Neue Medikamente bedürfen der Zulassung durch eine Arzneimittelbehörde. Der Zulassung geht die langwierige und kostenintensive klinische Entwicklung des Arzneimittels voraus. Diese umfassende klinische Prüfung ist notwendig zum Schutz des Patienten.
Die Antragstellung in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist derzeit nicht nur zeitaufwendig, sondern auch sehr kostenintensiv. Das führt unter anderem dazu, dass viele klinische Studien außerhalb der EU stattfinden, zum Beispiel in Afrika und Indien. Experten schätzen, dass ein Hersteller seine Studienkosten um 30 bis 50 Prozent senken kann, wenn er sein neues Mittel in Indien und nicht der EU testet.
Die Europäische Kommission hat nun im Juli 2012 einen Vorschlag für eine Verordnung über klinischen Prüfungen vorgelegt, mit der klinische Studien überall in der Europäischen Union denselben Regeln unterworfen werden sollen. Mehr Transparenz, kürzere Fristen bei der Zulassung von Studien und vereinfachte Verfahren bei der Berichterstattung sollen dem sehr unübersichtlichen Antragsverfahren in Europa Abhilfe schaffen (s. Link "EuroConsults" rechts).
Kritik an dem Entwurf kam in Deutschland aus vielen Richtungen, unter anderem von der Bundesärztekammer und dem Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. Man sehe die Deklaration von Helsinki aus dem Jahre 1964 verletzt, welche die ethischen Richtlinien klinischer Forschung beinhaltet und verhindern soll, dass jemals wieder Menschen im Dienst der Wissenschaft missbraucht werden. Der Schutz minderjähriger und nicht einwilligungsfähiger Patienten sei nicht mehr ausreichend gewährleistet und die Aufgaben der Ethikkommissionen seien beschnitten. Inwieweit der Entwurf umgesetzt werden wird, wird sich vorraussichtlich noch im Jahr 2013 herausstellen. Die neue Verordnung soll im Jahr 2016 in Kraft treten.
Das AMNOG ist am 1. Januar 2011 in Kraft getreten mit dem Ziel, die steigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel zu reduzieren. Dabei soll das AMNOG die innovative Arzneimittel-Forschung nicht unterbinden, sondern die Bezahlbarkeit neuer Wirkstoffe gewährleisten. Deshalb müssen die Hersteller von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nun den Nachweis über deren Zusatznutzen erbringen und ein entsprechendes Dossier beim G-BA vorlegen. Der G-BA regelt die Arzneimittelbewertung und kann das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) oder Dritte mit der Bewertung des neuen Wirkstoffes gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie beauftragen.
Auf Basis der Nutzenbewertung kann der Arzneimittelhersteller mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) einen Erstattungsbetrag für ein Medikament aushandeln. Ist kein Zusatznutzen nachweisbar, wird das Arzneimittel in eine Festbetragsgruppe eingeordnet.
Seit Einführung des AMNOG wurden 24 von 37 getesteten Wirkstoffen positiv und wie folgt bewertet (Stand: Mai 2013): Einen beträchtlichen Zusatznutzen bescheinigte der G-BA in sieben Fällen, in 14 einen geringen und in drei einen nicht quantifizierbaren. Der G-BA hat jedoch in vielen dieser Verfahren entschieden, den positiven Zusatznutzen auf kleine Patientengruppen zu beschränken. Ein weiterer Kritikpunkt im AMNOG-Verfahren ist die Wahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie durch den G-BA, da diese den Rahmen für die Zusatznutzenbewertung und die anschließenden Preisverhandlungen legt.
In Deutschland hat mit der Einführung des AMNOG ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Nutzenbewertung wird von den meisten Beteiligten positiv bewertet. Kritik kommt dennoch, häufig Verfahrensfragen betreffend. Derzeit, zwei Jahre nach Inkrafttreten des AMNOG, ist es jedoch noch zu früh für eine umfassende Bilanz.
Als Grundlage der Beurteilung, ob ein Medikament zugelassen werden kann oder nicht, sollen die Ergebnisse klinischer Studien dienen. Die lückenlose Dokumentation aller Studienergebnisse, ob positiv oder negativ für den Hersteller, ist dabei erforderlich. Viele Beispiele auch aus jüngster Vergangenheit belegen jedoch die Manipulation der Öffentlichkeit durch das Schönen klinischer Studien. So wurden die Studiendaten (2009) zum Antidepressivum Edronax (Wirkstoff Reboxetin, Hersteller Pfizer) erst nach massivem öffentlichen Druck dem IQWIG übergeben, das Reboxetin keinen Zusatznutzen attestieren konnte.
An der Wirksamkeit von Tamiflu (Roche), dem meistverkauften Grippemittel der Welt, zweifeln Wissenschaftler seit Langem. Noch 2002 empfahl die WHO, das Grippemittel für den Notfall einzulagern. Viele Staaten folgten dieser Aufforderung. Als 2009 die Schweinegrippe ausbrach, fand das Medikament wiederum reißenden Absatz. Tamiflu bescherte Roche seit Markteinführung im Jahr 2002 einen Umsatz von mehr als zehn Milliarden Schweizer Franken (Stand 2013). Recherchen der unabhängigen Cochrane Collaboration zufolge sei jedoch durch die selektive Veröffentlichung der Studienergebnisse ein falsches Bild entstanden. Tamiflu lindere zwar die Symptome der Grippe, verkürze die Erkrankungsdauer aber um lediglich anderthalb Tage. Bisher gebe es außerdem keine Belege dafür, dass die Hospitalisierungsrate durch die Einnahme von Tamiflu gesenkt werde - so das Ergebnis von Berechnungen der Cochrane Gruppe. Roche hat mittlerweile eingelenkt und will alle Tamiflu-Studien offenlegen.
Die Veröffentlichung der Studienergebnisse ist in Deutschland im § 42 b Arzneimittelgesetz geregelt, nach dem die Studiendaten der zuständigen Bundesoberbehörde zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Pflicht zur vollständigen Veröffentlichung der Studienergebnisse ist also per Gesetz festgeschrieben. Die Hersteller kommen ihr aber nur zögerlich nach.