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Mit eHealth und Telemedizin auf dem Weg zum digitalen Gesundheitswesen

Die Einführung der Telematikinfrastruktur und die Online-Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte sind die Voraussetzungen für ein flächendeckend digital vernetztes Gesundheitssystem in Deutschland. Nachdem die Entwicklung lange Zeit stillzustehen schien, ist mit dem Inkrafttreten des E-Health-Gesetzes Anfang 2016 und dem Beginn des flächendeckenden Rollouts der Telematikinfrastruktur im Juni 2017 Leben in die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland gekommen. Doch welchen Nutzen hat die Digitalisierung tatsächlich für die Medizin und damit für den Patienten?

Der Oberbegriff für die Anwendung von Kommunikations- und Informationstechnologie im Gesundheitswesen ist eHealth. Eine Anwendung im Bereich eHealth ist die Gesundheitstelematik, die sowohl die administrativen, vernetzten Online-Anwendungen wie die elektronische Gesundheitskarte (eGK) umfasst als auch die Telemedizin, also Anwendungen, die einen medizinischen behandlungsbezogenen Zusammenhang haben und zwischen Ärzten sowie auch zwischen Ärzten und Patienten stattfinden. Dabei geht es darum, dass eine räumliche Distanz überwunden wird. Interessant ist dies zum Beispiel in ländlichen Regionen, wenn der Patient eine weite Wegstrecke für einen Kontrollbesuch beim Arzt zurücklegen muss. Dank der Video-Sprechstunde können solche Kontrollen nun auch online stattfinden.

Telemedizin nutzt Patienten und Ärzten

Ein weiteres Anwendungsbeispiel für die Telemedizin ist die Teleradiologie. In der Radiologie begutachten Ärzte radiologische Bilder auf einem dafür geeigneten Monitor. Die mithilfe des Röntgengeräts oder des Kernspintomografen durch den medizinisch-technischen Assistenten erstellten Bilder liegen bereits digital vor. Daher eignet sich die Teleradiologie für eine Anwendung in der Telemedizin. So könnten in strukturschwachen Regionen radiologische Zentren einen großen Bereich mit mehreren Krankenhäusern versorgen. Denn die Daten können von den einzelnen Krankenhäusern direkt an das Zentrum zur Begutachtung durch den Radiologen geschickt werden. Der in dem jeweiligen Krankenhaus behandelnde Arzt muss für dieses Vorgehen laut Röntgenverordnung strahlenschutzfachkundig sein und Kenntnisse zur Funktionsweise der Teleradiologie haben. Für die Krankenhäuser ist dies insbesondere bei Nacht- und Wochenenddiensten von Bedeutung.

Und natürlich profitiert auch der Patient, denn für seine individuelle Erkrankung steht immer ein Facharzt zur Begutachtung zur Verfügung. Jedoch fürchten Experten, dass ein Facharztmangel in der Radiologie entstehen könnte, sodass die Teleradiologie mit einem radiologischen Zentrum sogar zwingend notwendig sein wird. Auf Projektbasis wird die Teleradiologie in Baden-Württemberg bereits angewendet, wie zum Beispiel am Klinikum am Weissenhof in Weinsberg. Das im Dezember 2015 im Bundestag beschlossene E-Health-Gesetz regelt die Einführung verschiedener Anwendungen aus dem Bereich der Gesundheitstelematik. Dazu gehört auch die telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgen- und/oder CT-Aufnahmen. Hierzu ist seit April 2017 eine Vereinbarung zur Vergütung in Kraft.1

Die Telematikinfrastruktur wird ausgerollt

Die Basis für diese und weitere Anwendungen im Bereich von Telemedizin und eHealth ist die Telematikinfrastruktur (TI). Die TI, die durch die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) in Betrieb genommen wird, soll für eine sichere Vernetzung aller Beteiligten im Gesundheitssystem sorgen. Das sind Krankenhäuser, Arztpraxen, Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen und natürlich auch die Patienten. Die TI wurde ab Herbst 2016 durch die Anwendung des Versichertenstammdatenmanagements (VSDM), also der Online-Aktualisierung der Versichertendaten, erprobt. In der Testregion Nordwest (Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz), bestehend aus 500 teilnehmenden Arztpraxen und sechs Krankenhäusern, konnten bis zum Frühjahr 2017 etwa 500.000-mal die Versichertendaten online geprüft werden.2

