den Ergebnissen klinischer Studien und Therapeutika-Einsätze abgeglichen. Unter Berücksichtigung des molekularen Reports und des pathologischen Befundes wählt dann das aus behandelnden Ärzten, Pathologen, Bioinformatikern, Molekularbiologen und Humangenetikern bestehende „Molekulare Tumor-Board“ des NCT im Einverständnis mit der Patientin eine maßgeschneiderte Therapie aus. Das kann entweder eine Standardtherapie sein oder eine „Off-Label“-Therapie mit einem Wirkstoff, der eigentlich für andere Erkrankungen zugelassen ist, aber aufgrund der Tumoreigenschaften erfolgversprechend erscheint. Möglich ist auch ein innovatives, noch in der Erprobung befindliches Therapieverfahren oder eine Kombination verschiedener Ansätze. Wie Schneeweiss betonte, ist es „eine Besonderheit unserer Studie, dass wir nicht nur diese große Auswahl an Therapiemöglichkeiten haben, sondern dass wir nur Patientinnen einschließen, die wir hier vor Ort behandeln. Dadurch gehen die genetische Analyse und die Behandlung Hand in Hand, und wir können sehr schnell reagieren und die Therapie anpassen – je nachdem, wie die Patientin auf die Behandlung anspricht.“

Die erste Patientin für die CATCH-Studie wurde im Juni 2017 rekrutiert; bis Februar 2019 sind bereits 190 Patientinnen eingeschlossen, die zum Teil mit molekular-stratifizierten Therapien behandelt werden – ein Ansatz der personalisierten Medizin, bei dem die Betroffenen in Subgruppen eingeteilt werden, die anhand der molekularen Eigenschaften des Tumors und seiner Metastasen unterschiedliche – teilweise kombinierte – Therapien erhalten. Auch wenn es für die Bewertung der Studienergebnisse noch zu früh ist, konnten Lichter und Schneeweiss am 21. Januar 2019 auf einem Presseworkshop am Deutschen Krebsforschungszentrum schon einige positiv verlaufende Fälle vorstellen. „Bei Patientinnen, denen wir bei herkömmlicher Herangehensweise wenig Hoffnung auf Besserung machen könnten“, so Schneeweiss, hatte sich der Krankheitszustand stabilisiert, teilweise mit einer Tendenz zur partiellen Remission von Metastasen,“ – hin zu dem Therapieziel der CATCH-Studie, eine Verlängerung progressionsfreien Überlebens bei hoher Lebensqualität zu erreichen.

Um auf veränderte Tumoreigenschaften reagieren zu können, die durch klonale Evolution bei der Metastasierung auftreten können, werden zukünftig auch Diagnosen an multiplen Biopsien notwendig sein – möglicherweise bis hin zur Einzelzell-Sequenzierung. Es besteht aber die Hoffnung, dass anstelle von aufwendig gewonnenem Biopsiematerial schon bald im Blut zirkulierende Tumor-DNA und zirkulierende Tumorzellen für die molekulare Analyse und das Monitoring der Krebserkrankung verwendet werden können.

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