Sichere Datenübertragung

Für eine sichere zertifizierte Datenübertragung werden die Patientendaten individuell verschlüsselt. Für die Entschlüsselung sind der elektronische Heilberufsausweis (eHBA) und die eGK erforderlich. Im Juni 2017 verkündete die gematik nun die Freigabe für den Online-Produktivbetrieb der Geräte, die in den Arztpraxen zur Nutzung der TI benötigt werden, wie den Konnektor und das E-Health-Kartenterminal: „Wir sind glücklich über diesen Meilenstein, der die Basis für den bundesweiten Rollout der Telematikinfrastruktur ist. Auf diesen Tag haben wir – gemeinsam mit allen Gesellschaftern und in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik – hingearbeitet. Jetzt ist die Industrie am Zuge, ihre Produkte zur Zulassung einzureichen. Wir von der gematik stehen bereit“, so Alexander Beyer, Geschäftsführer der gematik, deren Gesellschafter die Spitzenverbände der Leistungserbringer und der Kostenträger im deutschen Gesundheitswesen sind.3 Der Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e.V. sah im Mai 2017 jedoch noch einige Schwierigkeiten, da die gematik noch Ende April 2017 umfangreiche Anpassungen an den Spezifikationen für die Komponenten vorgenommen habe.4 Und auch wenn Helmut Platzer, Vorstandsvorsitzender der AOK Bayern, die eGK im August 2017 schon vor dem Aus sieht, so hält Bundesgesundheitsminister Gröhe weiterhin daran fest. Bestärkt wird er darin unter anderem vom Verband der Ersatzkassen.5,6,7

Finanzierung steht

Schon ab 1. Juli 2018 sollten Ärzte und Psychotherapeuten verpflichtet sein, die Versichertendaten auf der eGK online zu prüfen und zu aktualisieren. Nach Informationen der Ärztezeitung wird jedoch in einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zu einer "Verordnung zur Verlängerung der Frist nach § 291 Absatz 2b Satz 14 SGB V" die Frist auf den 31.12.2018 verschoben.8 Die dafür notwendigen Ausstattungskosten bekommen Ärzte durch die Krankenkassen erstattet. Hier konnten sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband auf konkrete Beträge einigen. So werden für die einmalige Anschaffung eines Konnektors für die qualifizierte elektronische Signatur im dritten Quartal 2017 2.620 Euro erstattet. Der Betrag sinkt in den folgenden Quartalen um jeweils 10 Prozent. In den durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifizierten Kartenterminals können die eGK und der eHBA eingelesen werden. Der Konnektor ist für die Anbindung des Terminals an die TI zuständig und funktioniert wie ein Router mit einem sehr hohen Sicherheitsniveau. Mithilfe der Praxis- beziehungsweise Institutionskarte und einer PIN kann der Anwender sich an dem Konnektor authentifizieren.9

Bei einem Unfall können die gespeicherten Notfalldaten, wie zum Beispiel Arzneimittelunverträglichkeiten, Leben retten. Versicherte können auf freiwilliger Basis Notfalldaten auf der eGK speichern. Dazu gehören auch Informationen zu Allergien, einer Schwangerschaft und Implantaten. © CC0 Public Domain / pixabay

Nach dem Anschluss an die TI können ab 2018 die Notfalldaten des Patienten und der Medikationsplan auf der eGK gespeichert werden. Als nächstes Ziel soll die gematik bis Ende 2018 die Voraussetzungen für eine elektronische Patientenakte und ein elektronisches Patientenfach schaffen. In der Akte haben Angehörige der Heilberufe Zugriff auf die medizinischen Daten wie Arztbriefe und Laborbefunde des Patienten und mit dem verbundenen Patientenfach kann der Patient ebenfalls Zugriff auf seine Daten erhalten und sogar eigene Daten, wie zum Beispiel Blutzuckermessungen hinzufügen.10,11 Damit gestaltet der Patient seine Therapie aktiv mit. Doch bis ein System für eine einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte (eEPA) implementiert ist, müssen noch einige Voraussetzungen erfüllt werden. Prof. Peter Haas von der Fachhochschule Dortmund empfiehlt in der Expertise „Einrichtungsübergreifende Elektronische Patientenakten als Basis für integrierte patientenzentrierte Behandlungsmanagement-Plattformen“ zum Beispiel eine Governance-Struktur für die eEPA zu schaffen. Dieses „eEPA-Bundesinstitut“ unter Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit soll zum Beispiel verbindliche Spezifikationen und Standards für eEPA-Systeme zur Verfügung stellen und zulässige Betreibermodelle definieren.12

Nur mit Standards lassen sich Insellösungen vermeiden

Die gematik hat nun im Rahmen ihres Auftrags ein Interoperabilitätsverzeichnis erstellt. Am 30. Juni 2017 ging das zentrale Verzeichnis für IT-Standards im deutschen Gesundheitswesen (vesta) online. Anwender von IT-Systemen im Gesundheitswesen (z.B. Krankenhäuser) und deren Interessenvertreter (z.B. Fachgesellschaften), Hersteller der IT-Systeme sowie wissenschaftliche Einrichtungen und Normungsorganisationen können Anträge für die Aufnahme von Standards und Leitfäden in vesta stellen. Für die Notfalldaten und die persönliche Erklärung der Versicherten stellt die gematik beispielweise schon das Informationsmodell „Notfalldaten-Management (NFDM)“ zur Verfügung. Zwischen Mai und November 2016 waren in der Testregion Münster 2.598 Notfalldatensätze auf Wunsch der Patienten angelegt worden. Patienten und Ärzte waren mit dem Datensatz und der Speicherung auf der eGK sehr zufrieden. Auch für das VSDM liegen bereits Standards vor, für jede weitere Anwendung fehlen diese jedoch noch.13

Akteure sehen Nutzen der Digitalisierung

Mittlerweile sind die meisten Akteure mit den vorliegenden Ergebnissen zufrieden. Auf dem 120. Deutschen Ärztetag 2017 in Freiburg machte die Ärzteschaft deutlich, dass sie die Digitalisierung im Gesundheitswesen aktiv mitgestalten will. Unter anderem begrüßte der Deutsche Ärztetag Modellprojekte zur Fernbehandlung. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg ermöglicht beispielweise in einem Projekt die Anamnese und Befunderhebung per Telefon. Der Ärztetag forderte die Bundesärztekammer auf, zu prüfen, ob die (Muster-)Berufsordnung für Ärzte ergänzt werden kann, sodass die Ärztekammern in Einzelfällen Ausnahmen für Projekte mit wissenschaftlicher Evaluation zulassen können.14

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung unterstützt in ihrem Acht-Punkte-Programm auf Basis des Konzepts „KBV 2020 – Versorgung gemeinsam gestalten“ eine Digitalisierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Die Anwendungen müssen jedoch sicher, aufwandsneutral und nutzbringend sein sowie Interoperabilität gewährleisten.15 Bundesgesundheitsminister Gröhe ist von der Notwendigkeit der Digitalisierung des Gesundheitswesens überzeugt. Das machte er auf dem Digital-Gipfel 2017 in Ludwigshafen deutlich. Der Nutzen der digitalen Vernetzung für die Patienten liegt auf der Hand, denn eine bessere Versorgung im ländlichen Raum sowie für chronisch kranke und ältere Patienten ist allein aufgrund des strukturellen und demografischen Wandels erforderlich und sinnvoll. Die Aufgabe aller beteiligten Akteure ist es nun, die schon erarbeiteten und neuen eHealth- und Telemedizin-Lösungen mit besten Nutzen für Patienten und Ärzte in der Regelversorgung zu integrieren.

Literatur:

1 „eHealth in Deutschland“, Hrsg. Florian Fischer und Alexander Krämer, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016

2 „Start des Online-Produktivbetriebs steht unmittelbar bevor“: https://www.gkv-90prozent.de/startseite/startseite.html

3 Pressemitteilung der gematik vom 02.06.2017: „Zugelassene Produkte ab Herbst 2017 auf dem Markt verfügbar“: https://www.gematik.de/cms/de/header_navigation/presse/meldungen_1/Pressemitteilungen.jsp

4 Pressemitteilung des bvitg e.V.vom 16.05.2017: "Telematikinfrastruktur: Finanzierung steht – und nun?": http://www.bvitg.de/pressemitteilung-bvitg/telematikinfrastruktur-finanzierung-steht-und-nun.html

5 Süddeutsche Zitung, 6.8.2017: „Elektronische Gesundheitskarte offenbar vor dem Aus” http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/e-card-elektronische-gesundheitskarte-offenbar-vor-dem-aus-1.3617842

6 Ärzteblatt, 7.8.2017: „Bundesregierung hält an elektronischer Gesundheitskarte fest” https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/77448/Bundesregierung-haelt-an-elektronischer-Gesundheitskarte-fest

7 Pressemitteilung des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek): „Die Ersatzkassen stehen zur elektronischen Gesundheitskarte” https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2017/Ja-zur-eGK.html

8 ÄrzteZeitung, 13.07.2017: „BMG sagt Ärzten längere Frist zu”: https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/praxis_edv/article/939837/telematik-bmg-sagt-aerzten-laengere-frist.html?sh=20&h=136304136

9 Pressemitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung und des GKV-Spitzenverbands: „Finanzierung Telematik-Infrastruktur: Einigung erzielt – gesetzliche Fristen eingehalten“: http://www.kbv.de/html/2017_28622.php

10 Gesetzliche Rahmenbedingungen der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und des Aufbaus der Telematikinfrastruktur: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/e-health-gesetz/allgemeine-informationen-egk/gesetzliche-rahmenbedingungen.html

11 Bundesministerium für Gesundheit – E-Health-Gesetz: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/e-health-gesetz.html

12 „Einrichtungsübergreifende Elektronische Patientenakten als Basis für integrierte patientenzentrierte Behandlungsmanagement-Plattformen“, Prof. Dr. Peter Haas, Dortmund: http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektnachrichten/elektronische-patientenakte-einfuehrung-braucht-klaren-fahrplan/

13 Pressemitteilung der gematik vom 10.04.2017: "Ärzte und Patienten mit Test der Notfalldaten zufrieden": https://nfdm.gematik.de/aktuelles/pressemitteilung_10042017/

14 Pressemitteilung der Bundesärztekammer 24.05.2017: "Ärzteschaft will Digitalisierung des Gesundheitswesens mitgestalten": http://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/aerzteschaft-will-digitalisierung-des-gesundheitswesens-mitgestalten/

15 Kassenärztliche Bundesvereinigung: „Strukturwandel gemeinsam bewältigen“ http://www.kbv.de/media/sp/2017_05_22_KBV__Acht_Punkte_Programm_Strukturwandel.pdf

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/dossier/mit-ehealth-und-telemedizin-auf-dem-weg-zum-digitalen-gesundheitswesen